Title: | Evangelische Kirchengemeinde Mannheim |
Name of the creator / provenance: | Deutsch-Reformierte Gemeinde Mannheim, Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Mannheim, Archivalien des Separatfonds der Konkordienkirche, Evang.-Prot. Gemeinde von 1821 bis ca. 1861 |
Geschichte der Institution mit Archivbeständen: | Bereits in der Stadterhebungsurkunde von Mannheim aus dem Jahr 1607 nahm Kurfürst Friedrich IV. die reformierte Kirche unter seinen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt existierten mit der französisch-wallonischen und der deutschreformierten zwei evangelische Gemeinden in der Stadt. Der Dreißigjährige Krieg brachte für beide erhebliche Rückschläge; mühsam mussten sie nach 1648 wieder aufgebaut werden. 1652 wurden erstmals die Lutheraner offiziell in Mannheim geduldet, ohne aber eine eigene Gemeinde bilden zu können. Daneben gründeten flämische Einwanderer die niederländisch-reformierte Gemeinde. Der Konfessionswechsel von 1685 im kurfürstlichen Haus hin zum Katholizismus und die darauf folgenden Kriege hatten eine neuerliche tiefgehende Erschütterung der protestantischen Gemeinden zur Folge. Das Simultaneum von 1698 und die Religionsdeklaration von 1705 beendete ihre privilegierte Stellung in Mannheim. Kirchen und Kirchenvermögen mussten mit den Katholiken geteilt werden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gerieten die protestantischen Konfessionen zunehmend in die Defensive, was durch die Uneinigkeit der reformierten und lutherischen Gemeinden in Mannheim noch verstärkt wurde. Ein besonderes Problem war nach den Zerstörungen der Kriege und der Abteilung der Kirchen infolge des Simultaneums, dass die einzelnen Gemeinden kein eigenes Gotteshaus besaßen. 1709 wurde daher die lutherische Trinitatiskriche fertiggestellt; 1717 errichtete die deutschreformierte Gemeinde ihren Anteil an der zerstörten Konkordienkirche wieder, 1739 folgte die wallonische Gemeinde mit ihrem Anteil. Im Laufe des 18. Jahrhunderts verschob sich auch das Größenverhältnis zwischen den einzelnen Gemeinden. Waren die Lutheraner um 1700 noch stark in der Minderheit gewesen, hatten sie Mitte des 18. Jahrhunders die Reformierten zahlenmäßig überflügelt. 1737 gehörten rund 2500 Mitglieder zur lutherischen Gemeinde. Das Armen- und Schulwesen war im 18. Jahrhundert Sache der einzelnen Gemeinden. Bereits 1729/30 erwarb die lutherische Gemeinde ein eigenes Hospital- und Armenhaus, nachdem vorher alle drei christlichen Konfessionen gemeinsam ein Armenhaus unterhalten hatten. Auch die deutschreformierte Gemeinde begann 1736 mit dem Bau eines eigenen Hospitals. Allerdings erwies es sich für beide Konfessionen finanziell als sehr belastend, jeweils ein eigenes Armenhaus zu unterhalten – es sollte jedoch bis 1843 dauern, ehe man sich zu einem gemeinsamen evangelischen Bürgerhospital durchringen konnte. Nach dem Übergang an das Großherzogtum Baden verstärkten sich auch in Mannheim die Stimmen, die nach einer Union der beiden protestantischen Konfessionen riefen. Trotz anfänglicher Skepsis und Misstrauens zwischen beiden Seiten nahm in Mannheim eine Petitionsbewegung an den Großherzog um Bildung einer einzigen evangelischen Religion ihren Anfang. Resultat dieser Bewegung war schließlich die Union der evangelischen Kirchen in Baden vom 1821, die in Mannheim am 22. April 1822 ihre lokale vertragliche Fundierung fand. Die neue gemeinsame Gesamtgemeinde hatte einen Kirchengemeinderat und eine gemeinsame Vermögensverwaltung; an den beiden Kirchen der Gemeinde wirkten jeweils zwei Pfarrer. Das durch die Industrialisierung hervorgerufene Bevölkerungswachstum in Mannheim hinterließ auch in den kirchlichen Strukturen seine Spuren. Neue Pfarreien wurden in den Außenbezirken der Stadt gegründet. 1888 wurde in den Neckargärten eine neue Pfarrei gegründet, 1896 in der Schwetzinger Vorstadt, 1913 in der Neckarstadt, 1914 im Jungbusch. Die Innenstadt wurde 1900 in vier Pfarrbezirke, die obere und untere Trinitatis- und die obere und untere Konkordienpfarrei auftegeteilt. Mit den eingemeindeten Orten Neckarau und Waldhof kamen weitere Pfarreien hinzu. Auch nach dem ersten und zweiten Weltkrieg kam es zu weiteren Eingemeindungen. Seit 1861 wirkten in Mannheim die Diakonissen, die 1884 ein Mutterhaus, 1908 ein zweites Mutterhaus für evangelische Kinderschwestern errichteten. Das soziale Engagement wurde nach dem ersten Weltkrieg erweitert. 1919 entstand ein besonderes Jugendpfarramt. Ein Pfarrer und mehrere Vikare kümmerten sich um Erziehungsfürsorge, Jugendgerichtshilfe und Gesundheits- und Erholungsfürsorge. 1925 wurden karitativen Tätigkeiten der Gemeinden im „Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsdienst“ zusammengeschlossen. Zu ihm gehörten neben dem Diakonissenkrankenhaus unter anderem auch mehrere Waisenhäuser und Kinder- und Lehrlingsheime. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die anschließende Gleichschaltung der Gesellschaft hinterließ auch in der evangelischen Kirche in Mannheim tiefe Spuren. Autoritäre Führungsstrukturen wurden in der Kirchenverwaltung etabliert, am 8. Juni 1933 wurde der parlamentarische Charakter der Verfassung der evangelischen Kirche aufgehoben. Die „Deutschen Christen“ übernahmen auch in Mannheim im Zuge der Landeskirchlichen Neuwahl die Macht in den Kirchenausschüssen. Mitglieder der „Bekennenden Kirche“ blieben in der Minderheit und wurden teilweise durch die Gestapo verfolgt. Widerstand gegen den Nationalsozialismus der evangelischen Kirche in Mannheim gab es in Einzelfällen durchaus, es herrschte jedoch weitgehend die Bereitschaft, das Vorgehen des Staates gegen einzelne Christen als „legale Disziplinierungsmaßnahmen“ anzuerkennen. Im Zweiten Weltkrieg wurden die meisten evangelische Kirchen im Innenstadtbereich zerstört. Infolge von Austritten im Dritten Reich und der kriegsbedingten Bevölkerungsverluste hatte die evangelische Kirche in Mannheim einen deutlichen Aderlaß an Gemeindemitgliedern zu verzeichnen. Bei der Volkszählung 1933 wurden noch 136.000 evangelische Christen gezählt (rund 50 % der Mannheimer Bevölkerung), 1946 lediglich etwa 105.000. Während in vielen Vorstädten nach 1945 die Kontinuität des Gemeindelebens weitgehend gewahrt werden konnte, mussten viele Innenstadtgemeinden erst wieder besetzt und neu aufgebaut werden. Nicht zuletzt dank umfangreicher Spenden konnte die evangelische Gemeinde Mannheims in der Nachkriegszeit gezielt Grundstücke im Stadtgebiet aufkaufen, die in aller Regel für kirchliche Neubauten im bislang unterversorgten Stadtrandgebiet vorgesehen waren. Insgesamt wurden bis 1969 16 Kirchen und fünf Gemeindezentren neu gebaut. Parallel dazu erfolgte der Wiederaufbau zahlreicher zerstörter Gebäude. Eine wichtige Aufgabe in der Nachkriegszeit war, anstelle des bisherigen Zweckverbandes mit Sprengel- und selbständigen Kirchengemeinden nun Einzelgemeinden in einer einheitlichen Gesamtgemeinde zu bilden. Nach langem Ringen einigte man sich 1956 auf eine Geschäftsordnung für den Evangelischen Kirchengemeinderat, der nun eine feste juristische Grundlage auch im Widerspiel zu den Einzelgemeinden fand. Fortan gliederte sich die Kirchengemeinde Mannheim in 36 Pfarrgemeinden mit gleichem Status; neu entstehende Einzelgemeinden sollten fortan automatisch zur Gesamtkirchengemeinde gehören – bis Ende der 70er Jahre kamen noch 18 neue Gemeinden hinzu. Jede Pfarrgemeinde entsandte einen gewählten Ältesten in den Kirchengemeinderat. Auf diese Grundlage gestützt wurde die in den 20er Jahren praktizierte Wohlfahrts- und Sozialfürsorge weiter ausgebaut. Im Zentrum dieser Arbeit stand das Diakonische Werk, der Diakonieverein sowie die bezirkliche Sozialarbeit mit den Gemeindepfarrern. Auch beim Gemeindeleben suchte die Kirche neue Verbreitungsformen. Neben Massenveranstaltungen im Raum Mannheim hielten die Gemeinden zahlreiche alternative Veranstaltungen wie Freiluftgottesdienste, Vortragsreihen oder Ausstellungen ab.
Bestandsgeschichte und –beschreibung
Der vorliegende Bestand setzt sich aus mehreren Ablieferungen der Evangelischen Gemeinde Mannheim zusammen. 1999 wurden die alten Archive der Französisch-Reformierten (Wallonischen) Gemeinde Mannheim, der Deutsch-Reformierten Gemeinde Mannheim und der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Mannheim an das Stadtarchiv Mannheim abgegeben, wo sie als Zugang 44/1999, 45/1999 bzw. 48/1999 archiviert werden. Darüber gelangte im gleichen Jahr das Archiv der Evangelisch-Protestantischen Gemeinde als Zugang 50/1999 ans Stadtarchiv. 2000 schließlich wurden mit 11/2000, 12/2000, 24/2000, 27/2000 und 29/2000 fünf weitere Zugänge der Evangelischen Gemeinde übernommen.
Grundlage für die Übernahme des Bestands ist ein Depositalvertrag, der am 9. Juni 1999 zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde Mannheim und der Stadt Mannheim auf zunächst 10 Jahre abgeschlossen wurde, dessen Laufzeit sich jedoch automatisch verlängert. |
Classification: | Gegliedert sind die Bestände mittels einer umfassenden stichwortartigen Klassifikation. Die ersten drei Ablieferungen enthalten im wesentlichen Unterlagen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die Aufschluß über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen der Konfessionen im beschriebenen Zeitraum geben können. Unterlagen über das 17. Jahrhundert sind – nicht zuletzt kriegsbedingt – nur noch einzeln aufzufinden. Gegliedert sind die Bestände mittels einer umfassenden stichwortartigen Klassifikation. Die Zugänge umfassen insgesamt 179 (44/1999), 188 (45/1999) bzw. 333 Einzelpositionen (48/1999). Verzeichnet wurde der Bestand 1998/99 durch Mitarbeiter der Evangelischen Gemeinde Mannheims. Der Zugang 11/2000 setzt sich aus den Archivalien des Separatfonds der Konkordienkirche zusammen und beinhaltet im wesentlichen Rechnungsunterlagen. Der Zugang umfasst 203 Einheiten, die Laufzeit geht von 1821 bis 1954. Ebenfalls Rechnungsunterlagen und Rechnungsbücher sind im Zugang 12/2000 enthalten. Hier finden sich im wesentlichen die Rechnungen der einzelnen Kirchengemeinden, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert mit der Kirchengemeinde Mannheim vereinigt wurden. Die Laufzeit der insgesamt 205 Einheiten reicht von 1802 bis 1940. Die Zugänge 11/2000 und 12/2000 wurden von Mitarbeitern der Evangelischen Gemeinde Mannheim verzeichnet. Die Zugänge 24/2000 und 27/2000 enthalten im wesentlichen Rechnungen und Rechnungsbücher, Gemeinderatslisten sowie Druckschriften, v.a. die Gemeindeblätter vom 18.-20. Jahrhundert. Zugang 27/2000 umfaßt 109, 24/2000 86 Einzelpositionen. Der Zugang 29/2000 hingegen dokumentiert die Geschichte aller drei protestantischen Gemeinden in Mannheim und die ersten Jahrzehnte der unierten Kirche. Schwerpunkte bilden hier Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Position und Amtsausübung des Pfarrers entstanden sind, sowie zu Kirchenbaulichkeiten. Bei der Verzeichnung des Bestandes wurde versucht, die Provenienzen festzustellen und die Schriftstücke der jeweiligen Entstehungsgemeinde zuzuweisen. In diesem Zusammenhang wurde eine exemplarische Gliederung vorgenommen und jeweils den festgestellten Provenienzen zugewiesen. Darüber hinaus ist eine umfangreiche Sammlung von Zeitungsausschnitten im Bestand vorhanden, die einem eigenen Klassifikationspunkt zugeteilt wurden. Gleiches gilt auch für den umfangreichen Nachlaß des Kirchenhistorikers und evangelischen Oberrechnungsrats Ludwig Landes (1882 - um 1965). Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Vorarbeiten und Materialsammlungen zu Landes’ monumentalem, 1121 Seiten umfassenden Werk „Evangelische Kirche in Mannheim“, das selbst nie im Druck erschienen, in Entwurfsstufen jedoch gleichfalls im Nachlaß vorhanden ist. Die Zugänge 24/2000, 27/2000 und 29/2000 wurden im Sommer 2001 von Herrn Arne Ehrhard auf Werkvertragsbasis unter Aufsicht von Stadtarchivdirektor Dr. Ulrich Nieß und Stadtarchivassessor Dr. Harald Stockert verzeichnet
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Appraisal and destruction: | Der Bestand ist hinsichtlich seiner historischen Bedeutung für die Geschichte Mannheims einzigartig. Aufgrund der Tatsache, dass umfangreiche städtische Bestände im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, muß der vorliegenden Überlieferung, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht, ein außerordentlicher Wert zugemessen werden. Die Unterlagen geben nicht nur Aufschluß über die religiöse und konfessionelle Situation Mannheims in der Vergangenheit, sie geben zudem einen tiefen Einblick in das gesellschaftliche und politische Leben in der sehr wechselhaften, von zahlreichen Kriegen geprägte Geschichte der Stadt. Die Nöte der Mannheimer während der Kriege Ende des 17. Jahrhunderts, das Bemühen um Wiederaufbau während des 18. Jahrhunderts, die veränderte konfessionelle Situation im 18. Jahrhundert, die erneuten Zerstörungen im Zuge der französischen Revolutionskriege, die Veränderungen in der napoleonischen Zeit – nicht zuletzt der Übergang Mannheims an Baden - sowie die veränderte politische und gesellschaftliche Lage während der Restaurationsphase und im Zuge der 1848er Revolution und der folgenden Jahrzehnte bis ins 20. Jahrhundert spiegeln sich in diesem Bestand wider. Die zahlreichen Rechnungsbücher und –unterlagen sind ein wichtiges Zeugnis für die wirtschaftliche Situation nicht nur der verschiedenen Kirchengemeinden, sondern auch ihrer Kirchengemeindemitglieder in unterschiedlichen Zeiten. Wirtschaftliche Aufschwünge und Reichtum geht aus ihnen ebenso hervor wie Rezessionen und wirtschaftliche Notlagen; Galoppierende Inflationen, Währungsreformen und Währungsumstellungen finden sich ebenfalls wieder.
Verzeichnet wurde der Bestand 1998/99 durch Mitarbeiter der Evangelischen Gemeinde Mannheims. |
Usage notes: | Besondere Regelungen zur Benutzung wurden nicht vereinbart, es gelten daher die Bestimmungen des Landesarchivgesetzes Baden-Württemberg vom 27. Juli 1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 10. Juli 1992. |
Bundesland: | Baden-Württemberg |
Art der Institution mit Archivbeständen: | Kommunale Archive |
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Usage |
End of term of protection: | 12/31/2023 |
Permission required: | Keine |
Physical Usability: | Uneingeschränkt |
Accessibility: | Öffentlich |
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URL for this unit of description |
URL: | https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=119250 |
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