Inhalt_AV: | Zeitzeugengespräch Gondelstraße mit Roland Thirolf am 12.4.
[Vorgespräch über Nikotin und Zucker]
Ich habe fünf Kinder, bei uns war halt oft der Fernseher kaputt. (lacht) [Das ist ja eine ganze Menge, wie alt waren Sie denn als Sie die bekommen haben?] Das erste Kind war, ja, ein Verkehrsunfall kann man sagen. Der ist vorehelich, der wird dieses Jahr 46, ich war 27 als der Junge auf die Welt kam. Und bei meinen anderen Kindern, ich hab ´86 geheiratet – gut, bei mir kommt natürlich dazu – ich will jetzt nicht auf Karneval abheben oder so – aber ich bin eine Frohnatur und ich bin wirklich ein Rosenmontagskind. [Und wieviel Geschwister haben Sie?] Ich habe zwei leibliche Geschwister und hatte drei Halbgeschwister. Wobei der eine, das ist ein Halbbruder aus einer vorehelichen Beziehung von meinem Vater und die beiden anderen die stammen aus einer vorherigen Ehe von meiner Mutter, deren Mann im Krieg gefallen ist. Wir sind insgesamt sechs gewesen. Einer lebt nicht mehr und der andere – und das ist der Hammer dabei – das tut der immer hervorheben, er ist nur ein halbes Jahr jünger als ich und dann sagt der immer „Unser Vater, des war ein Hirsch!“ (lacht) und er selbst ist schon Ur-Opa. [Was man ja immer sagt über diese ganzen Viertel, wie zum Beispiel die Gondel-Avenue oder die Schönau generell, dass das alles sehr kinderreiche Viertel waren. Mein Vater kommt ja aus der Marienburger Straße, der meinte da gab es pro Hauseingang fünfzig Kinder. Können Sie das auch so bestätigen?] Kann ich ja, und noch einiges andere, was Ihnen mit Sicherheit nicht geläufig sein wird. Das ist ganz generell, weil Sie die Marienburger Straße ansprechen. Ich hatte Kumpels in der Heilsberger Straße, habe später selbst in der Rastenburger Straße gewohnt – das war ja Marienburger, Heilsberger, Rastenburger und dann noch die Tilsitter, die war ja die letzte vor der Autobahn. [legt Karte vor von 1957] Ja, da Marienburger, Heilsberger, Rastenburger … und das ist die Lilienthalstraße und ähm die Gondel (lacht). Das ist der Hammer eigentlich! Genau da habe ich gewohnt. Das war die Nummer 21. Der Gondelplatz war praktisch die Mitte. Von da nach links fünf Häuser und nach rechts fünf Häuser und da wurde noch in den späten 1950ern wurde da eine Waschküche, eine sogenannte Waschküche gebaut. Die war für alle Bewohner. Das war auch relativ quadratisch und auf unserer Seite gab es dann zwei Eingangstüren in die Waschküche und auf der Rückseite genauso – analog zu den Häusern selbst. Und die Häuser standen immer mit den Rücken zueinander und die Zwischenräume waren Wiese. Da haben wir unsere Wäsche getrocknet. Da haben wir solche Wäscheseile gespannt. Und natürlich sind das kinderreiche Familien. Darauf gekommen auf das alles bin ich eigentlich wieder, weil ich mich wahnsinnig aufgeregt habe über RTL 2. Die haben es schon seit Jahren von den sogenannten „Benzbaracken“. Ich habe die „Benzbaracken“ selber gesehen und unsere Häuser – die Gondel – das waren die gleichen Häuser, die gleiche Bauweise. Man ging in so einen Eingang rein, geradeaus ging es auf die Toilette – nur eine Toilette, Bäder gab es da keine. Und rechts und links ging es in die Wohnungen rein, in der Regel drei Zimmer, Küche. Und das ganze Ding war unterkellert. Die ganze Gondel war unterkellert. Und unseren Keller habe ich mit meinen Geschwistern hin und wieder auch schon aus äähm erzieherischen Gründen kennengelernt und da kam auch hin und wieder der Teppichklopfer zum Einsatz. Jaja, das hat man damals noch nicht so eng gesehen wie heute. Ich weiß das natürlich, bei uns im gleichen Eingang war die Familie Stumpf, dann kamen wir, nebendran war die Familie Heck und am anderen Ende die Familie Herzog. Und das waren alleine in diesen vier Wohnungen mit Sicherheit mindestens dreizehn bis fünfzehn Kinder. Also man kann sagen grob drei Kinder pro Familie. Die Herzogs hatten die Roswita, den Valentin, den Willi. Die Hecks haben die Anita gehabt und eine Ursula, dann kamen wir drei und neben uns, die Stumpfs den Gerhard, den Robert und den Franz. Also, da kam schon einiges zusammen. Und ich weiß nicht, ob Ihnen die … eine recht bekannte Volksliedsängerin, also richtige Volkslieder hat sie eigentlich nicht gesungen, die hatte zwei Musikgruppen: Joy and the hitkids, später wars dann Joy unlimited und die Sängerin war die Joy Fleming. [und die kommt auch von dort?] Ich habe mit ihrem späteren Ehemann im Sandkasten gespielt. Das war der Bernd Liebenow. Und die waren zwei Häuser hinter uns und das war also, wie soll ich sagen, und die Plätze zwischen den Rückwänden, da haben wir Wäsche getrocknet und zwischen den Fronten war auch immer ziemlich viel Platz. Und der Aufreger, den ich meinte, bei RTL 2 über die sogenannten „Benzbaracken“, weil so rum gesehen müsste man die Häuser in der Marienburger Straße auch als Baracken bezeichnen und die echten Benzbaracken, wie viele es genau waren weiß ich gar nicht, die waren direkt am Benzwerk gestanden. Ich hab gewusst damals, was das ist, wo sie dazu gehören, gekannt habe ich die Leute nicht, aber die Häuser damals in der Gondel und in den sogenannten „Benzbaracken“ waren ganz genau das gleiche. Und deswegen ist mein Aufreger, wenn im Fernsehen „Frohe Arbeit“, „Gute Zuversicht“ und wie die Dinger da alle heißen, wenn da die Häuser als „Benzbaracken“ bezeichnet werden, das ist der totale Unsinn. Eine Baracke ist vom Wort her von der Bauweise etwas einstöckiges, flaches, fertig!
[Ich denke, dass das gekommen ist, weil das das gleiche Gebiet ist und dann hat sich der soziale Brennpunkt Stück für Stück – weil eigentlich ist es ja nur der Hintere Riedweg gewesen – und dann hat das sich Stück für Stück in andere Straßen noch ausgedehnt, weil man da dann gebaut hat, um neue Wohnungen für die Leute zu schaffen und so waren das auf einmal alles die „Benzbaracken“ und der eigentliche Hintere Riedweg wurde irgendwann platt gemacht und das Wort ist aber erhalten geblieben. Und da haben Sie natürlich recht, das sind in dem Sinne keine Baracken mehr, es wird halt noch so genannt.]
Und da (deutet auf der Karte) war damals – wir haben immer gesagt die „Polenkaserne“, da ist heute ein LIDL drin. Und diese Kaserne war damals von uns abgetrennt durch einen Zaun. Und durch diesen Zaun haben wir Eis gekriegt, da haben wir das erste Mal Milchpulver gekriegt. Und das war ja alles Wiese außerhalb und später kam hier (zeigt auf der Karte) der Sportplatz der TSV Schönau hin. Und hier natürlich Hallensteiner, Osteroder, Apenrader die kenne ich natürlich auch alle, weil dort hat man ja auch alles gewisse Bekannte, Freunde gehabt. Und was mich natürlich persönlich später, als ich dann ein junger Mann war – hat mir das eine gewisse Befriedigung verschafft, weil da hinten wurde 60/61 die Peter-Petersen-Schule gebaut, damals war ja die Kerchensteiner vorne anscheinend auch noch ganz neu, was ich natürlich damals nicht wusste. Und dort hinten in der Peter-Petersen-Schule da war ich in der fünften Klasse. In der fünften Klasse haben wir gewechselt. Früher gab es ja nur Volksschule, es gab keine Grundschule, Hauptschule so wie heute.
Sie haben ja gesagt oder geschrieben, dass Sie 51 geboren sind
Ich bin 50 geboren.
Ah, 50! Das heißt, sie haben bis 71 dort gewohnt haben Sie gesagt und sind dann wahrscheinlich 56 oder 55 mit fünf oder sechs in die Kerchensteiner gekommen
Mit sechs, genau! Ich habe in der Hinsicht ein bisschen Glück gehabt, weil damals ist das Schuljahr – hatte begonnen im März, heute ist das ja der September, damals war es der März. Ich wurde also sechs Jahre alt, hatte Geburtstag und bin vier Wochen später in die Schule gekommen. Also besser kann es doch gar nicht sein. Und ich habe keine einzige Klasse doppelt gemacht. Und da sind natürlich auch einige Geschehnisse, wo ich mich noch sehr gut erinnern kann, dass sich einer meiner Klassenkameraden mit dem Lehrer geschlagen hat. In der dritten Klasse. Hat sich mit dem Lehrer auf dem Boden rumgewälzt. Und ich war mit einem anderen Klassenkameraden, da war ich elf, und zwar ganz kurz bevor wir diese Schule verlassen hatten, da drüben am Waldrand gestanden und wir sind beobachtet worden beim Rauchen. Und anschließend hat uns die Lehrerin im Klassenzimmer vor der versammelten Mannschaft fertiggemacht. (lacht)
Aber die Klassen dort – da werden ja die Kinder vermutlich aus der ganzen Schönau vermutlich da gewesen sein, das heißt in der Schule dort sind – War eigentlich Barackler für Sie damals der Begriff? Weil mich würde interessieren, wenn dann da „die Blöckler“ und „die Barackler“ und vielleicht die Siedlungsleute auf eine Schule gehen, ob es da, ob das …
Also da ist ja die Kerchensteiner, da hinten ist die Peter-Petersen – die heißt ja jetzt auch anders, da ist ein Gymnasium untergebracht. Und da in der Kattowitzer Zeile ungefähr ist ja die alte Schule, die Schönauschule – da habe ich Fahrradfahren gelernt – und in der Peter-Petersen-Schule… ich meine früher in der Kerchensteiner Schule waren wir alle noch viel zu klein, da war das noch kein Thema, aber da in der Peter-Petersen war man so elf, zwölf, 13, 14 ist es dann gekommen. „Barackler“, „Schloss Bellevue“, „Villa Hammerschmidt“ und „Gondel-Avenue“. Und was mir dann selber eine Befriedigung verschafft hat, war die Tatsache, dass einer meiner Klassenkameraden – eigentlich sogar der aller schlimmste – hat ein Mädchen aus meinem Haus geheiratet später. Der war irgendwo aus den Blocks. Das war der Horst Dedek, ich weiß gar nicht, ob die alle noch leben. Da habe ich sowieso schon ganz blöde Erfahrungen gemacht. Naja, ich mein, ich bin von Beruf Elektriker gewesen und bin seit sieben Jahren in Rente. Ich bin immer noch sehr technikaffin, mache mit Computern rum. Ich habe 1988 den ersten Computer gekriegt zum Geburtstag. Habe meine sämtlichen Kumpels, Freunde, Bekannte genervt bis tief in die Nacht – learning by doing. Es hat sich rentiert. Heutzutage baue ich die Dinger selbst zusammen, repariere sie und konfiguriere sie. Die Erfahrung, die dann da gemacht habe, hat eigentlich mit der Wohnung nichts zu tun, sondern mit einem meiner Lehrlingskollegen. Der war ein Jahr älter als ich und war dann in der Lehre ein Jahr vor mir. Ich habe mich eigentlich immer recht gut mit ihm verstanden. Habe ja mit 15 angefangen zu lernen. Dann habe ich gedacht, ich gucke mal später bei WKW, als es WKW gab – ich habe ja nicht gewusst, dass WKW von RTL kommt und dass die nur geil sind auf die Kohle –
(Telefonanruf)
Und ich habe dann versucht, diese Leute da zu finden bei WKW. Ich habe nichts gefunden. Keinen Horst Dedek, keinen (Name), (Name). Meinen alten Vorarbeiter, der mich ausgebildet hat, habe ich gefunden! Und dann habe ich angefangen rumzusuchen. Und dann habe ich diesen alten Lehrlingskameraden im Telefonbuch gefunden und konnte ihn anrufen. Und er hatte ja genau wie ich Elektriker gelernt und da habe ich dann gedacht, der ist so wie ich, der hat es bestimmt auch mit Technik. Und das hat mich dann ein bisschen runtergezogen als ich ihn gefragt hab, wie es ihm geht, ob er mit seinem Computer, ob er im Internet rumsaust. „Ach“, sagt er „mit Computer habe ich nix am Hut. Ich sitze da und schaukel meine Enkel auf den Knie und warte auf meine Rente.“ Da dachte ich, um Gottes Willen, was sind denn das für Leute geworden? Aber naja, der eine so, der andere anders.
Ich meine ja klar, man hat natürlich auch einiges mitgemacht. Da gab es zum Beispiel auch eine Maria, die hat, wenn ich von rechts gucke ist unser Haus das fünfte und die hat gerade gegenüber im sechsten gewohnt. Und die hat immer mit ihrem Hund geschmust, was ich total ekelhaft gefunden hab. Die hat Zungenküsse mit dem Hund getauscht und hat dann irgendwelche komischen Viecher in ihren Nieren und Leber gekriegt und ist dann daran gestorben. Gruselig! Aber auf der Schule da, wo die verschiedenen Gruppen zusammengekommen sind, haben Sie ja gesagt, ging es los mit „Ihr Barackler“ und so weiter.
Ja, hauptsächlich natürlich in meiner Klasse, aber es ging auch andersrum. Wir waren eine reine Jungenklasse. Wir haben in der fünften Klasse den Herrn Strittmatter gekriegt. Der hatte Hände wie eine Bratpfanne und damit hat der am liebsten Ohrfeigen ausgeteilt und mit dem Stöckchen. Da gab es dann auch „Tatzen“. Und dem war das egal, ob der auf die Handfläche oder den Handrücken geschlagen hat. Der war sehr unbeliebt. Da kam dann anschließend der Herr Kaiser. Den hatten wir bis in die 8. Klasse bis zum Schluss. Mit dem war ich dann später auch im Landschulheim in der Schweiz am Vierwaldstätter See.
Aber gab es dann auch solche Sachen, dass zB die Lehrer die „Barackler“ besonders diskriminiert hätten? Nein nein, Lehrer nicht! Nur die Schüler, die haben sich als was Besseres gefühlt. Die Blöckler auch. Die sind ganz speziell auf Leute wie mich losgegangen, bei denen sie genau wussten, der ist aus der Gondel. Und wie wurde diese Rivalität dann – sicherlich nicht nur mit Beleidigungen oder sowas ausgetragen…
Nein, nein! Also körperliche Angriffe hat es keine gegeben. Gab es keine. Man konnte sich teilweise auch ein bisschen Respekt verschaffen, weil da fanden zwischendrin die Bundesjugendspiele statt. Und da war ich zwölf. Und ja, wie soll ich das jetzt ausdrücken? Also ich habe in der Kerchensteiner Schule und am Anfang in der Peter-Petersen, wenn’s um Diktate ging, da habe ich 4er, 5er und 6er geschrieben und dann habe ich angefangen zu lesen. Da ist vielleicht meine Mama schuld, denn die hat immer diese Western gelesen, diese Heftromane und die habe ich dann heimlich nachts unter der Bettdecke mit der Taschenlampe gelesen. Und habe Lanzenromane gelesen, und Jerry Cotton gelesen, also so Krimiromane. Und dann habe ich von meinen Eltern einmal zum Geburtstag so ein Kinderlexikon von A-Z und dann später, die Jahre später das eine oder andere Märchenbuch und das hat mich schon wahnsinnig interessiert. Da habe ich mich reingekniet und habe gelesen und habe dann in der 8. Klasse mich mit dem Klassenbesten um die 1 im Zeugnis gestritten. Okay, ich habe nur die 2 gekriegt, weil ich in dem entscheidenden Diktat einen Kommafehler gehabt und er nicht. Und das war dann auch die Zeit als 1963 dieses Bergwerksunglück in Lengede war. Da habe ich einen Aufsatz darübergeschrieben und der ist in der Schule ausgehängt worden. So hat man sich dann Respekt verschaffen können. Wenn ich das jetzt mal mit den Benz-Baracken vergleiche, dann habe ich da schon erfahren oder erzählt bekommen, dass man eigentlich was Bildungschancen angeht sich relativ schlecht gefühlt hat. Man hat sich eigentlich abgehängt gefühlt wurde mir gesagt von der Person. Wie würden Sie das sagen? Hat man da in der Gondel oder vielleicht auch generell da die Ecke um die Endstelle heute, hat man da gedacht „ja man gehört dazu“ oder war man da was eigenes auf der Schönau?
Sagen wir es mal so, der Herr Herzog, der bei uns da ganz vorne gewohnt hat, der war von Beruf Gipser und wir haben ihn in späterer Zeit als die Dinger nicht mehr da waren, ist er ans Eisstadion gezogen. Das ist der rechte Mannheimer Ring, wo die MVV ist, wo es dann hinten hingeht ans Eisstadion und auf die Kurt-Schumacher-Brücke und so ist er hingezogen. Und wir haben uns teilweise zusammengetan, er hat Baustellen verputzt, ich hab dann Elektrokram gemacht und so weiter. Was die anderen Leute beruflich gemacht haben, weiß ich eigentlich gar nicht. Mein Vater war Buchhalter, war eigentlich von Beruf Einzelhandelskaufmann und ja, wie soll ich das jetzt wieder ausdrücken. Er stammte eigentlich aus einer Familie aus der höheren Mittelschicht. Unser Name hatte in früherer Zeit ein „von“ getragen. Und irgendeiner meiner Vorfahren hat dieses „von“ am Spieltisch verloren, warum auch immer. Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall gab’s drüben in Ludwigshafen in der Maxstraße, da war früher die Firma Thirolf und Schreier. Das ist ein, wo wie heutzutage die Kreditreform, ein Geldeintreibungsunternehmen. Und wenn man die jetzt aufruft – ich habe das vor ein paar Tagen nochmal probiert, die zu googeln die Firma – ist es inzwischen dauerhaft geschlossen, aber ich habe als Junge dort in dem Haus mit meinen Cousins mit Autos gespielt. Aber die haben die Nase so hoch getragen, dass sie sie sich beinahe am Türrahmen abgebrochen hätten beim Durchgehen. Die wollten mit uns nichts zu tun haben. Wie kam das dann aber, dass die Familie oder Ihr Teil der Familie dann in der Siedlung gelandet sind sozusagen? Also wie das gegangen ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, wir sind dorthin gezogen, da war ich ein Jahr alt. Geboren bin ich eigentlich in Ludwigshafen im Hemshof. Ich war dort auch getauft in der Zwölfapostelkirche und als ich eins oder anderthalb war sind wir dann in die Gondel. Und warum? Das habe ich nie erfahren. Weil das offizielle Ding, was da steht, ist, dass die Häuser gebaut wurden für Leute, die die Miete nicht zahlen konnten. Das ist richtig, aber Ludwigshafen hatte ja in der Hinsicht eigentlich gar nichts mit Mannheim am Hut. Ja, das ist eigentlich ein anderes Bundesland. Allerdings muss man sagen, Mannheim hat sich da in Bezug auf Ludwigshafen da einen Bösen eingeschenkt, denn die Mannheimer wollten damals die BASF nicht haben. Und jetzt ist sie drüben in Ludwigshafen. Ich habe da drin auch schon gearbeitet. Das ist schon gruselig. Wir haben meistens Westwind und dann hat es schon Zeiten gegeben, da musste man in Sandhofen, wo ich dann auch mal kurz gewohnt habe, da hätte man eine Maske gebraucht, weil die Luft war dermaßen schlecht durch die BASF. Die hätten sie besser in Mannheim gelassen, dann hätten die Odenwälder die ganze schlechte Luft gekriegt. (lacht) Ich habe auch noch Geschwister in Ludwigshafen und der Bruder, von dem ich vorhin erzählt habe, der hat es auch sehr gut getroffen. Der hat bei der damaligen BBC Schlosser gelernt und wurde dann angeworben von der Deutschen Bahn und ist Lokführer geworden. Der lebt in Neckargemünd und ist inzwischen auch natürlich schon lange in Rente, aber dem geht’s gut, er lebt in einer Eigentumswohnung. Der war ja dann auch durch die Deutsche Bahn im öffentlichen Dienst und was aber da natürlich gerade in Bezug auf die Gondel. Da hat es zwei oder drei aus der Marienburger und der Heilsberger gegeben, die haben in die Gondelstraße eingeheiratet sozusagen. Meine Tante hat auch jemanden geheiratet aus der Gondel. Die hat zwar nicht gehalten die Ehe, aber… Ja gut, es ist natürlich so, das sollte man vielleicht nicht unbedingt verschweigen. Es gab damals auch in der Gondel – also davon mal ganz abgesehen, es gab kein Telefon, es gab keine Autos – später, dann später in den späten 60ern hat der eine oder andere mal ein Auto gehabt – Ich habe meinen Führerschein gemacht, da war ich 22. Und da hinten bei der Parsevalstraße hat eine gewohnt, die war gertenschlank, aber die hat zehn Kinder auf die Welt gesetzt. Wie sie das gemacht hat… Also das war schon eine Sache. Ich hatte mehr Kontakt gehabt zu den Leuten da runter eigentlich und ach Gott da war zum Beispiel eine, die Monika, da waren wir zehn oder elf und da haben wir uns zu dritt im Wald getroffen und wie das halt so ist, ein halbes Jahr später war sie schwanger, aber nicht von mir. Ja ich will damit sagen, es gab dort auch verkrachte Existenzen: Alkoholiker… Leider Gottes gehörte mein Vater auch dazu, aber der hat das mitgebracht aus der russischen Kriegsgefangenschaft oder der Krieg an sich hat ihn zum Alkoholiker werden lassen. Und er ist auch sehr früh gestorben. Das sind dann die bösen Seiten des Lebens. Meine Mutter ist 64 gestorben zwei Tage nach ihrem Geburtstag. Da war sie gerade 46. Sie hat sich mit Schlaftabletten das Leben genommen, weil der Vater Alkoholiker war und der kam später alleine mit dem Leben nicht mehr so zurecht. Und ist dann als die Dinger weg waren, abgerissen worden sind bzw. geleert waren, ist der nach Käfertal gezogen in die Rollbühlstraße und dort hat er sich dann auch – 72 war das – auch wieder mit Schlaftabletten… Das sind halt so, wie soll ich sagen… Ich kannte damals auch drei, vier andere Leute auch bei uns im Haus denen war der Alkohol nichts Fremdes. Ja, was würden Sie sagen, wie hoch – ist jetzt wahrscheinlich schwer eine Prozentzahl zu sagen – aber der Leute die arbeitslos waren zum Beispiel, weil sowas begünstigt ja dann auch immer, dass man dann säuft, weil einem langweilig ist oder so… Ja also, ich möchte behaupten 60 Prozent. Mehr als die Hälfte. Und mein Vater – ich wollte eigentlich mit vierzehn aus der achten Klassen, da war ja Ende und dann habe ich freiwillig die neunte gemacht. Und wollte in dieser Zeit eigentlich auch Einzelhandelskaufmann werden wie mein Vater. Heute bin ich froh, dass ich es nicht gemacht habe. Damals ist es nicht gegangen. Ich war nur ein Strich in der Landschaft und da gab es in der alten Kehrtschleife auf dem Waldhof in der Straßenbahn die Firma Schlosser – Tapete, Teppiche, Farben und so – da habe ich angefangen zu lernen und das Zeug war zu schwer für mich. Ich konnte das nicht heben und da haben sie mich dann entlassen und dann habe ich gesagt „Arschlecken!“. Da war ich vierzehn und dann bin ich in die neunte und dann habe ich gesagt „so, jetzt werde ich Elektriker“ und heute bin ich froh, weil ich müsste mich eigentlich jeden Tag beim Aufstehen auf die Bettkante setzen und nach Osten verneigen oder sonst wohin und „vielen Dank!“ sagen, dass es mir noch so gut geht. Bitte, ich meine inzwischen bin ich 73 und ich bin immer noch hin und wieder als Elektriker – wäre ich Einzelhandelskaufmann, wie mein Vater gewesen war, müsste ich daheimsitzen und Däumchen drehen. [47:45] Ok, gut, ich meine das sind dann wieder die anderen Probleme. Dafür ist zum Beispiel einer meiner Brüder, also ich habe jetzt einen Bruder, der mit mir dort aufgewachsen ist und eine Schwester. Die Schwester lebt in Kanada und mein Bruder lebt in Berlin und bei dem hat leider Gottes die Volkskrankheit zugeschlagen, der hat Krebs. Man muss aber dazu sagen, ich meine es ist so, Alkohol – der Vater war Alkoholiker – mir wurde hin und wieder als ich noch ein Junge war mit vierzehn, fünfzehn wurde mir auch oft gesagt „Du wirst genauso, wie dein Vater!“ und in Wahrheit habe ich mit Alkohol überhaupt nichts am Hut. Ich negiere ihn nicht, ich verabscheue ihn nicht. Ich trinke hin und wieder ein Bierchen, aber das war es dann auch schon. Wen es erwischt hat in dem Zusammenhang war mein jüngster Bruder. Der hat leider Gottes anscheinend vom Vater die Gene mitgekriegt. Den hat es in Berlin erwischt. Dem habe ich vor fünf oder sechs Jahren die Polizei auf den Hals geschickt, weil er tagelang nicht telefonisch erreichbar war und die Polizei ist dann zu ihm in die Wohnung und hat ihn herausgeklingelt und hat ihn direkt auf dem schnellsten Weg mit dem Polizeiauto ins Krankenhaus geschafft. Der hat dann einen Leberabszess gehabt und man hat mir gesagt, ein Tag später wäre zu spät gewesen. Und der hat eben durch den Alkohol, durch das Rauchen und durch das Kiffen und der tut heute noch – wie ein Schornstein qualmt der. Dem haben sie letztes Jahr, ich bin letztes Jahr im September, habe ich mich ins Auto gehockt und bin nach Berlin gedonnert. Habe auf dem Weg dahin noch auf dem Handy die Nachricht gekriegt, dass von einem guten Freund die Mama gestorben ist. Und ich kannte die Frau auch, das hat mich dann total runtergezogen. Und dann komme ich dorthin und dann bin ich vier, fünf Tage dort und dann fängt er an, er hat einen Tumor im Magen, der fängt an zu bluten und das, was dann am Ende den Körper verlässt ist dann ganz schwarz durch das Blut. Dann ist er direkt in die Klinik und am 1. Oder 2.10. ist er dann operiert worden, aber die haben dem das Ding rausgenommen und einen Teil vom Magen, aber das Ding hatte schon gestreut. Jetzt hat er die Metastasen in der Leber und in der Lunge und kämpft mit dem Tod. Ich war jetzt im Februar nochmal zehn Tage dort. Das sind Sachen – ich fahre gerne Auto und die 600 Kilometer sind für mich lächerlich. Aber wenn jetzt die Älteren, sag ich mal, in der Siedlung mit diesen Sachen zu kämpfen hatten, was haben denn dann die Jüngeren die ganze Zeit gemacht? Wenn die Eltern vielleicht arbeitslos sind oder ein Großteil der Leute aus solchen Haushalten kommt, vielleicht geht man dann ja auch nicht – als Jugendlicher hat man dann ja auch vielleicht bessere Ideen als in die Schule zu gehen oder so. Die Kriminalitätsrate war ziemlich hoch. Ok, über was für eine Kriminalität sprechen wir da? Naja, da ging es zum Beispiel nicht unbedingt um Autos oder Autoradios, das kannte man damals eigentlich noch gar nicht so. Da ging es dann mehr um Zigarettenautomaten. Und so manch einer hat versucht, die Dinger zu überlisten mit Münzen, auf die irgendwas geklebt war, die man dann zurückziehen konnte. Ein anderer hat es versucht mit einem großen Schraubenzieher, aber das mit den Autos ist dann später gekommen. Und also ich habe das eigentlich verstanden, dass ich mich davon voll und ganz rausgehalten habe. Ich muss dazu sagen, es könnte natürlich durchaus auch möglich sein, dass das letztendlich auch so gelaufen ist, weil ich dann in das Lehrlingsheim kam, nachdem meine Mama gestorben war. Da war ich dann, als ich angefangen habe zu lernen, Elektriker zu lernen, da war ich dann schon in dem Heim, so ab 1965 bis 69. Als ich im März 1969 meine Gesellenprüfung gemacht habe, bin ich direkt aus dem Heim entlassen worden. Obwohl ich natürlich wochenendmäßig immer daheim war. Ich war immer in der Gondel und habe da auch, wie soll ich sagen, da ist mein jüngerer Bruder, der hatte aus der Heilsberger Straße – die mündet ja in den Heilsberger Hof – da hatte mein Bruder Kumpels, die habe ich dann auch kennengelernt. Die haben mir nicht so behagt. (Telefon klingelt – cut)
Dadurch, dass es dort tatsächlich viele mehr oder weniger verkrachte Existenzen gegeben hat, da war einer ein Haus hinter uns, das war der Jungwirth, das war zum Beispiel einer der ersten, die da ein Auto hatten und ähm man ist da öfter auf die Polizei getroffen. Bei dem speziell jetzt oder generell in der Siedlung? Generell, generell! Also es war so, dass die Polizei sich noch „reingetraut“ hat, weil es gibt ja manchmal das Ding „die Polizei traut sich nicht rein.“ Ja, es war ja zum Beispiel auch auf diesen Häusern war ja der Aufdruck „Off Limits“ also „für Neger verboten“ und ja wie gesagt und mein Bruder aus dem Heilsberger Hof hatte der Bekannte, Kumpels halt, Freunde. Zu seinem Geburtstag hat er die zum Beispiel eingeladen, mir waren die suspekt. Und irgendwann als ich dann ins Heim kam, habe ich plötzlich so ein Auge gekriegt, weil die Familie, wo mein Bruder da verkehrt war im Heilsberger Hof, das war eine alleinerziehende Mutter, die einen jüngeren Liebhaber hatte und selber drei Jungs. Und einen dieser Jungs habe ich als ich ins Heim gekommen bin im Heim getroffen. Und sogar noch besser: Wir waren im gleichen Zimmer gelegen. Das war ein Vierbettzimmer, also doppelstöckig, und da war, ich lag oben, er lag unten, das war der Helmut. Gegenüber im Zimmer in den anderen beiden Betten war ein Bruderpaar, die waren staatenlos, das war der Meindert und der Rikus Altin (?) aus den Niederlanden ursprünglich, aber wie gesagt staatenlos. Also zumindest wurde das denen angehängt. Und nach einer gewissen Zeit, das war dann 67, 68, jat dann dieser Helmut gesagt „Du Roland,“ sagt er, „ich kann dich gut leiden. Ich will dich zu mir nach Hause einladen zu meinem Geburtstag.“ Das mussten wir dann mit der Heimleitung abklären und – wenn man sich das heutzutage überlegt: wir waren 16, 17 und sind Moped gefahren! Die Dinger sind 80 Sachen gelaufen! Man hat sich damit so derartig in die Kurve gelegt, dass die Fußraster beinahe auf dem Boden geschliffen sind. Also heutzutage kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, wie das damals gewesen war. Und von da ab war ich dann nicht nur wochenendmäßig zuhause, sondern ich war dann auch immer im Heilsberger Hof bei dieser Familie. Und von dieser Familie komplett bin ich voll und ganz akzeptiert worden. Und die hatten in der Heilsberger Straße, also das ist der Hof und gegenüber gleich das erste Haus, da hatten die dann auch noch Verbindung und zu denen habe ich dann auch Verbindung gekriegt.
Und sind diese beiden Gebäude auf der Karte so, wie Sie es noch in Erinnerung haben? Weil das ist jetzt späte Fünfziger. Ganz kurz zur Geschichte: Das waren wohl die allerersten Baracken, die da gebaut wurden Ende der Zwanziger und was ich gelesen habe, stand, dass teilweise diese ganz alten Sozialbauten noch bis 59 bestanden hätten. Die stehen immer noch. Ja, aber jetzt sind das praktisch – ganz am Anfang sah das mal so aus (zeigt: GP00234-012). Das sind diese beiden Dinger. Hier sind zwei Barackenzeilen, da sind zwei und das ist, was das genau ist, weiß ich nicht. Das war früher mal die Luftschifferhalle und deswegen sind das die Luftschifferbaracken. Ja, aber da sind keine Baracken gewesen, das waren dreistöckige Wohnblocks. Ok, weil es steht so da, dass teilweise diese ganz alten Gebäude noch bis 59 waren, aber dann waren diese wohl vorher schon umgebaut worden. Das kann durchaus möglich sein, ja, aber das waren drei- oder sogar vierstöckige Wohnblocks mit eigenen Bädern. Ich habe 1999 zum Beispiel in Käfertal Auf dem Sand gewohnt und das sind auch dreistöckige Wohnblocks, da gab es aber keine Bäder. Da musste man zum Baden und Duschen nach Mannheim rein ins Herschelbad. 99? Das ist dann aber auch ein Auslaufmodell gewesen! Ja, anscheinend. Aber wir hatten es gerade von der Polizei und so. Hier war aus Quellen zu lesen, dass „die Nachbarn klagen über Schlägereien und Ruhestörungen in der Gondelstraße“. Und Sie haben jetzt gesagt, dass es handgreiflich eher weniger war?! Eher weniger! Ich meine, es ist natürlich vorgekommen, keine Frage. Klar, ich meine, es kommt natürlich überall irgendwie vor. Aber wenn ich mir das jetzt so vor Augen führe, war es eigentlich nicht öfter als irgendwo anders auch. Dann hat da wahrscheinlich auch viel mit reingespielt, dass man schon denkt „das sind die Barackler“ oder die soundso und dann bestätigt man sich das auch noch „jaja, das ist…“ So ist es, das ist richtig. Ich meine, das ist natürlich so, man muss sich das ja angucken. Da läuft ja die Lilienthalstraße, da kommt die Sonderburger, das ist der Gondenplatz und rechts und links von diesem Gondelplatz bzw. dann nicht nur im Platz selber rechts und links, sondern auch an den Ecken, da haben ja Einfamilienhäuser, Siedlungshäuser haben da ja gestanden. Und mit den Leuten da hatte man nie irgendwelche Probleme. Die haben uns nie als Barackler oder sonstiges beschimpft. Das waren ganz normale Leute. Auch die, wo ich vorhin gesagt habe, die zehn Kinder auf die Welt gebracht hat. Die hat ja nicht in der Gondel gewohnt, sondern in der Parseval gewohnt auch in einem Siedlungshaus. Und die habe ich zum Beispiel auch später recht gut gekannt. Die hat später einen Typ aus dem Elsass geheiratet und ist mit ihm nach Straßburg gezogen und dort habe ich dann immer noch Kontakt zu denen gehabt. Als „Barackler“ ist man eigentlich nur von den Leuten hier, die da also aus der Marienburger, Heilsberger gelebt haben, beschimpft worden. Ahja, mein Vater hat immer gesagt „wir waren arme Leut, die waren vielleicht noch ein bissel ärmer“ und ich stell’s mir dann so vor, dass man dann vielleicht gedacht hätte „auf komm, nach unten treten! Die sind noch eine Ecke, Barackler ist noch eine Ecke weniger als Blöckler.“ Vielleicht ist das so menschlich (die Erklärung). Gut, ich meine, es ist natürlich auch, wie soll ich das ausdrücken, es ging ja auch dadurch, dass wir ja, dass es hier keine Bäder gab, als Kinder, naja ok, wir haben halt in der Zinkbadewanne dann gehockt , die in der Wohnung jeder hatte, oder? Ja gut, wir hatten eine und dann haben zuerst wir Kinder, dann die Alten und wie das die anderen Leute gehalten haben, das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich nehme an, die haben es nicht viel anders gemacht. Später dann ist man, ich mein, im Sommer war das weniger ein Problem, weil da sind wir dann ins Herzogenriedbad mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn. Das war relativ einfach. Der Straßenbahnfahrschein hat zwanzig Pfennige gekostet. Das bringt einen natürlich dann dazu, wieder zu sagen „früher war alles besser“, obwohl das natürlich nicht auf alles angewendet werden kann und das stimmt auch gar nicht so. Aber da oben in der Kattowitzer Zeile gab es ja das Jugendheim gegenüber von der Straßenbahnendhaltestelle, da habe ich Tischtennisspielen gelernt und ja, man hat halt dort eingekauft. Man hat die frische Milch noch in der Kanne geholt. Die ist abgepumpt worden für 50 Pfennige. Wenn man sich das alles heute nochmal so, wenn man das Revue passieren lässt, das ist also der totale Wahnsinn. Da war dann der Konsum drin, dann war’s der Koop und was jetzt drin ist, weiß ich gar nicht. Aber im Jugendheim waren wir oft drin. Und man konnte dort auch, teilweise zu bestimmten Zeiten konnte man dort auch duschen. Und das war natürlich wesentlich einfacher. Ja, es kam ja dann die Zeit, wo man Schamgefühle gekriegt hat. Man wollte sich dann nicht vor jedem ausziehen und da hat man das dann im Jugendheim vorgezogen. Und dann später im Herschelbad ja sowieso, aber das war ja wieder etwas ganz Anderes. Es war allerdings in der, da war ich, das war kurz nach dem Wechsel von der Kerchensteiner in die Peter-Petersen, da kam der Schwimmunterricht. Das war kurz vor meinem elften Lebensjahr. Man hat damals, ich hab damals auch so einen Lieblingsklassenkameraden gehabt, ich weiß gar nicht, ob der heute überhaupt noch lebt, ich finde ihn nirgends. Wir haben da gemeinsam unsere Übungen gemacht im Herschelbad. Wir sind also mit der Klasse ins Herschelbad gefahren worden und haben dort unsere Trockenübungen gemacht und dann mussten wir uns an den Händen fassen und ins Becken reinlaufen und mir hat keiner gesagt, dass es da an dem Seil auf einmal runtergeht. Ich bin rückwärtsgelaufen und auf einmal war der Boden weg. Ich habe nur noch eine grüne Wand gesehen und einen Haufen Luftblasen und dann habe mich irgendwie hochgestrampelt und dann wollte ich raus und dann kam eine ältere Dame mit so einer langen Stange und hat mich daran gehindert, aus dem Becken rauszugehen. Und das war der Grund, warum ich heute noch nicht schwimmen kann. Ok, dafür war das dann später, ein Jahr später, als ich zwölf war, waren die Bundesjugendspiele und man hat ja, wie soll ich das sagen, ich war immer drauf aus, wenn man mich gehänselt hatte, wegen dem „Barackler“ hier, körperlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen und zwar hin und wieder auch durch die Schnelligkeit der eigenen Beine. Und dadurch konnte ich mich natürlich bei den Bundesjugendspielen bei dem 50- bzw. 100-Meterlauf ein bisschen hervortun. Und ja, beim Weitsprung, aber das hat auch dann dazu geführt, dass man von den anderen Jungs teilweise mit anderen Augen angeschaut wurde. Mit was für Augen dann? Ja, also man hat sich dadurch dann ein bisschen Respekt verschafft. Durch das Gewinnen? Ja, genau. Und diese – wir hatten es gerade von sanitären Einrichtungen und von Baden und sowas und man kann ja sagen, dass das Armut ist, was da vorherrschte – hat sich das dann noch irgendwie auf anderen Ebenen bemerkbar gemacht. Also dumm gefragt jetzt, mussten da manche Hunger leiden oder sowas? Nein, nein, das würde ich jetzt erstmal negieren. Und zwar aus dem Grund heraus, klar, man musste hier auch Miete bezahlen, aber die Miete, die man da bezahlt hat, das waren also durchgängig alles drei Zimmer, Küche, das waren um die 50 DM Miete. Später in der Rastenburger, ich habe in der Rastenburger siebenund/ als die Dinger abgerissen wurden habe ich von der – mein Vater, der war ja ausgezogen in die Rollbühlstraße, die Mutter war ja nicht mehr da – habe ich von der GBG, von der Gemeinnützigen, wurde mir eine Wohnung zugewiesen in der Rastenburger 27 und da habe ich dann für Zimmer, Küche, Bad mit Toilette, also das war eine Dusche mit Toilette 142 bezahlt. Also eine massive Steigerung. Ja, das war 1972/73 und ich habe jetzt einmal danach geguckt, was die gleichartigen Wohnungen in der Rastenburger, ganz speziell in der Rastenburger, kosten jetzt 439 Euro kalt. Also das ist der totale Wahnsinn, wirklich, das ist echt irre. Und ja, wie gesagt, man hat sich da ein bisschen Respekt verschaffen können zumal ja dann auch im Laufe der Zeit, es waren einige Jungs aus dieser Gegend, die dann da hineingeheiratet haben und das war aber natürlich nicht nur das einzige. Ich habe dann auch, also jetzt speziell auf mich bezogen, als ich 13 war habe ich ja diesen Aufsatz da geschrieben über dieses Bergwerksunglück in Lengede und das ging natürlich beinahe in der ganzen Schule rum. Und da kam, wir waren eine reine Jungenklasse, und da kam der Lehrer Jarosch, der hatte eine reine Mädchenklasse. Und der hat ein Orffsches Orchester aufbauen wollen und hat sich acht Jungs ausgesucht aus unserer Klasse, einer dieser Acht war ich. Und ein Jahr später war nur noch ich. Entweder hat das den anderen keinen Spaß gemacht oder so. Und da war dann aber das Siedlerheim auf der Schönau. Da war gegenüber die Polizeiwache, nebendran war das Kino und in dem Siedlerheim wurden auch – die hatten eine Bühne – und da wurden auch so was ähnliches wie Konzerte gegeben. Und da hatten wir, unsere Klasse, also unsere Orffsche Gruppe, wir haben da ein Konzert gemacht und da war ich dabei, da war ich vierzehn. Ich habe Xylophon gespielt. Das hat Sie stolz gemacht, nehme ich mal an. Ja, klar! Und dann aber die Zeit nach der Gondel, die wurde ja 1971/72 abgerissen und dann waren Sie da in der Rastenburger. Wie lange? Da in der Rastenburger war ich bis 1975. Und wie würden Sie das sagen, da haben Sie ja beide Siedlungen praktisch von innen mitbekommen. Und können Sie das vergleichen? Was vielleicht Zusammenhalt angeht oder generell Qualität vom Leben, Wohlfühlen und sowas… Ach Gott, ich habe da in der Rastenburger Kontakt gehabt zu einem älteren Ehepaar. Die waren alleine und ich habe das mitgekriegt, als der Mann in Rente gegangen ist und der hat seinen allerersten Rentenbescheid gekriegt. Ach, hat der gejubelt! Der hat beinahe 1200 DM gekriegt an Rente. Wenn man sich das heutzutage in Euro umrechnet, ist es eine Lachplatte. Aber damals war das ein Haufen Kohle. Da konnte man in dieser Wohnung sehr gut leben. Der hat ja nur ungefähr zehn Prozent, elf Prozent von seiner Rente für die Wohnung ausgeben müssen. Aber für Sie selbst dort das Leben in der Rastenburger? Das Leben war billig, kann man sagen. Der Liter Milch hat 50 Pfennig gekostet, Brötchen 5 Pfenning, ein Laib Brot im Koop 80 Pfennig. Das ist gar kein Vergleich zu heute. Aber könnten Sie jetzt zum Beispiel sagen: „ich kam aus der Gondel, deswegen habe ich mich in der Rastenburger nicht so wohl gefühlt oder hatten Sie diese Kategorien gar nicht verinnerlicht?“ Ne, eigentlich nicht, weil ich hatte ja damals schon oder noch Kontakt zu den Leuten aus dem Heilsberger Hof – zu denen habe ich im Übrigen heute noch Kontakt – und da war eigentlich in der Heilsberger Straße, also schräg gegenüber vom Heilsberger Hof, da habe ich dann auch meine erste Freundin kennengelernt und als ich die kennengelernt habe war ich 18. Das Dumme war damals halt, man war mit 18 noch nicht volljährig, aber … dumm war das eigentlich nicht, das war uns im Prinzip Wurst. Man wurde behandelt wie ein Erwachsener. Und wie gesagt, ich habe dort meine erste Freundin kennengelernt und wir waren dann später auch einige Jahre lang ein Paar und wir haben nicht geheiratet, aber ich habe heute noch Kontakt zu ihr. Und die wohnt heute noch mit einer Frau in Kaiserslautern. Und diese Frau ist eigentlich, ja ach Gott, wie soll ich das ausdrücken, wie das Leben so spielt, wissen Sie. Die hat geheiratet. Die hat zwei Jungs gekriegt, Zwillinge. Die hat mich von der Arbeit mal abgeholt und dann sind wir zusammen weggegangen, aber nur ganz normal freundschaftlich und da hat sie mir das erzählt, dass sie Zwillinge kriegt. Und da war sie in der Klinik gewesen und das hat keiner gewusst, dass sie zwei Föten im Bauch hat, das kam erst durch das Röntgengerät raus und die wollten unbedingt raus und damit die daran gehindert werden und nicht zu früh kommen, hat sie Valium gekriegt und Vesparax und den ganzen Scheißdreck auf Deutsch gesagt. Und das hat dann dazu geführt, dass, als die Jungs da waren, hat der eine Junge nach einem halben Jahr nachts einen Fieberkrampf gekriegt und das motorische Zentrum ging dadurch kaputt, der hat erst mit zehn, elf Jahren Laufen lernen. Und der andere, bei dem hat das linke Bein mit zweieinhalb Jahren aufgehört zu wachsen. Durch die Medikamente… Und die Röntgenstrahlung. So sehe ich das heute. Und der Mann, der dann später auch ein guter Freund von mir wurde, den ich kurz vor sei/ der ist leider tot, der hatte als Tischler Kontakt mit Asbest und hat im Alter von 64, 65 Krebs gekriegt und ist dann kurz vor seinem 66. Geburtstag gestorben. Der hat eine Nichte und seine Frau hatte ihn verlassen und lebt mit seiner Nichte zusammen. Bei denen war ich jetzt gerade vor ein paar Tagen gewesen, weil die am 9. April Geburtstag hatte und mit denen zusammen, da war er auch noch da, vor acht Jahren haben wir Urlaub gemacht in den USA und das war also, das sind die totalen Erfahrungen, die man da machen kann durch das Leben halt. Wie gesagt, wir haben immer noch den allerbesten Kontakt und das habe ich da in der Heilsberger Straße, da hat das seinen Anfang genommen. Es gab schlechte Sachen, zum Beispiel die Frau, die da bei uns gegenüber gelebt hat, die dann gestorben ist, weil sie mit ihrem Hund zu sehr rumgeschmust hat bzw. die Monika am anderen Ende, die da viel zu früh Kinder gekriegt hat und natürlich ist es dann auch noch so, die Leute, die bei uns da in dem Ding gelebt hatten, die leben ja auch nicht mehr. Der Bernd Liebenow, ob der noch lebt, weiß ich gar nicht. Die Joy Fleming ist ja jetzt gerade erst noch gar nicht so lange her ist die auch gestorben. Man nimmt solche Dinge mit. Ich meine, es ist natürlich auf der einen Seite so, wenn man einen großen Bekanntenkreis hat, wo die Leute etwa im gleichen Alter sind. Dann muss man damit rechnen, dass es manche gibt, die gehen früher. Manchmal einfach so, aber andererseits dann bedingt durch irgendwelche ganz schweren und bösartigen Krankheiten und das ist natürlich gruselig. Wie ich vorhin gesagt habe, jeden Morgen müsste ich mich für meine Gesundheit bedanken. Mir ist vorhin, wo sie aufgezählt haben: Milch, Brötchen, Laib Brot ist mir eine ganz banale Frage noch gekommen, ein ganz banaler Gedanke, was verbinden Sie für Essen, für Gerichte mit Ihrer Kindheit und Jugend. Was habt ihr gegessen? [1:25:05] Meine Mutter entstammte einer Bauernfamilie in Böhl-Iggelheim. Die waren selber zehn Kinder zuhause und meine Mutter hat natürlich von daher – sie war die jüngste ihrer Geschwister und sie hat sehr gerne und auch sehr gut gekocht. Wir hatten also, wir mussten keinen Hunger leiden. Bei uns gab’s natürlich – ok, durch die damalige Zeit – es gab ziemlich oft Pfannkuchen. Für uns Kinder Pfannkuchen mit Zucker und Marmelade und für den Vater, da gab’s dann eingewickeltes Fleisch oder Hackbraten und solche Dinge. Was mir sehr gerne gemacht haben, das kennt man heute eigentlich überhaupt gar nicht mehr, wir haben zum Beispiel unsere Knödel selber gemacht. Keine Semmel-, sondern Kartoffelknödel. Kartoffeln gekocht, durch den Fleischwolf gejagt und angereichert mit Gewürzen, ein bisschen Milch und Eier, Majoran, oh Majoran ist ganz wichtig, das musste rein. Das ist das Pfälzer Gewürz, mag ich heute noch. Und ich mache die Dinger auch heute noch selber. Und dann gab’s natürlich auch Schweinebraten dazu. Rinderbraten konnten wir uns nicht unbedingt leisten, denn der war dann für damalige Verhältnisse relativ teuer. Und mein Vater natürlich durch seine „Alkoholitäten“ war er auch ziemlich oft arbeitslos, leider, es ist so. Aber, wie gesagt, hungerleiden mussten wie aus dem Grund noch lange nicht. Ich frage vor dem Hintergrund, ich kenne zum Beispiel jemanden, der ist zehn Jahre jünger als ich und der kommt auch aus der Rastenburger und der erzählt mir von Essen wie Ketchup mit Nudeln oder so, was ich niemals bekommen habe. Und ich bin ja auch kein Reicher oder so, nur normaler Gesellschaftsdurchschnitt und da habe ich mir schon überlegt, ob es womöglich einen Unterschied gibt beim Essen von Leuten, die eher aus schwierigen Verhältnissen kommen und Leuten, bei denen es halbwegs intakt war. Und deswegen dachte ich, vielleicht kann man es auf die Zeit damals übertragen. Jaja! Also nein, eigentlich nicht. Ich kenne zwar zum Beispiel diese Fertiggerichte. Spaghetti Bolognese mit Hackfleisch oder so. Ja ok, gut, in den Paketen ist dann drin in der Regel ein halbes Pfund Spaghetti in der Regel oder Makkaroni je nach dem. Und dann das Beutelchen mit dem Tomatenmark, das Gewürz, der Reibekäse, aber also ich fahre auf sowas überhaupt nicht ab. Ich meine, natürlich, ich habe es schon mal gemacht, ganz klar. Aber nicht von Maggi und nicht von Miracoli, sondern no name. Da kriegst du das ganze Ding für 80 Cent. Und nötigenfalls geht man her und holt sich noch ein Döschen Tomatenmark dazu und macht das da mit rein. Und was ich heutzutage anders mache, als noch vor fünf, sechs, sieben Jahren, wenn ich zum Beispiel Hähnchenschenkel mache. Von zuhause aus kannte ich das nur mit Salz, Pfeffer, Paprika. Das mache ich nicht mehr. Nein, da rühre ich mir mit Öl so eine Marinade an. Da mache ich dann Kurkuma rein, Curry rein, da mache ich Grillgewürz rein und damit werden dann die Dinger eingepinselt und dann bleiben die einen Tag liegen, damit das schön einzieht. Also das ist für mich persönlich, wenn ich da zum Beispiel Frikassee mache. Ich mache Frikassee ganz prinzipiell nur aus Hähnchenschenkel, wegen dieser Haut. Das ist für mich das allerbeste. Oder mit dem Freund, der da an dem Asbestzeug gestorben ist, bin ich immer Pilze sammeln gegangen. Entweder sind wir da in den Käfertäler Wald oder in den Lampertheimer Wald und da habe ich dann einiges mitgekriegt und gelernt, wie man Pilze unterscheidet, also Wahnsinn. Das, was man heutzutage als Pilze kaufen kann, das ist Schrott, aber die Pilze selber pflücken, schneiden, putzen, Wahnsinn. Jetzt ist mir noch hier ein Name aufgekommen: Lena Maurer. Sagt Ihnen der Name was? Ja. Das war nämlich „der Engel von Schönau“. Das war so der Spitzname, das war eine SPD-Politikerin. Maurer, Maurer, Maurer… Diese Leute da, die hießen Maurer (zeigt auf die Karte) und das war eine SPD-Tante. (Lachen) Ich bin froh, nicht nur um meine körperliche Fitness, sondern, dass mir diese Dinge noch einfallen. Weil die wird immer so genannt. Es gab noch die Lilly Gräber für Friedrichsfeld und die Lena Maurer für die Schönau. Das wären so die „Engel“ gewesen, die sich um die Belange der kleinen, einfachen Leute gekümmert hätten. Haben Sie das.. ja? Mein Vater hat von der Lena Maurer geschwärmt. Allerdings muss ich leider sagen, gebracht hat das dann offenbar irgendwie nichts. Dann gibt’s noch einen Namen, der ist vielleicht nicht so bekannt: Herbert Mies. Nein, sagt mir nichts. Ist ein Schönauer, der war Jahre lang der Vorsitzende der Kommunistischen Partei. Oh Gott! Da habe ich mich auch gefragt, das ist ja auch, sage ich mal, deren Gedanke für die einfachen Leute da zu sein. Da dachte ich, vielleicht ist der Name ein Begriff, weil das auch ein Schönauer war, aber das kann sein, dass der da überhaupt nicht mehr gewirkt hat. Das habe ich so nicht erforscht. Das wollte ich nur mal abfragen. Aber hier habe ich einen Zeitungsartikel über Lena Maurer und das „Wohnungselend in Mannheim-Schönau“. Kann ich Ihnen gerne mitgeben. Ansonsten habe ich mir so ein paar Notizen gemacht und ich habe da jetzt nichts Offenes mehr in dem Sinne. Außer Sie hätten jetzt noch was, was Sie erzählen wollten. Wir haben jetzt schon sehr viel gequatscht. Wir könnten vielleicht noch einmal sagen: Wenn es eine Dreizimmerwohnung war, Sie am Anfang mit den beiden Eltern da gewohnt haben und noch mit zwei weiteren Kindern, ihr ward im Endeffekt zu fünft, wie war die Aufteilung eigentlich in der Wohnung?
Also es war eigentlich so, man ging die Wohnungstür rein und stand direkt in der Küche. Linker Hand waren zwei Zimmer nebeneinander, zwei kleine und hinter der Küche war das große Elternschlafzimmer mit Schiebetüren rechts und links. Da kam man rein, da war rechte Hand sofort das Küchenfenster und ja, da kommt mir natürlich so das heutige Gemache um diesen Klimawandel immer so ein bisschen in den Kopf, weil ich mich dran erinnern kann, wenn ich beim Geschirrspülen, beim Abtrocknen geholfen habe, hauptsächlich in der Winterzeit, in der Karnevalszeit da sind dann draußen am Küchenfenster immer Teufelsmasken vorbeigelaufen in einem richtigen, heftigen Schneetreiben, was man heute eigentlich gar nicht mehr so kennt. Und ich habe dort natürlich meine erste Begegnung mit dem elektrischen Strom gehabt. Damals gab es noch keine Schuko-Steckdosen, da gab es noch diese Schweineschnauzen mit den zwei Löchern. Und ich habe darin rumgefummelt und da habe ich eine gekriegt das hat mich rückwärts über das Elternbett geschleudert. Aber gemacht hat es mir weiter nichts. Aber dann haben die Eltern in einem großen Zimmer geschlafen und dann waren noch zwei Zimmer übrig, das heißt zwei Kinder und noch ein Kind im Zimmer alleine. Richtig. Was da noch zu bemerken wäre, und das haben nicht nur wir gemacht, das haben eigentlich, man könnte sagen, mindestens die Hälfte der ganzen Bewohner in der Gondel haben das genauso gehandhabt wie wir, die haben Zimmer vermietet – an Soldaten, an amerikanische Soldaten natürlich. Und da waren auch Neger dabei, obwohl am Haus gestanden hat „off limits“, aber das hat uns überhaupt nicht interessiert. Warum stand das da überhaupt? Sie, das kann ich Ihnen gar nicht sagen. Ich konnte mir das damals überhaupt nicht erklären, ich wusste überhaupt nicht, was das zu bedeuten hat. Ich habe das erst später erfahren. Aber in Ihren Augen, in der Familie oder in den Augen der Leute, gab es da diesen Rassismus dann auch? Nein, das hat niemanden interessiert. Ich meine, auch heute, das ist – gut, das Wort „Nigger“ braucht man nicht. Das ist ein Schimpfwort, das macht man nicht, das ist rassistisch, aber „Neger“ ist ein ganz normales Wort - in Ihrer Generation. Ja! Der Ernst Neger war doch ein großer Karnevalist in Mainz. Und der hat allerdings auch Probleme gehabt. Dem seine Familie oder Firma war ein Dachdeckerbetrieb und die haben eine Gestalt auf dem Dach gehabt, da war der Dachfirst der Rock von dem Neger. Ja bitte, da gab’s die Alexandra, die hat den „Zigeunerjungen“ gesungen. Wird man jetzt deswegen eingesperrt heutzutage oder was? Ich denke nicht. Das ist ja Blödsinn. Genauso ist das wie mit dieser dämlichen Genderei da. Das ist doch der allerletzte Mist! Aber wir haben und da kann ich uns nicht ausnehmen. Wir haben oft natürlich auch aus Geldmangel. Wir haben auch Zimmer vermietet nicht nur an Soldaten, sondern auch teilweise an deutsche, bei denen ich, kann ich mich erinnern, noch mit im Bett geschlafen habe. Und wir haben auch so eine Schlafcouch in der Küche stehen gehabt, die ich auch des Öfteren genutzt hab. Man war mehr oder weniger gezwungen dazu einfach aus Geldmangel heraus. Und wenn es voll war, wie voll war dann die Bude? Das waren wir drei, die Eltern sind fünf, na so sieben, acht waren wir dann schon. Mit eingemieteten Leuten. Und wie lange ging das dann? Hat dann mal einer für ein Wochenende oder Monate? Das ging sogar über Jahre. Und das war eigentlich für uns etwas ganz Normales. Wir hatten natürlich, weil wir drei Kinder waren, ich bin der älteste gewesen und die andern beiden hatten dann im Doppelbett geschlafen. Das Elternschlafzimmer war immer unberührt, das ging uns nichts an. Also ein Zimmer, das hatten wir eigentlich mehr oder weniger immer vermietet. Wir haben auch eine ganze Zeit lang den einen Bruder, von dem ich zu Anfang erzählt habe, der von der ersten Ehe meiner Mutter gewesen war, hat eine ganze Zeit lang bei uns gelebt. Der ist dann aber als der dann 17, 18, 19 war seine eigenen Wege gegangen. Der war ja nur ungefähr sechs Jahre älter als ich und da hat es dann auch Krach gegeben, der hatte sich mit unserem Vater nicht verstanden. Aber man hat, man war mehr oder weniger dazu gezwungen Zimmer zu vermieten aus Geldmangel. Aber wenn dann so eine Wohnung so voll ist, Sie haben gerade selbst Krach angesprochen, dann ist das doch… da, wo Leute auf engem Raum sind, ist die Luft manchmal ein bisschen dicker, nicht? Das ist richtig, aber man muss berücksichtigen, auf der einen Seite zu dem einen Nachbarn ist der Hausflur mit der Toilette dazwischen und auf der anderen Seite ist das Elternschlafzimmer dazwischen bis zum nächsten Nachbarn. Deswegen kriegte man nachbarmäßig eigentlich nicht allzu viel mit, wenn es da mal in den Wohnungen Krach gegeben hat. Und bei Ihnen? Gab es häufiger Krach oder war das vor allem mit dem einen Halbbruder, sage ich mal? Nein, das war eigentlich mehr mit dem Halbbruder. Also eher eine Seltenheit, dass es mal… Ja, aber dann halt richtig. Das ist dann schon Schlägerei. Und natürlich der Alkoholismus von meinem Vater, da sind auch manchmal schon Teller und Tassen geflogen. Ja, das kam schon vor. Und wie ist es Ihnen als junger Mensch dann damit gegangen? Ich kann mich erinnern, wenn bei mir daheim Streit war, hat mich das immer sehr gestresst als Kind. Zunächst einmal ist es natürlich so, wir Kinder waren alle drei im Kindergarten bis zum Anfang der Schule und dann waren wir in der alten Schönauschule in der Kattowitzer Zeile. Da war unten drin der Kinderhort. Der ist dann später auch umgezogen als die Peter-Petersen-Schule gebaut wurde. Da kam dann später auch der Hort rein, aber zunächst waren wir da. Ich habe mich halt versucht anzupassen. Ich war bei der Hortleiterin immer angesehen. Ich durfte mir Karl May-Schallplatten anhören, während die anderen rausgehen mussten Spielen. Ich durfte die horteigene Schildkröte füttern. Und ich durfte der einen Tante, Schwester wie auch immer behilflich sein mit dem Aquarium, das Aquarium neu zu befüllen und so. Und das hat mich dann natürlich auch dazu gebracht, das eine Fräulein, wir haben damals „Fräulein“ gesagt, die beim Verabschieden mit Händedruck und so, da sagte die eines Tages: „Roland, du willst doch mal ein Mann werden! Gib mir doch mal richtig die Hand!“ und dann habe ich ihr die Hand gegeben und habe gedrückt. Und das habe ich mir dann so angewöhnt. Mache ich auch heute noch. Und meine beiden Geschwister, die waren natürlich auch noch mit im Hort, aber diese Streitereien zuhause haben auf mich in meinem eigenen Umfeld im Hort, in der Schulklasse oder so eigentlich so gut wie gar keine Auswirkungen gehabt. Aber war es dann so eine Art Fluchtstrategie als Kind, dass man rausgeht, sich unter die Leute mischt? Naja, wir hatten ja direkt nebenan war ja der Fußballplatz und da war ich dann auch oft anzutreffen bzw. unten im Jugendheim, wo ich dann Tischtennis gespielt habe. Kann man dann sagen, dass das Zuhause dann vielleicht eher nur der Ort war, wo man geschlafen hat und den Rest der Zeit – Könnte man so sagen, ja. Ich habe natürlich dadurch, dass ich in meiner Kinderzeit nichts Anderes mitgekriegt habe, war das für mich etwas ganz Normales. Ok, gut, ich habe natürlich mit meinen Cousins, die ich vorhin erwähnt habe, in Ludwigshafen in der Maxstraße im fünften Stock mit Autos gespielt. Das war dann wieder was ganz Anderes. Man hat das aber irgendwo auch genossen. Raus zu sein? Ja. Wenn es dann darum ging, dass es dann hieß „Komm, Roland, mach dich fertig! Wir fahren jetzt wieder heim!“, oder so. Das war nicht so mein Ding. Wie war generell so der Kontakt in den Rest von Mannheim? Haben Sie, dumm gefragt, gewusst, wie groß Mannheim ist? Meine Mutter hat zu ihrer eigenen Familie viel Kontakt gehabt und die ist immer wahnsinnig viel Fahrrad gefahren und ich war derjenige, der hinten auf dem Gepäckträger war. Das heißt, Sie haben viel gesehen eigentlich von der Stadt? Ja, ja. Und später, also ich habe mit 22 meinen Führerschein gemacht und zu der Zeit als ich dann später in die Mannheimer Innenstadt gezogen bin, hatte ich eine Lebensgefährtin und da war ich eine ganze Zeit lang ohne Führerschein. Aber Mannheim, die Mannheimer Innenstadt ist ungefähr ein Kilometer beidseitig und da konnte man eigentlich alles zu Fuß machen und das habe ich dann auch gemacht. Ich habe eine Zeit lang keinen Führerschein gemacht. Denn haben sie mir weggenommen, den musste ich dann nochmal machen. Weil ich habe zu viele Punkte gehabt. Geschwindigkeitsbegrenzungen und rote Ampeln haben mich nicht allzu sehr interessiert. Und dadurch natürlich kennt man die Mannheimer Innenstadt mehr oder weniger aus dem FF. Aber das war dann erst später. Ja, als ich dann 27, 28 war. Und den Begriff „Gondelavenue“ würden Sie den selber benutzen oder ist das eher so ein fremder Begriff? Das ist mir absolut kein fremder Begriff! Also ich meine, so einer, wo Sie sagen „das sagen andere Leute, aber ich...“ Nein, nein ich habe den selber benutzt. Und was würden Sie sagen, woher der Begriff kommt? Also der Begriff „Gondelavenue“ ist eine Verhöhnung der Gondelstraße! So wie manche gesagt haben bei mir in der Klasse „ey du, du wohnst ja da hinten in der Villa, in der Villa Hammerschmidt“ oder so. Das ist auch eine Verhöhnung. Das ist praktisch das Wort „Barackler“ andersrum formuliert. Aber Sie haben ihn selber benutzt – Gondelavenue. Ja, allerdings ohne mir großartig etwas dabei zu denken. Man benutzt es halt. Ja, wie soll ich denn sagen, mehr oder weniger pure Gewohnheit. Und sagt Ihnen der Begriff „Gondel-Apachen“ etwas? Weil das habe ich in einem Buch gelesen, dass da irgendetwas mit „Apachen“ war. Die „Apachenblöcke“, die „Apachenblöcke“ waren für uns die da. Ah! Das waren die ganzen Blöcke, Marienburger usw. Genau. Weil ich hab bei „Gondelavenue“ irgendwie immer an die Bronx gedacht, dass das vielleicht die gefährlichste Ecke auf der Schönau gewesen wäre. Wenn ich jetzt als Neckarstädter oder Lindenhöfer oder was auch immer mich auf die Schönau verirrt hätte und dann da durchgelaufen wäre, meinen Sie, da wäre mir etwas passiert? Nein. Allerdings bin ich später als die Dinger da schon lange weg waren – da stehen ja jetzt drei Hochhäuser, das eine heißt ja auch nicht mehr Gondelstraße, sondern Ballonstraße – bin ich da mal durchgefahren. Da würde ich mich nicht mehr wohlfühlen. Die Menschen, die dort wohnen, gehen mir nicht rein. Passiert ist mir eigentlich nichts, aber ich habe mir nur, als ich das das erste Mal gesehen habe gedacht: „siehst du, zu uns haben sie früher Barackler gesagt, aber da wohnen jetzt die echten Barackler.“ Das hat wahrscheinlich etwas mit den Leuten dort zu tun, wie die sich da bewegen, wie die auf der Straße lang gehen, wie die das Zeug da auf der Straße rum schmeißen. Das hat es zum Beispiel bei uns nicht gegeben, dass man Müll zum Beispiel einfach auf die Straße wirft. … Man ist in dieser Stadt aufgewachsen, gut, man ist natürlich nicht in der Stadt selbst aufgewachsen, sondern auf der Schönau-Nord. Mehr mit Kontakten nach den Apachen-Blöcken hin bzw. sogar auf die Blumenau. Dort hatte man mehr Kontakte hin als innerhalb dieser zehn Dingern, obwohl da natürlich das ein oder andere gelaufen ist. Man hat auch später, nachdem die Dinger schon lange weg waren, zu dem ein oder anderen, der auch dort gewohnt hat, auch noch Kontakte gehabt.
War da eine große Fluktuation, dass sich das schnell ausgewechselt hat in diesen Blöcken? Nein, eigentlich immer dieselben Leute. Mehr oder weniger dieselben 40 Haushalte die ganzen Jahre. Das war schon eine interessante Zeit. Ich weiß gar nicht, ob zwischen den anderen Häusern auch Waschküchen gebaut wurden. Ich kenne nur unsere. Ist die auf diesem Bild mit drauf? Nein, wenn das von 1953 ist, dann war da noch keine. In den späten 1950er müssten die gebaut worden sein. Ich weiß das auch nur deswegen noch, weil das ja große Waschkessel waren. Mit großen Kohlebriketts wurden die angeheizt und an der Hauswand haben wir Ball gespielt. Und Sie hatten ja den TSV Schönau angesprochen, dass Sie da öfter auf dem Sportplatz waren. War der TSV eine Institution für die Leute? Ja, da stand auch ein Clubhaus. Das war dann eine Lokalität. Das Lieblingsessen, was man dann dort zu sich genommen hat, war dann Kartoffelbrei, Sauerkraut und Schlachtplatte. Und da hinten läuft die Autobahn und da wo sie weiterlief, war immer das Deutsch-Amerikanische Volksfest. Da hat man dann immer Drachen steigen lassen. |