Verein für Naturkunde (Bestand)

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Title:Verein für Naturkunde
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Der Verein für Naturkunde gehört zu den ältesten Vereinigungen Mannheims. Seine Geschichte geht auf die Mannheimer Naturkundlichen Sammlungen zurück:

Das Naturalienkabinett (die „Academia-Theodoro-Palatina“) wurde 1756 von Karl Theodor gegründet. Es war im Schloss untergebracht und wurde zunächst von Cosimo Alessandro Collini (1727-1806) verwaltet. Im Zuge der Gebietsabtretung der rechtsrheinischen Pfalz an Baden holte der bayerische Kurfürst Max Joseph gegen Mannheimer Widerstände einen Großteil der Sammlung nach München. Ab 1808 stand die übrig gebliebene Naturaliensammlung, welche Max Joseph der Stadt Mannheim als „Schenkung“ überließ, unter Großherzoglich-Badischer Verwaltung.

Der Verein für Naturkunde wurde am 16. November 1833 auf private Initiative gegründet. Die Vereinsmitglieder verschrieben sich der Aufgabe, das weiterhin im Schloss untergebrachte Kabinett zu pflegen, zu vervollständigen und fortzusetzen. Das Hauptziel war, ein eigenständiges Naturkundemuseum ins Leben zu rufen. Der Verein sammelte und beschrieb Fundstücke sowie naturkundliche Beobachtungen; es wurde eine eigene Bibliothek mit Lesezirkel unterhalten und der Bestand gezielt aufgebaut. Der Botanische Garten wurde gepflegt und ausgeweitet. Den Mitgliedern war es wichtig, Beziehungen zu anderen Vereinen und Vereinszeitschriften zu knüpfen. Darüber hinaus wurden eigene Beiträge publiziert, Vorträge gehalten und Exkursionen durchgeführt.
Im Gründungsjahr konnte der Verein 255 Mitglieder aufweisen, darunter 13 vorrangig adlige Frauen wie Großherzogin Stephanie. Sie war die Schirmherrin der sogenannten Blumenfeste. Außerdem fanden sich Gewerbetreibende und Handwerker, Lehrer, Gastwirte und Bierbrauer unter den Mitgliedern. Vereinsmitglied konnte werden, wer ein ausgeprägtes Interesse an Naturwissenschaften hatte; besonders willkommen wurden eigene Forschungsarbeiten.

Der Verein gliederte sich in vier Sektionen:

A: Zoologische Sektion
B: Botanische Sektion
C: Physikalisch-mineralogische Sektion
D: Medizinische Sektion

1834 übergab die großherzoglich-badische Verwaltung die Naturaliensammlung Carl Theodors in die Hände des Vereins für Naturkunde. Ein Jahr später erwarb der Verein mit Hilfe der Stadt die bedeutende naturkundliche Sammlung des Tabak-Kaufmanns Heinrich Vogt.
Ab 1839 war das „Großherzoglich Naturhistorische Museum“ in sechs Sälen des Mannheimer Schlosses untergebracht.

Der erste Präsident war Ernst Freiherr von Stengel (1770-1851). Mit der Sichtung, Ordnung und Aufstellung des Kabinetts hatte man Prof. Johann Philipp Kilian (1793-1871) beauftragt. Kilian war Professor der Naturwissenschaften am Mannheimer Lyceum. Im Jahre 1847, 14 Jahre nach Vereinsgründung, verließ er den Verein. Offenbar bewegten ihn Überlastung, gesundheitliche Probleme und Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vereins zu dieser Entscheidung.

Eines der berühmtesten Vereinsmitglieder war Karl Friedrich Schimper (1803-1867), seit 1834 Ehrenmitglied. Durch ihn erhielt der Verein zahlreiche Fundstücke und kam in den Genuss von fachkundigen Vorträgen. Sein berühmtester Findling ist der 1,50 m große Gesteinsbrocken „Schimparasso“, der am Rhein hinter der Sternwarte aufgestellt wurde.

Bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert erwarb der Verein Sammlungsstücke auch durch Ankäufe und Schenkungen von Mannheimer Bürgern.

Im Jahre 1904 wurde Wilhelm Föhner (1874-1931) zum Ersten Sekretär ernannt. Unter Föhner erhielt der Verein großzügige Unterstützung durch den Geheimrat und Mannheimer Ehrenbürger Karl Reiß und seine Schwester Anna. Lange Zeit spielte Reiß mit dem Gedanken, ein eigenständiges Naturkundemuseum zu finanzieren. Allerdings änderte er 1913 überraschend sein Testament zugunsten eines Neubaus der Kunsthalle. Dies bedeutete einen erheblichen Rückschlag für den Verein. Doch Föhner setzte durch, dass im Erdgeschoss des Zeughauses (damalige Gewerbehalle) die Ausstellung der „Reiß´schen Sammlung für heimatliche Naturkunde“ eröffnet wurde.

1925 richtete die Stadt ein Natur- und Völkerkundemuseum im Zeughaus ein, in dem ein Teil der Sammlungsstücke untergebracht worden war und das von Föhner selbst geleitet wurde. Die Abteilungen Archäologie und Stadtgeschichte befanden sich weiterhin im Schlossmuseum. Für 30 Jahre existierte in Mannheim nun neben dem historischen Naturalienkabinett im Schloss ein zweites Naturkundemuseum.

Das Naturalienkabinett im Schloss wurde im Dritten Reich aufgelöst. Bei einem Bombenangriff wurde die Sammlung stark beschädigt. Mit Hilfe von Gefangenen gelang es, die verbliebenen Museumsbestände und die Bibliotheken des Vereins für Naturkunde und des Museums in das noch unfertige Technische Rathaus, in Räumen des zerstörten Schlosses sowie in der alte Sternwarte (Planetarium????) im heutigen Luisenpark unterzubringen. Dort lagerten sie bis 1947.
Nach Ende des Kriegs wurde Dr. Josef Bessler mit der Aufgabe betraut, das Sammlungsgut zu sichten und wieder für öffentliche Ausstellungen herzurichten; doch es blieb ihm versagt, dies in die Tat umzusetzen.

1949 löste die Stadtverwaltung das Naturkundemuseum als autonomes Museum auf. Die Sammlung wurde als naturkundliche Abteilung der Verwaltung der städtischen Museen unterstellt. Am 18. Juni 1949 erfolgte die Wiedergründung des Vereins. Zeitgleich vollzog sich eine Abspaltung, die zur Gründung des Deutschen Naturkundevereins, Bezirk Mannheim / Heidelberg führte.
Zum Ersten Vorsitzenden des Vereins für Naturkunde wurde Prof. Dr. Volker Klingmüller ernannt. Die Naturaliensammlung wurde vorübergehend im Keller von B 4, 10 untergebracht.
Nach 1951 wurden die naturkundlichen Objekte aus dem Zeughaus entfernt und an unterschiedlichen Orten magaziniert, u. a. im alten Elektrizitätswerk. Das historische Naturalienkabinett, das sich noch im Schloss befand, wurde ins Dalberghaus ausgelagert. 1977 ging die Sammlung an die Landessammlungen für Naturkunde Karlsruhe.

Ursprünglich plante eine vereinsinterne Arbeitsgemeinschaft, zu der auch Schüler gestoßen waren, ein „Karl-Friedrich-Schimper-Museum“ zu gründen. Dies lies sich jedoch nicht verwirklichen. Stattdessen beschloss das Reiß-Museum 1981, sich eine naturkundliche Abteilung anzugliedern und eröffnete am 10. Februar 1982 die Naturkundliche Sammlung im Reiß-Museum unter Leitung von Dr. Gerhard Rietschel mit der Ausstellung „Tiere und Menschen der Eiszeit“.

1984 wurde zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim eine „Vereinbarung über die Mannheimer Sammlung naturkundlicher Sammlungsgegenstände“ getroffen, der zufolge das Sammlungsgut in den Besitz der Landessammlungen für Naturkunde in Karlsruhe überging. Die überlassenen Sammlungsstücke sollten restauriert und der Stadt als Dauerleihgabe für Ausstellungszwecke zur Verfügung gestellt werden.

Ein Großteil der historischen Bibliothek des Vereins für Naturkunde ist durch Kriegseinflüsse, Umlagerungen und Wasserschäden stark beschädigt worden oder abhanden gekommen. 1984 wurden einige Bücher in der Sonderschau „Kostbarkeiten aus der Naturkundlichen Bibliothek“ gezeigt. Die Reste der Bibliothek sind heute in der Universitätsbibliothek Mannheim untergebracht und umfassen ca. 7000 Werke; darunter sind etwa 2400 Bände Naturkunde-bezogen, die meisten Bände jedoch beschäftigen sich mit der Medizin.

Die Ausstellung der Naturkundlichen Sammlung im Reiß-Museum besteht inzwischen nicht mehr. Der Verein für Naturkunde wirkt lange Zeit als Förderverein für die naturhistorische Abteilung im Reiß-Museum; zuletzt konzentrierte er sich jedoch auf naturkundliche Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften, Vorträgen und Führungen. Die etwa 250 Mitglieder finden sich regelmäßig in Räumen der Abendakademie zusammen.

Nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Gudrun Höhl vom Vorsitz im Jahre 2006 übernahm Dr. Gerhard Rietschel, von 1981-2004 Leiter des Naturkundemuseums im Reiß-Museum, den Vereinsvorsitz. Zugleich ist er Zweiter Vorsitzender des Deutschen Naturkundevereins, Bezirk Mannheim / Heidelberg.

Kustoden des Naturalienkabinetts:

• 1808-1812: Hofapotheker Bader
• 1812-1830: Prof. Dr. Succow
• 1833-1848: Hofrat Prof. Kilian
• 1848-1850: Oberarzt Dr. Weber
• 1850-1858: Particulier Andriano
• 1858-1871: Oberarzt Dr. Weber
• 1871-1873: Prof. Vogelsang (Realgymnasium)
• 1873-1876: Direktor a. D. (Realgymnasium)
• 1886-1896: Prof. Arnold (Gymnasium)
• ca. 1896-1933: Prof. Dr. Carl Zettler (Gymnasium)

Präsidenten (oder 1. Vorsitzende) des Vereins:

• 1833-1846: Obergerichtskanzler Freiherrr von Stengel
• 1846-1852: Geheimrat Klüber, Exzellenz, Staatsminister
• 1852-1874: Graf Alfred von Oberndorf
• 1874-1884: Geheimer Hofrat Dr. Zeroni
• 1884-1890: Oberstabsarzt Dr. Müller
• 1890: Medizinalrat Dr. Lindmann
Medizinalrat Dr. Peitavy
• ca. 1933: Medizinalrat Dr. Wegerle
• 1949-1952: Dr. Richard Heine
• 1952-1967: Dr. Leopold Stutz
• 1967-1982: Prof. Dr. Dr. Volker Klingmüller
• 1982-2006: Prof. Dr. Gudrun Höhl
• Seit 2006: Dr. rer.nat. habil. Gerhard Rietschel
Appraisal and destruction:Der Bestand kam 2005 in das Stadtarchiv Mannheim. Eine gründlichere Verzeichnung wurde im Zeitraum Oktober bis Dezember 2007 von der Auszubildenden Jennifer Wunn, in Absprache mit Herrn Dr. Stockert durchgeführt. Am 17.12.2007 führten Herr Dr. Stockert und die Auszubildende Frau Wunn ein Zeitzeugengespräch mit Herrn Dr. Rietschel, VfN-Mitglied seit 1981, 1. Vereins-Vorsitzender seit 2006 und ehemaliger Leiter des Naturkundemuseums im REM, durch.

Die ursprüngliche Ordnung des Bestandes konnte im Rahmen der Verzeichnung nicht ausgemacht werden. Als schwierig erwies sich zudem die Vermischung von privaten Vereins- mit städtischen Unterlagen – ein Spiegelbild der komplexen, sich mehrfach gewandelten Rechtskonstruktion des Museums zwischen Verein und Stadt als Träger.

Der Bestand bildet eine Ergänzung zu anderen Vereinsarchiven im Stadtarchiv Mannheim wie dem Kunstverein sowie dem TSV 1846.

Mannheim, im Dezember 2007

gez. i. A. Jennifer Wunn

"Der Umfang beträgt 22 GP, der Erhaltungszustand ist gut. Die Laufzeit liegt zwischen 1833 und 1984.

Der Bestand zeichnet sich vor allem aus durch die umfangreichen Serien der Jahresrechnungen (die meist den gedruckten Jahresbericht des Vereins enthalten) sowie die Protokollbücher; beide reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und geben Aufschluss über die Arbeit und auch Zusammensetzung des Vereins. Die enorme gesellschaftliche Bedeutung des Vereins lässt sich mit Hilfe dieser Unterlagen ebenso nachzeichnen wie auch sein hohes wissenschaftliches Niveau. "

Ergänzung:

Zugang 16/2024 kam am 19.04.2024 als Schenkung ins MARCHIVUM.

Der Umfang beträgt 16 NP und 1 GF, der Erhaltungszustand ist altersentsprechend gut. Die Laufzeit liegt zwischen ca. 1850 und 2008.

Mannheim, Juni 2024

gez. Thomas Henkel
Usage notes:Im Depositalvertrag wurde vereinbart, dass hinsichtlich der Benutzung die Regelungen des Landesarchivgesetzes Baden-Württemberg gelten. Demnach gilt für das neuere Schriftgut eine Sperrfrist von 30 Jahren.
Comments:Literatur- und Quellenangaben:

Umfassende Vereinsgeschichte in den Jahresberichten 73, 74 und 75 (siehe Bib A 30/123) sowie Akte Nr. 92 aus diesem Bestand
Mannheimer Hefte, Jahrgang 1984, S. 23-31 (A ½). (Anmerkung: Die hier erwähnte „Mappe 21“ aus dem Archivteil 1833-1850 mit dem Titel „Dissidien mit dem Custos des Museums und früheren ersten Sekretär des Vereins, Hofrath und Professor Kilian“ lag dem Stadtarchiv Mannheim bei der Verzeichnung nicht vor.)
Statuten des Vereins für Naturkunde, 1842 (A 30/122-123).
ZGS
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=62919
 

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