Nationalliberaler Verein Mannheim (Bestand)

Archive plan context


Title:Nationalliberaler Verein Mannheim
Name of the creator / provenance:Die Materialien könnten mit dem Nachlass der Mannheimer Reichtagsabgeordneten Ernst Bassermann, * Wolfach 1854, + Baden-Baden 1917, an das Reichsarchiv gelangt sein, denn Bassermann war seit [1892] zweiter und ab [1896] erster Vorsitzender des Nationalliberalen Verein Mannheim, 1869-1878, befindet sich infolge der Auslagerung während des 2. Weltkriegs und der anschließenden Teilung Deutschlands heute im Deutschen Zentralarchiv Potsdam (DDR) und umfasst "2 Mappen".
Im Zuge der Ermittlung von Quellen für die archivische Dokumentation zur Geschichte der Stadt Mannheim 1840-1930 wurde von Dr. Schadt im Juni 1973 die Mikroverfilmung dieses Bestands in die Wege geleitet. Der Film ist dem Stadtarchiv Mannheim am 07.01.1974 zugegangen.
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Die sich anbahnenden Entscheidungen zur deutschen Einigungsfrage, die Auswirkungen der sozialen Auswirkungen der sozialen Veränderungen infolge der Industrialisierung und ideengeschichtliche Strömungen verschärften auch in Baden das politische Leben. Symptomatisch dafür ist der für die Liberalen mindestens enttäuschende Ausgang der Wahl vom 18.02.1868 zum Deutschen Zollparlament, an der sich die Demokraten nicht beteiligt hatten und folglich nur von der katholischen Volkspartei Gegenkandidaten aufgestellt worden waren. Der starke Stimmenrückgang bestätigt auch den Vertrauensverlust der liberalen Regierung Jolly beim Volk. Diese Schwäche wurde z. T. auf das Fehlen einer straffen Parteiorganisation der Liberalen zurückgeführt. Andererseits äußerten sich in der Opposition liberaler Abgeordneter im badischen Landtag im November 1868 auch ideologische Spannungen innerhalb dieser Bewegung. Die Möglichkeit einer Spaltung zeichnete sich ab. Dass sie nicht eintrat, kann u. a. auf das geschickte Vorgehen Jollys und den Solidarisierungseffekt zurückgeführt werden, der von der Gründung der demokratischen Partei bzw. Wahlreform-Liga und der katholischen Volkspartei ausging. Letzten äußern Anstoß zur Gründung der Nationalliberalen Partei gaben dann die von beiden vorgenannten Organisationen Anfang Mai 1869 veröffentlichten Aufrufe.

Für Mannheim setzt mit den beiden Einladungsschreiben vom 11. Mai 1869 zu einer Besprechung der politischen Lage auf Mittwoch [12.05.] im Gasthof "Zum großen Hirsch", S 1, 13 [heute S 1, 15] die Überlieferung ein (Sign. 1, Schreiben von [Philipp Artarial]). Die Einberufner waren: Dr. [Theodor] Bertheau, [Obergerichtsadvokat, 1800-1892, evang.], Dr. F[riedrich] Reiß, [Handelsmann und Gemeinderat, 1802-1881, evang.], Gust[av Adolf] Hummel, [Kaufmann, geb. 1824, evang.], Dr. [Leopold] Ladenburg, [Obergerichtsadvokat, 1809-1889, israel.] und Ph[ilipp Carl] Artaria, [Künstler, Mitglied der Ersten Kammer, 1801-1878, kathol.]. Der mit 12. Mai datierte gedruckte Entwurf (Sign. 3) der späteren Erklärung vom 13. Mai 1869 gegen die Aufrufe der katholisch Volkspartei und der Wahlreform-Liga dürfte Beratungsgegenstand gewesen sein bzw. fast wohl das Ergebnis der Versammlung zusammen. Am folgenden Tag begann die Unterschriftenaktion (Sign. 3) für die "in heutiger Sitzung verlesen Erklärung" (Sign. 1, Unterschriftenliste vom 13.05.). In diesen Tagen muss auch ein Ausschuss gebildet worden sein. Denn Philipp Artaria versandte bereits am 14.05. obige Erklärung " im Auftrag des Komitees" an eine Reihe badischer Zeitungen mit der Bitte um Veröffentlichung. Nachweislich abgedruckt wurde der Aufruf im Mannheimer Journal vom 15.05. (mit namentlicher Nennung aller 130 Unterzeichner), In der Heidelberger Zeitung vom 16.05. und im Durlacher Wochenblatt vom 18.05. (Sign. 4).

Die Unterzeichner dieser Erklärung vom 13.05.1869 wurden dann am 17.05. von Philipp Artaria und Dr. [Emil Otto] Schellenberg, Pf[arre]er, [1816-1873, evang.] auf den 18.05. zu einer Beratung darüber eingeladen, " ob und in welcher Weise der Einladung des geschäftsführenden Ausschusses von Offenburg, auf den 23.Mai nach Offenburg zu kommen, stattgegeben werden soll". Mannheims Vertreter auf dieser sog. dritten Offenburger Versammlung war Dr. August Lamey, Staatsrat [1816-1896, evang.], dessen Name in den erhaltenen Unterlagen erstmals am 25. Mai erscheint (Sign. 2). An diesem Tag beraumte Phil. Artaria für den 26.05. eine Versammlung ein, um gemäß den in Offenburg gefassten Beschlüssen über eine Organisation der Nationalliberalen Partei zur beraten. Von der Sitzung existiert das korrigierte Konzept des Sitzungsberichts (Sign. 2) wahrscheinlich von der Hand Dr. iur. August Hohenemsersm, Bankier, [geb. 1834, israel., dann evang., Neffe von Dr. Leop. Ladenburg], wonach u. a. ein 15-köpfiges "provisorisches Komitee" gebildet werden soll. Über den gesamten Fragenkomplex wurde noch einmal am 27.05. beraten. Gewählt wurde der provisorische Ausschuss des Vereins schließlich auf der Versammlung vom 01.06.1869 im "Badener Hof", zu der Philipp Artaria und August Lamey "die Freunde der national-liberalen Sache eingeladen hatten (Sign. 2, Brief vom 02.06.1869). Wie einer Notzis auf dem korrigierten Konzept des Statutenentwurfs (Sign. 2, Brief vom 30.05.1869), zu entnehmen ist, lagen damals auch die Statuten zur Beratung vor. Die personelle Zusammensetzung des Ausschusses scheint aus der Einladung vom 11.06. hervorzugehen (Sign. 2). Auf der Sitzung vom folgenden Tag wurden das Statut bzw. die Organisation des Bezirks- und Ortsvereins beraten und offenbar auch das "Preßkomitee" gegründet. Mit der Wahl August Lameys zum Präsidenten und Philipp Artarias zum Vizepräsidenten am 26. Juni 1869 ist die Gründungsphase abgeschlossen (Sign. 2). Aus dieser Zeit stammt auch das Mitgliederverzeichnis, das Zwischen dem 1. und 22.06. angelegt worden sein muss (Sign. 5, Blatt 2 und Sign. 2, Brief vom 22.06.1869).




Classification:Die Bearbeitung des Bestands wurde 1974 von Herrn Teutsch unter Anleitung von Herrn Dr. Schadt vorgenommen. Das Original lose und auf 2 Mappen verteilte Schriftgut (Signaturen auf der Vorderseite [Bleistift] (Blatt 1-175 und 1-223) wurde zunächst auf der Rückseite foliiert (Blatt 1-479). Dabei stellte sich heraus, dass der vorgefundene Zustand weder die ursprüngliche - das beweisen die alten Signaturen auf den Rechnungsbelegen (Zahl mit Klammer [in Tinte] von der Hand [August Hohenemsers]) - noch eine konsequent sachliche bzw. chronologische Ordnung aufwies. Um eine Einzelblattverzeichnung zu vermeiden, ist der kleine Bestand vor der Titelaufnahme behutsam vorgeordnet worden. Hierbei wurden erkennbare Einheiten beibehalten und offensichtlich zusammengehörendes Schriftgut wieder vereint. Undatierte Schriftstücke, die aus sachlichen Gründen nicht mehr bestimmten Vorgängen zugewiesen werden konnten, sind an der vorgefundenen Stelle belassen worden.

Der Block mit den Materialien aus der Gründungsphase sowie die früher offenbar vorhanden gewesenen Teile Kassenwesen ("Belege") und Schriftwechsel ("Akten") - so lauten jedenfalls 2 alte Deckblätter - wurden im Hinblick auf die spätere Gliederung übernommen bzw. rekonstruiert. Die vermutlich bis 1876 ursprünglich jahrgangsweise formierten Kassenbelege, bei denen die Rechnungen teilweise nach dem Datum der Bezahlung abgelegt waren, wurden jedoch nach Einnahmen und Ausgaben getrennt und anschließend dem Ausstellungsdatum nach buchmäßig geordnet.
4. Analyse

Der vorliegende Bestand umfasst die Zeit 1869-1878, wobei die Überlieferung ab 1874 zum größten Teil fehlt.





Appraisal and destruction:Die Bedeutung des Materials liegt vor allem in der Dokumentation der Gründungsphase Mai/Juni 1869 des Nationalliberalen Vereins Mannheim. Aus den Unterlagen werden sowohl die einzelnen Daten und Fakten als auch der Kreis der Mannheimer Initiatoren, finanziellen Förderer (Sign. 1, 13) und Interessenten (Sign. 2, 3) ersichtlich. Sozialgeschichtlich aufschlussreich sind das Mitgliederverzeichnis von [1869] (Sign. 5) und die verschiedenen Spendenlisten von 1869-1878 (Sign. 6-12), weil sich mit ihnen diese Partei als Instrument gruppenspezifischer Interessenvertretung interpretieren bzw. verstehen lässt.
Die Rechnungen und Quittungen, überwiegend 1869-1871 (Sign. 13-16) bieten wenigstens quantitative Hinweise auf die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins. Politische Aussagen überliefern eigentlich nur der Aufruf vom 13.05.1869 (Sign. 3) und die im Entwurf erhaltenen Statuten von [1869] (Sign. 2]. Von den Vorgängen in der Ortsgruppe (Mitgliederbewegung, innerparteiliche Strömungen, Willensbildung, Vorstandswahlen, Nominierung der Kandidaten für die Kommunal-, Landtags- und Reichstagswahlen) und über den Kontakt zu anderen Ortsgruppen oder gar zur Parteispitze wird fast nichts erkennbar.
Comments:Literatur:

Carl Eckard, Erinnerungen aus meinem Leben, Mannheim, 1901.
Lothar Gall, Der Liberalismus als regierende Partei, Wiesbaden, 1968, S. 422-457.
Friedrich Walter, Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart, Mannheim 1907, Bd. 2, S. 528-538, Bd. 3, S. 53-55.
Neue Badische Landeszeitung, Ausgabe Mannheim: 02.05.1869, 05.05.1869, 10.05.1869, 11.05.1869, 12.05.1869, 02.06.1869.
Mannheimer Adressbuch 1870, S. 47, 48.

Stadtarchiv Mannheim, Bestand Familienbogen.

Quellen:

Dienstakten des Stadtarchivs Az.: 16 D 11 IML
16 D 12 - 1 Sta
16 D 90 P
Mannheimer Adressbücher 1890 ff..

Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=57407
 

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