NL Mühldorfer, Joseph, 1825-1882 (Bestand)

Archive plan context


Title:NL Mühldorfer, Joseph
Name of the creator / provenance:Der Nachlass wurde am 16. 06. 1992 von Herrn Julius Lichtenberger dem Stadtarchiv als Depositum übergeben.
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Joseph Mühldorfer stammte aus dem badischen Meersburg am Bodensee, wo er am 10. April 1800 geboren ist, verbrachte aber seine ganze Schulzeit in München. Seine Neigung zum Theatermaler und -maschinisten offenbarte sich schon ganz früh im kindlichen Spiel; schon der kleine Bub hämmerte und malte sich Kulissen zurecht. Aus dem Scherz wurde allmählich Ernst, als er 16jährig das Münchner Sommertheater in der Isarvorstadt einrichten und bereits 1818/19 schon die Bühne des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth umbauen durfte. Dann begegnet man ihm als Maschinist und Dekorateur in Würzburg, Bamberg und Nürnberg, wo er in anderthalb Jahren eine neue Bühneneinrichtung schuf und den größten Teil der Dekorationen und Versatzstücke neu malte. Von da aus wurde er nach Aachen berufen, wo er von 1826-1832 den Grundstein seines Weltrufes als "Begründer der neuzeitlichen Theatermaschinerie" legte.

Noch während seines bis 1834 währenden Aachener Vertrags, am 26. April 1832, erhielt er das Angebot einer lebenslänglichen Verpflichtung nach Mannheim mit 1200 Gulden nach Ableistung eines Probejahres. Zunächst ging er allerdings nur vorübergehend nach Mannheim, um auch hier vom Juni bis September 1832 die gänzlich veraltete Maschinerie wieder instandzusetzen, und hatte seinem jüngeren Bruder Wilhelm Mühldorfer, der seit 1829 als Schauspieler in Aachen war - dem nachmaligen langjährigen Inspektor und Darsteller - vertretungsweise sein Amt überlassen, da dieser als "geschäftskundig und zugleich routiniert" erwiesen sei.

In Aachen hatte sich Mühldorfer mit "Robert der Teufel" glanzvoll verabschiedet, in Mannheim mit "Oberon" - dessen Ausstattung jahrzehntelang Einheimische wie Fremde ins Theater zog - ebenso sensationell eingeführt. Es folgten dann nacheinander alle die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in der ganzen Welt des Theaters nahezu einzigartigen malerisch-technischen Bühnenwunder. Sie erscheinen uns als die ideale Verbindung einer bis dahin für unmöglich gehaltenen maschinellen Beherrschung der Szene mit ausgezeichnetem zeichnerischen Können, einem starken und vornehmen Farbensinn, einem für ihre Zeit ungewöhnlich entwickelten Raumgefühl und einer Perspektivkunst, die in ihren besten Leistungen an die Kunstwerke aus den Ateliers der Galli Bibienas erinnerte und ihn als den letzten, ganz großen Repräsentanten dieser speziellen Begabung erscheinen läßt.

Mühldorfers landschaftliche Motive sind manchmal unverkennbar unserer Rhein-Neckar-Gegend entnommen. Mitunter aber finden wir ihn auch in der allgemeinen internationalen Theatertypik befangen. Sein Bedürfnis nach Naturtreue, nach Übereinstimmung des Gegenstandes mit der Wirklichkeit, spielt ihm in den historischen Stücken gelegentlich wohl einmal einen Streich und kündigt schon die Periode eines nahenden nüchternen Dekorationsrealismus an. Wie wenig er aber mit dieser Bewegung schon zu identifizieren ist, beweist andererseits seine noch ganz starke Hinneigung zum Zaubermärchen und zur phantastischen Ausstattungsoper. Gebiete, auf denen er - wenn auch hier schon dazwischen mit naturalistischen Effekten arbeitend, wie dem berühmten Wasserfall der Wolfsschlucht oder der Feuer- und Wasserprobe der "Zauberflöte" mit ihrer übrigens herrlichen Architektonik - seine weitaus großartigsten Leistungen vollbracht hat.

Mühldorfer baute 1854 nicht nur die Bühne sondern das ganze Nationaltheater mit einem Kostenaufwand von 294.282 Gulden radikal um und wieder neu auf (sogar um einen Rang erhöht) - mit derartiger Ein- und Vorsicht, daß erst im Jahre 1901 ein weiterer Umbau unter der Leitung von Direktor Lautenschläger aus München erforderlich wurde. Seine Hauptaufgabe aber sah Mühldorfer in seinen Ausstattungen, von denen "Oberon", "Zauberflöte" und manche Meierbeer-Oper bis nach Paris und London hinüber als Wunder der Dekorationskunst galten und in Mannheim weit über die eigene Lebenszeit hinaus "mitgespielt" haben; sogar 1928 wurde noch eine Mühldorfer-Front im "Evangelimann" verwendet.
Sein Ruhm als erste Autorität seiner Zeit verschaffte Mühldorfer Aufträge für Bühneneinrichtungen u. a. an den Hofbühnen von Dresden, Braunschweig, Karlsruhe, Hannover, das ihn einmal ganz zu entführen versuchte, und München (Residenztheater), ja selbst bis nach Basel, Zürich, Prag und Bukarest. Für die Große Oper in Paris stattete er drei Werke aus: die schon erwähnte "Dinorah", "Oberon" und "Freischütz". Zahlreiche seiner großen Ausstattungen haben auch andere bedeutende Bühnen wie Karlsruhe, Stuttgart, Wien, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Köln, Hannover übernommen.

Mühldorfer, der mit Auguste Wirth (gest. 1882) vermählt war, besaß außer seinem schon erwähnten Sohne und Gehilfen Wilhelm, der ihm 32jährig bald im Tode folgte, eine Tochter Marie, welche Emil Heckels Gattin wurde, und eine jüngere Tochter Susanne, die sich mit einem der tüchtigsten Schüler ihres Vaters vermählte, der auch dessen indirekter Nachfolger in Mannheim wurde, mit dem von 1867-1875 hier als Maler und Maschinist tätigen Joseph Kühn, dem Sohne des ehemaligen Mannheimer Baritonisten Karl Kühn.

In Mannheim herrsche "eins der sonderbarsten Verhältnisse, daß nämlich der Maschinist, zugleich Dekorationsmaler" - eine Personalunion, die übrigens auch damals zu den Seltenheiten gehörte - , "die berühmteste Person am Theater und der Liebling des Publikums ist." So lesen wir in einem Reisebrief Eduard Devrients 1852.

Einen begeisterten Anhänger fand Mühldorfer in dem größten Szeniker seiner Zeit, Richard Wagner, der besonders dessen glücklichen und originellen Einfall pries, gelegentlich des Theaterumbaus das Bühnenhaus vom Zuschauerraum zu trennen.

Mühldorfer starb am 8. März 1863 in Mannheim.
Classification:Herr Lichtenberger hatte Teile des Materials bei Abgabe aufgelistet. Diese Listen wurden vervollständigt und somit eine vorläufige Verzeichnung hergestellt.
Die Ordnung ist chronologisch.
Die vorhandene alte Ordnung in sechs Mappen wurde beibehalten.Die Listen liegen auch jeder Mappe bei. Es handelt sich vorwiegend um Briefe an Joseph Mühldorfer und um Briefe von Joseph Mühldorfer an seinen Sohn Wilhelm sowie weiteren Schriftwechsel zwischen den Familienmitgliedern. Außer Korrespondenz sind noch einige Notizzettel und Skizzen vorhanden.
Appraisal and destruction:Der Nachlaß ist eine wichtige Quelle für die Kunst- , Musik- und Theatergeschichte des 19. Jahrhunderts.
Enthalten sind u. a. auch Briefe (famliären Inhalts) seines Schwiegersohns, des Musikalienhändlers Emil Heckel.
Usage notes:Im Falle einer Benutzung ist der Eigentümer zu unterrichten. Vorgelegt werden sollen zunächst nur Kopien der Originale.

Vertrag: AZ: 16.30.15-Mühldorfer

Mannheim, im Dezember 1993
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=1268614
 

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