39.2 Wachschutz und Sonderpolizei (Klassifikation)

Archive plan context


Title:39.2 Wachschutz und Sonderpolizei
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Vorwort

A Polizei im Wiederaufbau nach 1945: Wachschutz und Sonderpolizei in Mannheim

Mit dem Kriegsende 1945 übernahm die Militärregierung der Besatzer die Polizeigewalt. Die westlichen Siegermächte planten die Dezentralisierung des Polizeiapparats. So bildeten die Amerikaner auch in Mannheim eine kommunale Polizei, die mit Polizeipräsident Rudolf Leiber Ende 1945 ihren Leiter erhielt.
„Objekte, für die ein öffentliches Interesse bestand“, wurden zunächst von den Besatzungstruppen und später von den zuständigen Polizeirevieren der uniformierten Schutzpolizei bewacht (bis 14.1.1946). Diese war damit aber personell überfordert, da sie durch die Entnazifizierung nur über wenige Beamte verfügte. Deshalb wurde nach Genehmigung von Oberbürgermeister Josef Braun und der Militärregierung, vertreten durch Captain R. R. Kelley, im Januar 1946 ein Objektschutz mit 20 Mann aufgestellt.

Auf zusätzliche Anregung des amerikanischen Hauptquartiers Frankfurt sollte darauf aufbauend ein Wachschutz (Civil Guard) für gewerbliche Objekte gegründet werden. Man hielt es für notwendig, Deutsche als Wächter in der amerikanischen Zone zu verwenden, um Diebstähle und Vernichtung von Eigentum zu verhindern. Zudem hatten mehrere Firmen und Industrieobjekte bereits um Wachmänner ersucht.
Die Wachleute erhielten hilfspolizeiliche Befugnisse, waren mit einem Gummiknüppel bewaffnet und trugen eine Armbinde mit dem Aufdruck C.G. (Civil Guard). Die Auswahl und Ausbildung übernahmen vorhandene stadt- und landespolizeiliche Einrichtungen (z.B. Polizeischule Mannheim) unter Aufsicht der Militärregierung.
Den Dienst der zivilen Wächter kontrollierten Reviervorsteher und Schichtführer der zuständigen Polizeireviere.
Die Behördenverwaltung wurde tagtäglich mit verschiedensten Schwierigkeiten konfrontiert. Immer wieder ergaben sich Probleme mit Auftraggebern, weil die frühere Bewachung durch die Schutzpolizei unentgeltlich erfolgt war und die Kosten für den neuen zivilen Dienst recht hoch lagen (anfangs 12 RM je Tag und Wachmann). Auch entwickelte sich eine hohe Fluktuation der Wachmänner durch häufige Entlassungen, weil zuerst fast jeder politisch unbelastete Anwärter eingestellt wurde, sich eine Eignung der Person aber erst im Laufe der Tätigkeit zeigte.
Im August 1946 wuchs die Mannschaft auf rund 700 Mann und im Januar 1947 auf 1383 Mann an. Der Wachschutz war für amerikanische Objekte militärischer und privater Natur, sonstige Industrie- und Privatanlagen, sowie für städtische und staatliche Objekte zuständig.
Die Auflösung der Wachabteilung erfolgte am 15. Februar 1947. Das 59. Base Depot übernahm 950 Wachangestellte weiterhin im Angestelltenverhältnis.

Auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung durch Oberst Rue wurde im Mai/Juni 1947 neben der Schutzpolizei eine Sonderpolizei gebildet, welche die Arbeit des Wachschutzes weiterführen sollte. Polizeikommissar Ernst Glunk übernahm nach der Leitung des Wachschutzes auch die der Sonderpolizei.
Dieses Mal legte man bei der Auswahl des Personals, auch bei den übernommenen Wachmännern, höhere Maßstäbe an. Das Alter der Anwärter sollte zwischen 18 und 40 (max. 55) Jahren liegen, politische und moralische Nichtbelastung sollten gewährleistet sein.
Die Sonderpolizisten gehörten weiterhin zur Abt. VIII der Stadtverwaltung und waren in Gruppe A und B nach verschiedenen Lohngruppen aufgeteilt.
Eine Schulung vermittelte eine kurze Ausbildung in Wachdienst und Waffengebrauch. Die Sonderpolizisten trugen eine schwarze Uniform mit der Bezeichnung Sonderpolizei Mannheim (Special Police) und einen Gummiknüppel. Zudem waren sie mit einem U.S. Karabiner 30 bewaffnet. Die polizeilichen Befugnisse galten aber wie schon beim Wachschutz nur innerhalb des jeweiligen Wachbezirks.



Die Anzahl der Bewachungsobjekte verringerte sich ab Anfang 1948 deutlich. Dadurch wurde auch die Zahl der Sonderpolizisten nach und nach gesenkt (am 1.12.1948 noch 231 Sonderpolizisten für 31 Objekte). Ein Teil der Wachmänner konnte in den Dienst der Schutzpolizei übernommen werden.
Die Auflösung der Sonderpolizei erfolgte schließlich 1952.


B Bestandsgeschichte und -beschreibung


Der Bestand des Wachschutzes bzw. der Sonderpolizei (Zugangsnummer 36/2003) lagerte zusammen mit den Akten des SHD (Sicherheits- und Hilfsdienst) aus der Kriegszeit (Zugangsnummer 15/2000) im Keller des Polizeipräsidiums Mannheim in L 6. Nach der Wiederentdeckung und einem Anruf konnte das Stadtarchiv am 23.Mai 2000 beide Bestände übernehmen.

Es handelt sich bei dem vorliegenden Bestand (36/2003) um 2074 Personalakten des Wachdienstes bzw. der Sonderpolizei von Mannheim.
Die Kernlaufzeit des größten Teils der Unterlagen reicht von 1946-1950, in Einzelfällen von 1939-1983.

Der Aufbau der Personalakten ist beim Wachdienst einfacher gestaltet als bei der Sonderpolizei. Beim Wachdienst findet sich meist ein Einstellungsbogen, die Zuweisungskarte des Arbeitsamts, eine Erklärung über Richtigkeit der Angaben im Fragebogen (131 Fragen) der amerikanischen Militärregierung, Personalfragebogen und Standesliste (Passfoto, Angaben über Eltern, Ehefrau, Kinder, beruflicher Werdegang und Lebenslauf), der Nachweis einer Schulung der Polizeischule, die Auskunft aus dem Strafregister, der Entlassungsvorgang, die Ausweiskarte der Wachabteilung (grün ohne Bild) und gegebenenfalls Meldungen.

Die Personalakte der Sonderpolizei beginnt im besten Falle mit einem Inhaltsverzeichnis und ist in der Regel in drei Teile A) Feststehender Akt (alle die Einstellung betreffenden Dokumente) B) Beweglicher Akt (Dokumente, die Urlaub, Krankheit, Versetzung und Bestrafung betreffen) und C) Entlassungsvorgang aufgeteilt.
Hier finden sich zusätzlich zu den beim Wachschutz genannten Unterlagen ein Entnazifizierungsbescheid, die Erklärung, über Befugnisse und US Karabiner 30 unterrichtet worden zu sein, der Diensteid, die Empfangsbescheinigung des Dienstausweises und des Öfteren auch eine Eingangsprüfung (Diktat, ein kleiner Aufsatz und Rechenaufgaben). Dann folgt ein Formular mit den Aussagen von drei Leumundszeugen, die kurze Angaben zum Auftreten und Charakter des Antragstellers machen. Schließlich finden sich der Dienstausweis (grün mit Bild) und der Entlassungsvorgang. Gegebenenfalls sind noch Urlaubszettel, Krankmeldungen und andere Meldungen enthalten.

Der Bestand veranschaulicht im Kleinen den Versuch einer Neuordnung und Neustrukturierung eines Landes, das nach völligem Zusammenbruch durch Neues und Altbewährtes eine neue Linie sucht. Er vermittelt neben dem bürokratischen Ablauf der Wachtätigkeit auch verschiedene sozialgeschichtliche Aspekte. Das Gros der Männer war im mittleren Alter. Auffällig ist aber die Häufung von sehr jungen Bewerbern. Die Personalbögen mit den darin enthaltenen Daten und Lebensläufen spiegeln die berufliche Entwicklung und Entwurzelung der Männer wieder. Die häufigen Meldungen, auf die eine Entlassung folgt, weisen auf die Schwierigkeit der Menschen hin, sich der strengen Disziplin und den Ansprüchen der Behörde unterzuordnen, während sie selbst in einer kräftezehrenden Lebenssituation steckten. Das untermauert auch die recht große Anzahl kleinerer Diebstähle.




C Ordnung und Verzeichnung

Die Verzeichnung erfolgte nach den Richtlinien des Stadtarchivs Mannheim. Die Akten waren in Ordnern in alphabetischer Reihenfolge aufbewahrt worden und wurden in ihrer existierenden Gliederung so übernommen. Dabei ist zu bemerken, dass die alphabetische Ordnung verschiedentlich nicht durchgehend ist. Es finden sich immer wieder Ausnahmen. Es folgt z.B. nach Beyer der Name Beez.
Die einzelnen Personalakten blieben wie vorgefunden in Sammelakten formiert. Zur weitergehenden Erschließung wurden die einzelnen Personen im Enthält-Vermerk aufgelistet. Daraufhin folgt der erlernte Beruf und in Klammern gegebenenfalls die Bezeichnung (SP) für die Personen, die zusätzlich oder ausschließlich der Sonderpolizei angehörten.
Die Bezeichnung Arbeiter wurde immer dann verwendet, wenn offensichtlich keine Berufsausbildung abgeschlossen wurde.
Zur zusätzlichen Information wurden im Darin-Vermerk diejenigen Entlassungen erwähnt, die auf konkrete Meldungen zurückzuführen sind, z.B. wegen Diebstahl oder Unzuverlässigkeit. Entlassungen, deren Grund nicht weiter ausführt bzw. nur auf Anordnung der Militärregierung oder aus gesundheitlichen Gründen erfolgten, fanden keine Beachtung. Dienstleistungszeugnisse sind selten und wurden daher ebenfalls aufgeführt.

Die Verzeichnung des Bestandes wurde im Winter und Frühjahr 2003/2004 von Frau Karen Strobel, M.A. unter Anleitung von Stadtoberarchivrat Dr. Harald Stockert durchgeführt.


D Benutzung

Hinsichtlich der Benutzung gelten die Bestimmungen des Landesarchivgesetzes Baden-Württemberg vom 27. Juli 1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 30. Juni 1992 in der Fassung vom 1. Januar 2003.
Einzelne Akten unterliegen noch der Personenschutzfrist, die Akten sind also bis 10 Jahre nach Tod bzw. 90 Jahre nach Geburt gesperrt. Angesichts des vereinzelten Auftretens von gesperrten Akten (die am längsten laufende Sperrfrist geht bis 2020) muss die einzelne Archiveinheit vor Freigabe zur Benutzung dahingehend geprüft werden, ob sie ohne Auflagen vorgelegt werden kann. So ist eine Nutzung des anderen, nicht gesperrten, Teils der Akte in der Regel möglich.


Weiterführende Literatur zur Polizei nach 1945:


Polizeipräsidium Mannheim (Hrsg.). 50 Jahre Polizeipräsidium Mannheim 1932-1982.
Mannheim, 1982.

Groh, Christian. Kommunale Polizei im Wiederaufbau. Sozialgeschichte der Pforzheimer und Heilbronner Polizei von 1945 bis 1959. Quellen und Studien zur Geschichte der Stadt Pforzheim, Band 4. Heidelberg, 2003.

Hamacher, Hans – Werner (Hrsg.). Polizei 1945 – ein neuer Anfang. Zeitzeugen
erinnern sich. Hilden/ Rhld, 1986.


Mannheim, im Juni 2004

Karen Strobel

Dr. Harald Stockert
 

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Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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