Verlassenschaftsakten Mannheim, 1623-1941 (Bestand)

Archive plan context


Title:Verlassenschaftsakten Mannheim
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Einleitung zum Bestand „Amtsgericht Mannheim – Verlassenschaftsakten – Ältere Serie 1632-1843“

Das Stadtarchiv Mannheim und das Generallandesarchiv Karlsruhe verwahren über 8.000 Mannheimer Verlassenschaftsakten: sie entstanden zwischen 1632 und 1843 bei der städtischen, später staatlichen Aufsicht über Vormundschaften. Kinder bei der Scheidung oder nach dem Tod der Eltern, Entmündigte, Verschollene: ihre Rechte und ihr Vermögen wurde durch einen Vormund gesichert, und dieser wiederum hatte Rechenschaft abzulegen – daraus entstanden die Verlassenschaftsakten.
Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft und erlauben einen tiefen Einblick in die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, religiösen und persönlichen Verhältnisse der Mannheimer/innen der letzten vier Jahrhunderte.
Verzeichnet wurde der Bestand zwischen Juni 2001 und Juni 2003 von Archivassesor Dr. Carl Jochen Müller unter der Anleitung von Dr. Christoph Popp mit der finanziellen Unterstützung der Kulturgutstiftung Baden-Württemberg in einem gemeinsamen Projekt mit dem Generallandesarchiv Karlsruhe.
Der weitaus überwiegende Teil der älteren Serie der Mannheimer Erb- und Pflegschaftsakten liegt im Stadtarchiv Mannheim als Zugang 32/2001 (7.276 Archivalieneinheiten); kleinere Partien in einem Gesamtumfang von 1.044 Einheiten verwahrt das Generallandesarchiv Karlsruhe in seinen Beständen 213 (618 Einheiten), 276 (356 Einheiten), 240 (42 Einheiten), 77 (23 Einheiten), 245 (3 Einheiten) und 313 (2 Einheiten). Bedingt durch diese Aufbewahrungssituation wurde ein Erschließungsvorhaben von kommunaler (Stadtarchiv Mannheim) und staatlicher Seite (Generallandesarchiv Karlsruhe) gemeinsam durchgeführt, ein bis dahin einmaliger Vorgang.

a) Der Komplex „Inventuren und Teilungen“ umfasst 6.883 Einheiten.
Seine umfänglichste Untergruppe umfasst die Akten, die einem Erbfall ihr Entstehen verdanken (6.070 Einheiten). Diese Gruppe fächert sich auf einer dritten Ebene in weitere Untergruppen auf, so z. B. in die Teilungen ehelichen Vermögens nach dem Tode eines der Gatten (1.289 Einheiten), in eine Serie von Testamenten, die den Erbteilungsakten nicht beigeheftet wurden (148 Einheiten) sowie in Akten über prozessual ausgetragene Erbstreitigkeiten (die sich im einzelnen teilweise mit den Erbteilungsakten der Erblasser vernetzen lassen).
Daneben stehen die Akten, die in ehebedingten Zusammenhängen entstanden sind (605 Einheiten). Dabei handelt es sich vor allem um Inventuren über das Ehe-Einbringen, die ganz überwiegend anlässlich von Wiederverehelichungen errichtet wurden (303 Einheiten) und um eine Serie von Eheverträgen (271 Einheiten). Auch die Inventuren im Zusammenhang von Vermögensabsonderungen bei Ehegatten (v.a. im Scheidungsfall, 31 Einheiten) sind dieser Klassifikationsgruppe zugeordnet.
Daneben finden sich kleinere Gruppen von Inventuren, so z.B. bei Zwangsversteigerung (Gant), unerlaubtem Entweichen etc.) Vermögensübergaben oder gerichtlichen Vermögensuntersuchungen.

b) Die zweite Großgruppe umfasst den Komplex Kuratel in seinen Spielarten (1.319 Einheiten; z. B. Vormundschaften für Minderjährige, Geistesschwache); auf einer Unterebene klassifikatorisch gesondert ausgewiesen werden dabei die abwesenheitsbedingten Pflegschaften (216 Einheiten; v.a. bei Verschollenen) und die Adoptionen (11 Einheiten).

Den Rest bildet allerlei „sonstiges“ Material, das sich der Zuweisung in die Hauptgruppen entzieht.

Was die mittels des Erschließungsprogramms StadtStar durchgeführte Verzeichnung angeht, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Enthält-Vermerke die in den Akten enthaltenen Eheverträge und Testamente ausweisen, aber auch die Zugehörigkeit eines Erblassers zur Klientel der Armenkommission.
Die Indexeinträge schließlich eröffnen dem Benutzer die Recherchemöglichkeit nach Namen, Vornamen, Beruf, Todesjahr, Alter, Familienstand (bei Frauen) und Konfession, bei außerhalb Mannheims ansässigen Erblassern und bei Dienstmägden auch nach dem Herkunftsort.


Früher: Stadtamt Mannheim - bürgerliche Rechtspflege
b) Geschichte des Bestandes

Der Aufgabenbereich „Vormundschaftswesen, Pflege, Mündel, Testamente und Eheverträge, Teilungen und Inventuren“ war durch die Privilegien Karl Ludwigs vom 1. September 1652, Art. XV dem Stadtrat überlassen. Erneuert wurden diese Privilegien 1743 und 1785. 1734 wurde ein eigenes Stadtgericht abgetrennt (Privileg vom 30. April 1733, § 17). Dieses war besetzt mit einem Stadtdirektor und sechs Assessoren. Ein separates Pupillaramt als Abteilung des Stadtrates war seit 1757 zuständig für das gesamte städtische Vormundschaftswesen einschließlich der Inventuren und Teilungen. Die Protokollierung der Testamente und Eheverträge lag nach wie vor beim Stadtrat bzw. Stadtgericht. Personell waren diese Gremien sowie das Pupillaramt weithin identisch, vermutlich besaßen sie auch eine gemeinsame Registratur. Rechtsgrundlage war das kurfürstlich-pfälzische Landrecht von 1582, erneuert 1611 mit verschiedenen Landes- und Polizeiordnungen.
Der Übergang Mannheims an Baden bedeutete das Ende dieser städtischen Gerichtsbarkeit; zuständig für das Pupillarwesen wurde das am 25. Mai 1804 als staatliche Behörde eingerichtete Stadtvogteiamt. 1810 wurde dieses in Amtsrevisorat umbenannt; es hatte laut Badischem Landrecht von 1810 das gesamte Vormundschaftswesen einschließlich der Abfassung öffentlicher Urkunden, Inventuren und Teilungen unter sich. 1864 übernahm das Amtsgericht Mannheim die Funktion als Vormundschafts-, Nachlaß- und Vollstreckungsgericht. Ein Registraturschnitt, der zugleich auch weitgehend das Ende der Laufzeit markiert, ist die Einführung des BGB 1899/1900.

Laut Verwaltungsbericht der Stadt Mannheim von 1911 und den Archivpflegeunterlagen des Generallandesarchivs wurden Verlassen- und Vormundschaftsakten des ehemaligen Stadtgerichts vom Amtsgericht übernommen, soweit nicht das Generallandesarchiv Akten des 17. Jahrhunderts oder Akten bedeutender Familien selbst übernommen hatte. Das Generallandesarchiv hat dem Stadtarchiv Mannheim mit Schreiben vom 18.11.1911 diese Übernahme angetragen, die Genehmigung erfolgte durch Erlass des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses, der Justiz und des Auswärtigen vom 5.12.1911 (Nr. 3833). (Schriftwechsel und Erlass in GLA 450/1961, Verwaltungsbericht der Stadt Mannheim von 1911, S 43). Wie diese Akten im Archiv verzeichnet und gelagert wurden, ist nicht mehr ermittelbar.
1928 übernahm das GLA aus einer weiteren Ablieferung des Amtsgerichts nur einige Faszikel, der Rest von 130 Säcken wurde zur Altpapierverwertung freigegeben. Auf Intervention des Mannheimer Altertumsvereins konnten 72 Säcke vor der Makulierung bewahrt und durch Erlass des Justizministeriums vom 19. Juli 1928 (Nr. 53427) vom Stadtarchiv übernommen werden. (Schriftwechsel in GLA 450/1961 und Akten des Mannheimer Altertumsvereins, Faszikel v 9). Auch bei diesen Beständen sind Verzeichnung und Aufbewahrung nicht mehr nachvollziehbar.
Diese Bestände fielen dem Angriff vom 5.-6. Sept. 1943 zum Opfer. Laut einem Bericht von Dr. Ludwig Böhm vom 16. Okt. 1945 betraf dies „wesentliche Bestände aller Gerichts- und Vormundschaftsakten aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert. Teile dieses Bestandes verbrannten in dem Keller des Hauses L 2, 9, in den sie zur größeren Sicherheit überführt worden waren. Nur ein sehr geringer Bestand ist in N 2, 4 erhalten geblieben ...“ Unklar bleibt, warum dieser Verlust sich über das gesamte Alphabet erstreckt und nicht nur einzelne Blöcke betrifft.
Ein letzter Zugang erfolgte 1952, Gustaf Jacob sprach in seinem Bericht für den Oberbürgermeister am 21.02.1952 von 85 Bündeln und erwähnte Testamente und Ehekontrakte aus dem 17. und 18. Jahrhundert, deren ältestes von 1666 datiere, außerdem Akten der Amtsrevisorate von Schwetzingen und Ladenburg sowie Handelsregisterbeilagen. Einige dieser erwähnten Faszikel sowie die Ehekontrakte waren nachweislich allerdings bereits 1911/1928 ins Haus gekommen, so dass nicht mehr rekonstruierbar ist, welche Teile des heute im Stadtarchiv verwahrten Bestandes mit dieser Ablieferung ins Haus kamen. Die alphabetischen „Ablieferungslisten“ -/1911 und -/1952, die bis zur Neuverzeichnung die einzigen Findhilfsmittel waren, entstanden in den 1960er Jahren und sind nachweislich nicht geeignet, Aufschlüsse über die Ablieferungen zu bieten. Da sie darüber hinaus grob fehlerhaft waren (Lesefehler bei Namen, Zuordnung von Faszikeln zu Vorgängen), wurde der Bestand bei der Verzeichnung neu signiert. Die wenigen bis dahin erfolgten Benutzungen zitieren „Verlassenschaft Name, Vorname“ und sind daher nachvollziehbar.
Classification:Die Klassifikation ergab sich während der Verzeichnung des im Stadtarchiv Mannheim verwahrten Gros der Erb- und Pflegschaftsakten. Die Archivalien lassen sich demnach in zwei große Gruppen scheiden: zum eind) Zur Klassifikation und Verzeichnung der Akten

Die Klassifikation ergab sich während der Verzeichnung des im Stadtarchiv Mannheim verwahrten Gros der Erb- und Pflegschaftsakten. Die Archivalien lassen sich demnach in zwei große Gruppen scheiden: zum einen die Inventuren und Teilungen, zum andern das Kuratelwesen.en die Inventuren und Teilungen, zum andern das Kuratelwesen.
Appraisal and destruction:Mit den zwischen 1632 und 1843 entstandenen älteren Mannheimer Erb- und Pflegschaftsakten werden einerseits der genealogischen, andererseits der stadt- und regionalgeschichtlichen, nicht zuletzt aber auch der sozial-, kultur- und rechtsgeschichtlichen Forschung überhaupt neue Quellen von hohem Wert zugänglich gemacht: Eine ganze Stadt macht gleichsam Inventur und gewährt Einblicke in die Vermögens- und Lebensverhältnisse aller sozialen Schichten, von der Armenunterstützung beziehenden Witwe bis zum reichen Kaufmann. Die Erschließungstiefe erlaubt verschiedene gruppenspezifische Fragestellungen – aktenbezogen nach Klassifikationskategorien wie z.B. Kuratel, Testament etc., vor allem aber personenbezogen im Hinblick auf Alter, Geschlechtszugehörigkeit, Konfession oder Beruf. So bieten die Archivalien eine reiche Fundgrube etwa für prosopographische Studien zur kurpfälzischen Beamtenschaft oder die Erforschung der Geschichte der Mannheimer Juden im 19. Jahrhundert. Darüber hinaus enthalten die Akten in unverhofftem Umfang Material zu einzelnen wichtigen Momenten der Stadt- und Landesgeschichte, so beispielsweise zur Pest von 1666 in der Kurpfalz oder zu Mannheimer Maimarktbelustigungen, zum Leiden der Stadt in den Koalitionskriegen und zur Geschichte des Nationaltheaters. Um exemplarisch nur einige weitere ertragverheißende Möglichkeiten der Erb- und Pflegschaftsakten zu nennen: die in ihnen enthaltenen Inventare erlauben Aussagen über den Grundbesitz, aber auch über die Bibliotheksbestände der Mannheimer Oberschicht; die in einem Umfang von über 1.200 Stück überlieferten Testamente hingegen geben Aufschluss über die religiöse Gebundenheit von Erblassern vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; eine Fülle von den Akten beigehefteten Privatbriefen schließlich stellen eine einzigartige Quelle dar zum Alltag von Mannheimer Lehrlingen auf der Walz oder von Soldaten in den napoleonischen Kriegen.
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

End of term of protection:12/31/1971
Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=38061
 

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