Schoeps-Stiftung (Bestand)

Archive plan context


Title:Schoeps-Stiftung
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:1.Geschichte der Schoeps-Stiftung

Fred (Alfred) Joachim Schoeps, am 27.09.1906 in Görlitz/Schlesien geboren, verstorben am 30.03.1959 in Dakar/Westafrika, war Chef und Gründer der nach ihm benannten Firma F. J. Schoeps & Co. GmbH in Mannheim-Friedrichsfeld. Die am 01.04.1938 gegründete Firma für Gummiprodukte aller Art – z. B. Feuerwehr- und Weinschläuche, Hosenträger, vor allem aber auch kriegsrelevante Produkte – nahm vor allem im Zulieferbereich für die Automobilindustrie nach dem 2. Weltkrieg einen rasanten Aufschwung und beschäftigte in ihrem Stammwerk Friedrichsfeld zeitweise über 2.500 Personen. Nach der Rezession 1967/68 wurde die Schoeps GmbH im Februar 1969 von der zur Kaus-Gruppe gehörenden Metzeler AG mehrheitlich übernommen, die ihrerseits 1986 an den italienischen Reifenkonzern Pirelli ging. Im Juli 1992 kam das Metzeler-Werk mit seinen knapp 1.000 Beschäftigten an die britische Unternehmensgruppe BTR.

Die Schoeps-Stiftung basiert auf einer umfangreichen testamentarischen Verfügung von Fred Joachim Schoeps aus dem Jahre 1955, worin sie als Alleinerbin seines gesamten Nachlasses vorgesehen war. Der ursprüngliche Satzungsentwurf zur Errichtung der F. J. Schoeps-Stiftung sah vor, dass sie ihrem gemeinnützigen Zweck insoweit nachkam, als sie Zuwendungen an bedürftige Arbeitnehmer der Firma oder deren Angehörige leisten sollte. Da jedoch der Kreis der Begünstigten somit sehr eng definiert erschien und in vielen weiteren Einzelpunkten Rechtsprobleme auftauchten, um als Landesstiftung Anerkennung zu finden, konnten erst mit dem 5. Satzungsentwurf endgültige Regelungen und Bestimmungen getroffen werden. Demnach musste die Stiftung ihre ihr Jahr für Jahr zufließenden Mittel ausschließlich und unmittelbar zu folgenden mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken verwenden:

• Errichtung und Führung von Kindergärten, wenn sie in besonderem Maße Kindern bedürftiger oder minderbemittelter Eltern dienen
• Förderung der allgemeinen Jugendpflege
• Förderung von im besonderen Maße bedürftigen Studenten
• Errichtung und Führung von Altersheimen, wenn sie in besonderem Maße bedürftigen und minderbemittelten Personen dienen und
• Für ähnliche gemeinnützige und mildtätige Zwecke.

Am 18.01.1961 erteilte das Regierungspräsidium Nordbaden die staatliche Genehmigung zur Errichtung der Stiftung. Im Verwaltungsrat saßen fortan sowohl ein Vertreter der Stadt Mannheim, der vom Oberbürgermeister bestimmt wird, wie ein Vertreter des Landes.

Durch den Tod von F. J. Schoeps war die Firma aber nur zeitweilig im Stiftungsbesitz. Ihr standen nach einer Satzungsänderung ab 1963 10 % des bilanzmäßig ausgewiesenen Reingewinns, mindestens aber 1,5 % des Stammkapitals der Eigengesellschaft an jährlichen Zuwendungen zu. Durch den Verkauf im Jahre 1969 trennte sich die öffentlich-rechtliche Stiftung völlig von ihrer industriellen Beteiligung, ihr verblieb aber ein Vermögensverwaltungskapital. Auch der Stiftungszweck wurde etwas modifiziert:

Die Erträgnisse und Zuflüsse sind für die nachstehenden mildtätigen und gemeinnützigen Zwecke zu verwenden:
• Förderung von Einrichtungen im Bereich von Wissenschaft und Bildung
• Förderung von Kinder- und Jugendheimen und der allgemeinen Jugend- und Gesundheitshilfe
• Förderung von Alters- und Pflegeheimen
• Für ähnliche gemeinnützige und mildtätige Zwecke.

Es kam in den nächsten Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Stiftungsrat der Schoeps-Stiftung einerseits und dem Aktionär der Metzeler-Gruppe Willy Kaus andererseits, die in umfangreichen Prozessen ausgetragen wurden.

2.Geschichte des Bestands

Der hier vorliegende Bestand wurde vom Schriftführer der Schoeps-Stiftung, Herrn Verwaltungsdirektor Werner Elker, am 19.05.1994 ins Stadtarchiv überbracht. Auch die Übergabeliste, die diesem Findmittel zugrunde liegt, stammt von Herrn Elker. Sie wurde lediglich um die Archivsignaturen (=Bestellnr.) erweitert und geringfügig verändert. Die Aktenzeichen des Bestandes basieren auf einen von Herrn Elker für die Stiftung entworfenen Aktenplan, der dem Findmittel beigelegt ist.
Der vorliegende Bestand umfasst 52 Nummern, unbesetzt ist derzeit jedoch die Nr. 34, die bei der Übergabe bereits fehlte. Die Akten sind, mit badischer Heftung versehen, in einem sehr guten Zustand. Der Bestand spiegelt die Anfänge und Aktivitäten der Stiftung, einschließlich der prozessualen Auseinandersetzungen, wider. Er reicht zeitlich bis ins Jahr 1949 zurück. Da die Stiftung öffentlich-rechtlichen Charakter trägt, insbesondere durch die Vertretung der Stadt im Stiftungsrat, eröffnet der Bestand Einblicke in einen ansonsten schwer dokumentierbaren Bereich. Denn die Stiftung ist gleichsam an der Nahtstelle von Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung und sozialer Verantwortung wie Aufgaben angesiedelt; die juristischen wie gesellschaftspolitischen Implikationen sind entsprechend ausgeprägt. Daher können diese Akten der stadtgeschichtlichen Forschung ebenso von Nutzen sein, wie sie allgemein sozial- und wirtschaftspolitische Einblicke gewähren.

3.Benutzungsauflagen

Der Bestand kam als Schenkung an das Stadtarchiv. Demzufolge gibt es keine Benutzungsauflagen von Seiten der Schenker. Davon unberührt, sind die einschlägigen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, d. h. das Landesarchivgesetz von Baden-Württemberg vom 27.07.1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim in der jeweils gültigen Fassung.

Mannheim, im Juli 1994

gez. Dr. Ulrich Nieß
Stadtarchivassessor

Weitere Archivalien/Quellen

StadtA MA: S 1/743 (Fred Joachim Schoeps)
S 2/194 (Schoeps- bzw. Metzeler Werke)

Ergänzungen zur Geschichte der Schoeps-Stiftung im Zuge der Verzeichnung:

Die Ehe der Schoeps blieb kinderlos. Im Bestand findet sich noch der Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute Schoeps aus dem Jahre 1949. Für den Fall, dass Herr Schoeps der erstversterbende Teil wäre, war schon in diesem Entwurf als dessen Erbe eine F. J. Schoeps-Stiftung vorgesehen.
Der frühe Tod der Ehefrau 1954 machte die Neuerrichtung eines Testamentes erforderlich.
F. J. Schoeps hat in seinem Testament vom 04.03.1955 den damaligen Prokuristen der Schoeps-GmbH, Philipp Pfleger, und deren Wirtschaftsprüfer, Dr. Bruno Rappmann, zu seinen Testamentsvollstreckern bestimmt.

Dem konstituierenden Verwaltungsrat der Stiftung gehörten 1961 an:

• Philipp Pfleger als Vorsitzender (Geschäftsführer der Schoeps-GmbH)
• Dr. Bruno Rappmann als stellvertretender Vorsitzender (Wirtschaftsprüfer der GmbH)
• Oberbürgermeister Dr. Hans Reschke als Vertreter der Stadt Mannheim
• Oberingenieur Herbert Fink (Prokurist der GmbH)
• Heinrich Kahle (Betriebsangehöriger der GmbH)

Auf eigenen Wunsch schied Oberbürgermeister Dr. Reschke zum 31.12.1963 aus dem Verwaltungsrat aus. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Nordbaden vom 04.08.1964 wurde Bürgermeister Dr. Martini als dessen Nachfolger als Vertreter der Stadt Mannheim im Verwaltungsrat bestellt.

Durch die Rezession 1967/68, insbesondere in der Automobilindustrie, geriet auch die Schoeps-GmbH als Zulieferbetrieb in die Verlustzone.
In Folge einer Betriebsprüfung des Finanzamts Mannheim für die Jahre 1959 bis 1964 musste die GmbH 1968 innerhalb von vier Wochen eine Steuernachzahlung von ca. 1,8 Millionen DM leisten. Der Geschäftsführer der GmbH und Stiftungsratsvorsitzende Herr Pfleger machte für diese Nachzahlung den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater der GmbH, gleichzeitig stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender, Herrn Dr. Rappmann verantwortlich. Es kam zum Zerwürfnis zwischen den beiden Herren mit der Folge, dass die Tätigkeit des Herrn Dr. Rappmann als Wirtschaftsprüfer der GmbH beendet wurde, dieser dadurch zum 30.09.1968 aus dem Verwaltungsrat der Stiftung ausschied und letztlich im Oktober 1968 auch sein Amt als Mittestamentsvollstrecker niederlegte. Die Nachzahlung konnte zumindest nicht vollständig aus Eigenmitteln der GmbH bestritten werden. Es mussten die stiftungseigenen Grundstücke bzw. Erbbaurechte dinglich belastet werden. Die wirtschaftliche Zukunft der GmbH blieb dennoch ungewiss; die Prognose eher negativ. Damit die Stiftung gesichert blieb, entschloss sich der Stiftungsrat zur Veräußerung der Anteile an der Schoeps-GmbH und des Grundvermögens mehrheitlich an die Metzeler AG der Kaus-Gruppe. Von beiden Verhandlungsseiten wurde auf einen schnellen Abschluss gedrängt.

Eine Eile, die sich für die Stiftung noch sehr nachteilig auswirken sollte, denn die Stiftung wurde durch das Testament von Herrn Schoeps durch das Einbringen des Privatvermögens des Verstorbenen (u. a. Lebensversicherung über 500.000,-- DM), durch Grundbesitz und den GmbH-Anteilen nicht nur begünstigt, sondern in Form von Renten und Legaten auch belastet. Insbesondere das damalige Regierungspräsidium Nordbaden als Genehmigungs- bzw. spätere Aufsichtsbehörde der Stiftung drang darauf, dass die Erfüllung der Legate ausschließlich zu Lasten der GmbH erfolgen sollte. Wohl aus steuerrechtlichen Gründen kam es allerdings nicht zu einer vertraglich bindenden Schuldübertragung von der Stiftung auf die GmbH. Solange zwischen Stiftungsvorsitz und Geschäftsführung der GmbH Personalunion bestand (1961-1969), war dies unproblematisch. Die Legate wurden von der GmbH aus deren Gewinnen bezahlt bzw. erhöhten deren Verluste, ohne dass die Zahlungen der Stiftung wieder in Rechnung gestellt worden wären.
Erst beim Verkauf der GmbH durch die Stiftung an die Metzeler AG 1969 wurde diese Frage wieder akut und durch eine entsprechende Vertragsregelung scheinbar im Sinne der Stiftung gelöst. Diese Regelung erwies sich im Nachhinein jedoch als juristisch nicht „wasserdicht“, und führte dazu, dass die Metzeler AG die Zahlung der Legate einstellte. Nach aufwändigen Prozessen (Dr. Rappmann gegen Stiftung und Stiftung gegen Metzeler AG), die in den ersten beiden Instanzen teilweise der spätere Bürgermeister der Stadt Mannheim Dr. Hans Syren als bevollmächtigter Rechtsanwalt für die Stiftung führte, musste letztlich doch die Stiftung die Legate aus ihrem Vermögen bestreiten.
Die Stiftung sah sich am Ende sogar veranlasst, mit der neuen Eigentümerin der ehemaligen Schoeps-GmbH, der Metzeler Kautschuk AG (eine Tochter der Bayer AG), einen außergerichtlichen Vergleich für die Jahre 1959 bis 1969 abzuschließen, der die Stiftung noch einmal mit 500.000,-- DM belastete.

Mannheim, im Dezember 2014

gez. Thomas Henkel
Classification:01 Testament und Testamentsvollstreckung
02 Errichtung und Verwaltung der Stiftung
03 Haushaltspläne, Rechnungswesen, Rechnungsprüfung
04 Stiftungsvermögen, Zuflüsse, Zuwendungen der Stiftung
05 Schoeps-GmbH
06 Prozesse
Usage notes:Der Bestand kam als Schenkung an das Stadtarchiv. Demzufolge gibt es keine Benutzungsauflagen von Seiten der Schenker. Davon unberührt, sind die einschlägigen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, d. h. das Landesarchivgesetz von Baden-Württemberg vom 27.07.1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 10.07.1992.
Comments:Aus Textverkürzungsgründen wurden folgende Abkürzungen benutzt:

BGH = Bundesgerichtshof
BM = Bürgermeister
bzw. = beziehungsweise
DM = Deutsche Mark
Dr. = Doktor
GmbH = Gesellschaft mit beschränkter Haftung
LG = Landgericht
OB = Oberbürgermeister
OLG = Oberlandesgericht
Prof. = Professor
RA = Rechtsanwalt
u. a. = unter anderem
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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