AV0329-06 "Das kann man nicht vergessen, aber niemand erinnert sich daran." - Ein Film von Mannheimer und Warschauer Jugendlichen über ehemalige polnische KZ-Häftlinge in Deutschland: Interview Jerzy Wojciewski, 2011 (Audiovisuelle Sammlung)

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Title:"Das kann man nicht vergessen, aber niemand erinnert sich daran." - Ein Film von Mannheimer und Warschauer Jugendlichen über ehemalige polnische KZ-Häftlinge in Deutschland: Interview Jerzy Wojciewski
Ref. code:AV0329-06
Ref. code AP:AV0329-06
Originalmedium:nur digital
Datumsbemerkung:Juni 2011
Creation date(s):2011
Rechte:KZ-Gedenkstätte Sandhofen e.V.
Inhalt_AV:00:03:57:17 00:04:01:22 Ich heiße Jerzy Wojciewski,
00:04:03:06 00:04:14:21 und wurde am 29. Oktober 1926 in Warszawa geboren.
00:04:16:13 00:04:19:22 Ich werde in diesem Jahr 85 Jahre alt.
00:04:50:24 00:05:02:09 Frage: Sie waren als Häftling in Sandhofen. Wie sah dort der Alltag aus?
00:05:02:09 00:05:08:13 In Sandhofen haben wir nur gewohnt,
00:05:08:13 00:05:13:24 aber zu der 6 km entfernten Daimler-Fabrik sind wir jeden Tag zu Fuß gelaufen.
00:05:13:24 00:05:22:24 Jeden Tag um 6:00 Uhr marschierten wir los und legten diese 6 km zu Fuß zurück.
00:05:43:07 00:05:46:18 Die Arbeit dauerte 12 Stunden.
00:05:49:11 00:05:55:22 Am Abend kehrten wir ebenfalls zu Fuß zu dem Lager,
00:05:55:22 00:06:02:13 d.h. in die Schule nach Sandhofen, zurück.
00:06:13:24 00:06:19:04 Wir waren insgesamt 1060 Häftlinge.
00:06:44:20 00:06:51:17 Frage: Wie sind Sie nach Sandhofen gekommen?
00:06:51:17 00:06:59:12 Das war so: Ich war als Partisan im „Kampinoski-Urwald“.
00:06:59:12 00:07:05:03 Im Jahre 1943 trat ich der Untergrundorganisation bei.
00:07:05:03 00:07:08:03 Vor dem Aufstand in Warszawa, im Juli,
00:07:08:03 00:07:14:03 sind wir im „Kampinoski-Urwald“ bei den Partisanen gelandet.
00:07:16:02 00:07:20:02 Dort nahm ich an einigen militärischen Aktionen teil,
00:07:20:02 00:07:25:09 unter anderem an der bewaffneten Aktion auf dem Flughafen in Bielany,
00:07:26:05 00:07:29:13 später an den Aktionen in Wólka Węglowa,
00:07:29:13 00:07:38:17 und im Dorf Truskawka, sowie bei den Bunkern in Leonciny.
00:07:38:17 00:07:45:17 Spreche ich auch nicht zu laut oder zu schnell?
00:08:22:14 00:08:35:07 Als die Engländer und Amerikaner für uns Waffen aus Flugzeugen abgeworfen hatten,
00:08:35:07 00:08:38:03 hat man mich einer Kompanie zugeteilt,
00:08:38:03 00:08:44:03 die die Waffen zu den Kämpfenden nach Żoliborz schmuggeln sollte.
00:09:05:05 00:09:08:05 Nachdem wir die Waffen abgeliefert hatten,
00:09:08:05 00:09:14:21 musste jeder von uns die Rückkehr in unseren Urwald auf eigene Faust vornehmen.
00:09:24:07 00:09:27:21 Als ich in der Nacht von Żoliborz zurückkehrte,
00:09:27:21 00:09:41:15 wurde ich im Dorf Radiowo von einer ukrainischen Patrouille,
00:09:41:15 00:09:45:21 den sogenannten „Własowcy“ festgenommen.
00:10:04:18 00:10:13:11 Sie haben mich zu einer Kirche nach Wola gebracht;
00:10:13:11 00:10:19:01 ich glaube, dass es sich dabei um die Kirche des Heiligen Wojciech gehandelt hat.
00:10:19:01 00:10:26:23 Dort wurde ich vom Sonderdienst der Polizei vernommen und einer Gruppe zugeteilt,
00:10:26:23 00:10:30:20 die nach Pruszków geschickt wurde.
00:10:52:06 00:10:56:10 In Pruszków gab es eine Selektion,
00:10:56:10 00:11:02:07 und 3600 Häftlinge, ausschließlich Männer,
00:11:02:07 00:11:07:10 wurden in einen Zug gesetzt, je 60 Mann in einen Waggon;
00:11:07:10 00:11:10:12 das waren Viehwaggons.
00:11:10:19 00:11:16:09 Von dort sind wir nach Deutschland in eine unbekannte Richtung losgefahren.
00:11:59:02 00:12:03:10 Wir sind in Deutschland angekommen, und es stellte sich heraus,
00:12:03:10 00:12:08:15 dass man uns in das Konzentrationslager Dachau brachte.
00:12:08:15 00:12:13:05 Das war, glaube ich, der 7. September.
00:12:28:03 00:12:33:09 In Dachau hat man uns zwecks Registrierung in eine Reihe gestellt.
00:12:33:09 00:12:37:05 Jeder Person wurde dann der Name weggenommen,
00:12:37:05 00:12:40:04 und man bekam eine Nummer.
00:12:52:16 00:12:59:05 Ich erhielt in Dachau die Nummer 105908.
00:13:04:00 00:13:08:12 Nachdem man uns die Nummern gegeben hatte, sagte man uns:
00:13:08:12 00:13:13:11 „Ab heute seid ihr keine Menschen mehr, sondern Nummern“.
00:13:21:04 00:13:24:18 Und eine Nummer kann man jederzeit durchstreichen.
00:13:35:13 00:13:38:22 Aus diesem Lager gab es nur einen Ausgang:
00:13:42:14 00:13:45:08 Durch den Schornstein.
00:13:56:17 00:13:59:15 Nach zwei Wochen Quarantäne,
00:13:59:24 00:14:09:06 – ich saß damals im Block 17 –
00:14:10:09 00:14:17:21 ist eine Delegation von Daimler Benz aus Mannheim gekommen.
00:14:21:07 00:14:25:20 Während der Selektion hatte man die Leistungsfähigsten für die Arbeit
00:14:25:20 00:14:34:17 im Kommando der Kraftfahrzeugwerke Daimler Benz in Mannheim ausgewählt.
00:14:35:04 00:14:38:19 Es waren 1060 Mann von den Häftlingen,
00:14:38:19 00:14:43:00 die die beste Kondition hatten,
00:14:43:00 00:14:51:15 und die in den Zug kamen und nach Mannheim in die Schule in Sandhofen gebracht wurden.
00:14:51:15 00:14:54:14 In der Schule sollten wir wohnen,
00:14:54:14 00:15:01:07 und die Schule wurde für uns in ein Konzentrationslager umfunktioniert.
00:15:42:23 00:15:49:14 In der Fabrik wurden wir verschiedenen Arbeitsbereichen zugeteilt,
00:15:49:14 00:15:54:03 und wir haben Fahrzeuge zusammengebaut.
00:15:54:18 00:15:57:03 Es waren Lastwagen.
00:16:06:08 00:16:12:03 Dort haben wir bis Heiligabend gearbeitet.
00:16:12:03 00:16:21:08 An Heiligabend wurde die Fabrik von den Flugzeugen der Alliierten bombardiert.
00:16:32:03 00:16:36:09 Danach wurden wir alle in einen Bunker gebracht,
00:16:36:09 00:16:40:23 und später verschiedenen Arbeitskommandos zugeteilt.
00:16:40:23 00:16:46:23 Ich landete in einem Steinbruch in Unterriexingen.
00:17:00:17 00:17:10:07 Dort in diesem Steinbruch arbeitete ich ab Ende Dezember,
00:17:10:07 00:17:14:22 dann im Januar und Februar bei frostigen Temperaturen von –32 Grad.
00:17:14:22 00:17:19:09 Damals sind mir meine Hände, Füße und Ohren erfroren.
00:17:29:17 00:17:33:11 Eben dort wurde ich auch zum ersten Mal bestraft,
00:17:33:11 00:17:36:20 und bekam 40 Stockschläge dafür,
00:17:39:02 00:17:44:02 dass ich 4 Kartoffeln gestohlen hatte.
00:17:45:17 00:17:50:01 Ich musste sogar die mir verpassten Schläge mitzählen,
00:17:50:01 00:17:53:03 und wenn ich mich verzählt hätte,hätte man von vorne angefangen.
00:17:53:03 00:17:58:13 Jeden Schlag musste ich auf Deutsch laut mitzählen.
00:18:18:12 00:18:22:16 Dort erkrankte ich und bekam die Ruhr (Dysenterie),
00:18:22:16 00:18:28:09 auf Deutsch Durchfall.
00:18:36:13 00:18:45:10 Im Lager in Unterriexingen haben die Juden das Sagen gehabt.
00:18:55:24 00:19:08:12 Als ich erkrankte, wurde ich in das Lazarett im Lager Vaihingen transportiert.
00:19:15:15 00:19:17:17 Dort konnte ich genesen,
00:19:17:17 00:19:22:21 indem ich die verkohlten Stellen aus verbrannten Holzbrettern aß.
00:19:22:21 00:19:25:00 Als ich wieder gesund war,
00:19:25:00 00:19:27:16 hat man mich dem sog. Totenkommando zugeteilt.
00:19:27:16 00:19:31:18 Ich habe Leichen auf Tragbahren hinausgetragen und in die Gruben,
00:19:31:18 00:19:35:15 die von Bulldozern ausgegraben wurden, geworfen.
00:20:01:12 00:20:05:11 Dort steckte ich mich mit Flecktyphus an.
00:20:15:09 00:20:17:21 Man hat mich isoliert,
00:20:17:21 00:20:23:09 indem man mich in einer Sonderbaracke für Typhuskranke untergebracht hat.
00:20:24:15 00:20:27:15 Obwohl ich 40 Grad Fieber hatte,
00:20:27:15 00:20:33:20 konnte ich dies irgendwie durchstehen und die Krankheit überwinden.
00:20:33:20 00:20:42:17 Am 7. April wurde ich von der französischen Armee befreit.
00:21:05:23 00:21:11:19 Während der 8 Monate, die ich in verschiedenen Lagern,
00:21:11:19 00:21:13:22 genauer gesagt in 4 Lagern, verbracht habe,
00:21:13:22 00:21:17:02 erhielt ich insgesamt 110 Stockschläge.
00:21:26:11 00:21:35:15 Zum Zeitpunkt der Befreiung durch die französische Armee wog ich 29 kg.
00:21:44:01 00:21:50:08 Die Franzosen haben die Deutschen aus dem Dorf Neuenbürg ausgesiedelt,
00:21:50:08 00:21:54:11 und die Typhuskranken dort unter Quarantäne gestellt.
00:21:54:11 00:22:00:02 Wir wurden von afrikanischen Militäreinheiten bewacht
00:22:00:17 00:22:03:11 – na, wie sagt man das –
00:22:05:11 00:22:10:09 von Algeriern, die streng darüber gewacht haben,
00:22:10:09 00:22:14:01 dass wir nicht hinausgehen und das Lager verlassen.
00:22:14:01 00:22:17:03 An Ort und Stelle bekamen wir Spritzen, entsprechende Ernährung,
00:22:17:03 00:22:25:16 und 3 Monate lang kurierten wir uns aus.
00:22:25:16 00:22:31:21 Wir lebten ein anderes Leben, ein freies Leben.
00:23:01:23 00:23:07:10 Jetzt weiß ich, das waren Marokkaner, die auf uns aufgepasst haben.
00:23:37:20 00:23:41:21 Frage: Wie waren Ihre Kontakte zu den anderen Häftlingen?
00:23:41:21 00:23:45:08 Wir trafen uns von Zeit zu Zeit.
00:23:45:08 00:23:48:13 Als ich aber nach Vaihingen kam,
00:23:48:13 00:23:51:24 wurde ich dem Lager in Netzweiler zugeteilt,
00:23:51:24 00:23:55:03 und erhielt eine andere Nummer.
00:24:12:06 00:24:17:02 Diese lautete 30274.
00:24:21:24 00:24:26:03 In dieser Baracke, in der ich nach der Aufteilung gelandet bin,
00:24:26:03 00:24:31:11 kam der Stubenälteste aus Auschwitz.
00:24:31:11 00:24:35:20 Da er auf seinem Arm eine tätowierte Nummer hatte,
00:24:35:20 00:24:38:00 und bei uns dies nicht der Fall war,
00:24:38:00 00:24:44:00 ließ er bei uns aus Rache ebenfalls die Nummern eintätowieren.
00:25:10:08 00:25:13:20 Mit den Mithäftlingen sah es so aus,
00:25:13:20 00:25:18:17 dass in Vaihingen Häftlinge aus ganz Europa saßen.
00:25:18:17 00:25:22:02 Es gab dort Griechen, Italiener, Ungarn,
00:25:22:02 00:25:24:15 und Juden, meistens sogar Juden.
00:25:24:15 00:25:27:04 Die Juden haben dort das Sagen gehabt.
00:25:27:04 00:25:33:01 Praktisch gesehen sollte das Lager liquidiert werden.
00:25:33:01 00:25:38:17 Um das Lager herum gab es Berge und Bergbaustollen,
00:25:38:17 00:25:41:15 in denen die Deutschen irgendetwas,
00:25:41:15 00:25:43:17 weiß ich nicht genau was, produzierten,
00:25:43:17 00:25:47:03 und sie wollten alle Häftlinge hinbringen,
00:25:47:03 00:25:51:17 die Stollen zumauern und in die Luft jagen.
00:25:53:07 00:25:56:15 Das haben sie leider nicht geschafft.
00:26:41:22 00:26:49:03 Nach drei Monaten wurden wir in den amerikanischen Sektor gebracht,
00:26:49:03 00:26:53:19 und dort haben wir auf den Transport nach Polen gewartet.
00:26:53:19 00:26:57:02 Wer wollte, der konnte nach Polen fahren,
00:26:57:02 00:27:04:14 und wer nicht wollte, konnte in die Staaten oder nach Kanada oder Australien reisen.
00:27:04:14 00:27:07:10 Es gab Rekrutierungen und man hat mir vorgeschlagen,
00:27:07:10 00:27:09:18 in die Vereinigten Staaten auszureisen,
00:27:09:18 00:27:12:18 weil ich einem Juden das Leben gerettet hatte,
00:27:12:18 00:27:15:04 und er wollte mich eben in die Vereinigten Staaten mitnehmen.
00:27:15:04 00:27:17:24 Ich hatte sogar ein Flugticket,
00:27:17:24 00:27:20:08 aber meine Kollegen haben mich überredet,
00:27:20:08 00:27:22:14 nach Polen zurückzukehren,
00:27:22:14 00:27:24:14 weil – wie sie sagten –
00:27:24:14 00:27:26:20 es hier in Deutschland keine Spatzen gäbe,
00:27:26:20 00:27:28:24 und die gibt es in Polen,
00:27:28:24 00:27:32:13 so dass wir zurückgehen sollten.
00:27:32:13 00:27:35:09 Wir haben nicht auf den Transport gewartet,
00:27:35:09 00:27:42:03 der immer von den Amerikanern organisiert wurde,
00:27:42:03 00:27:46:08 die einen unter Eskorte nach Hause, nach Polen, brachten.
00:27:46:08 00:27:48:22 Wir haben uns auf eigene Faust auf den Weg gemacht,
00:27:48:22 00:27:52:16 und sind bei Cottbus auf die Russen getroffen,
00:27:52:16 00:28:00:06 die uns alles, was nur ging, gestohlen haben.
00:28:00:06 00:28:04:01 Sie haben uns sogar die Ledergürtel aus unseren Hosen abgenommen.
00:29:30:10 00:29:32:21 Bitte, stellen Sie weitere Fragen.
00:29:33:15 00:29:43:20 Frage: Hat man sich jemals für das, was geschah, bei Ihnen entschuldigt?
00:29:50:03 00:29:55:09 Ob sich jemand entschuldigt hat? Eher nicht.
00:29:57:20 00:30:01:06 Frage: Wie sah Ihr Leben nach dem Krieg aus?
00:30:01:06 00:30:05:06 Als ich nach Polen zurückkehrte,
00:30:05:06 00:30:10:14 konnte ich nicht sofort eine Arbeit finden.
00:30:10:14 00:30:14:23 Zuerst habe ich als Küchenhilfe gearbeitet.
00:30:14:23 00:30:21:02 Das Restaurant hieß „Pod Wukietem“.
00:30:22:08 00:30:25:18 Ich habe dort Teller, Töpfe etc. gespült.
00:30:25:18 00:30:30:06 Danach habe ich eine Arbeitsstelle in der staatlichen Wertpapier-Druckerei bekommen,
00:30:30:06 00:30:35:19 da ich von Beruf Schriftsetzer bzw. Drucker bin.
00:31:21:14 00:31:25:14 Danach lief alles normal.
00:31:25:14 00:31:31:09 Nachdem ich meine Arbeit bei einer staatlichen Institution aufgenommen hatte,
00:31:31:09 00:31:34:00 habe ich dort 6 Jahre gearbeitet.
00:31:34:00 00:31:36:00 Danach hat man mich entlassen,
00:31:36:00 00:31:41:05 weil ich doch Mitglied der Heimatarmee, der sog. AK war.
00:31:41:05 00:31:43:07 Das war der Grund,
00:31:43:07 00:31:48:10 warum mich der polnische Sicherheitsdienst jahrelang verfolgt hat.
00:31:48:10 00:31:52:20 Das war das schwere Los derjenigen,
00:31:52:20 00:31:57:14 die während der Besatzungszeit der Heimatarmee angehörten.
00:32:30:00 00:32:41:15 Frage: Wie haben Sie Ihr Leben privat gestaltet, wenn ich fragen darf?
00:32:41:15 00:32:45:19 Ich habe in mehreren Firmen gearbeitet;
00:32:45:19 00:32:47:07 nachdem ich entlassen wurde,
00:32:47:07 00:32:53:21 habe ich als Zeichner in einer Feuerlöscherfabrik gearbeitet,
00:32:53:21 00:33:05:12 und danach, da ich bereits 28 Jahre alt war, habe ich geheiratet.
00:33:19:16 00:33:24:16 Ich hatte zwei Söhne,
00:33:25:17 00:33:33:07 die vor 16 Jahren ums Leben gekommen sind.
00:33:33:07 00:33:36:21 Das ist eine tragische Geschichte.
00:33:43:05 00:33:49:06 Jetzt habe ich nur 4 prächtige Enkel,
00:33:55:20 00:34:01:20 und bin schließlich in einem Alter,
00:34:01:20 00:34:04:10 das ich „Musterungsalter“ nenne,
00:34:04:10 00:34:15:13 weil ich und die anderen darauf warten, bis der da oben…
00:34:18:19 00:34:23:16 Ich bin jedoch in drei Verbänden aktiv,
00:34:23:16 00:34:26:21 unter anderem in der Häftlingsvereinigung der Dachauer,
00:34:26:21 00:34:31:19 trage die Standarte, und helfe so gut ich kann,
00:34:31:19 00:34:39:05 weil wir hier wie eine Familie sind und zusammenhalten.
00:34:39:15 00:34:45:12 Außerdem bin ich in der Vereinigung der ehemaligen Soldaten der Heimatarmee tätig,
00:34:45:12 00:34:48:21 wo ich auch die Standarte trage.
00:34:48:21 00:34:52:01 Solange die Gesundheit es erlaubt,
00:34:52:01 00:34:57:05 tue ich überall, was ich tun kann.
00:34:57:05 00:35:00:18 Ich kann, wie man das so sagt,
00:35:00:18 00:35:04:08 die Einsamkeit nicht leiden.
00:35:07:03 00:35:10:11 Meine Frau ist vor 10 Jahren verstorben,
00:35:10:11 00:35:16:05 so dass ich jetzt, wie man das so sagt, Witwer bin.
00:35:16:24 00:35:22:09 Ich wohne mit meinen zwei Enkeln und meiner Schwiegertochter
00:35:22:09 00:35:26:11 in einer nicht besonders großen Wohnung, die 48 m² hat.
00:35:26:11 00:35:32:24 Aber wir kommen gut miteinander aus und klagen nicht übereinander.
00:35:36:16 00:35:42:12 Gibt es noch Fragen? Bitte schön.
00:35:42:12 00:35:47:05 Frage: Haben Sie irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden seit dem Aufenthalt in den Lagern?
00:35:47:05 00:35:51:12 Seit dem Aufenthalt im Lager habe ich nichts Außergewöhnliches zu beklagen.
00:35:51:12 00:35:53:13 Nur, dass ich jetzt
00:35:53:13 00:35:55:14 – wie man so etwas in meinem Alter hat –
00:35:55:14 00:35:57:20 Schwierigkeiten mit meinen Knien habe,
00:35:57:20 00:36:02:15 ich leider öfters unter Schmerzen in meinen Knien.
00:36:02:15 00:36:06:02 Außerdem leide ich an einer Netzhaut-degeneration und sehe deswegen sehr schlecht.
00:36:06:02 00:36:10:18 Ich kann Sie z.B. mit dem rechten Auge gar nicht sehen,
00:36:10:18 00:36:18:15 und mit dem linken Auge sind die Leute dort drüben für mich nur Nebel.
00:36:25:18 00:36:30:04 Ansonsten beklage ich mich nicht wegen anderer Krankheiten;
00:36:30:04 00:36:34:10 nur diese zwei Sachen quälen mich am meisten,
00:36:34:10 00:36:38:03 d.h. mein Sehvermögen und die Knie.
00:36:38:03 00:36:40:14 Ansonsten fühle ich mich, wie man so sagt,
00:36:40:14 00:36:47:18 recht gesund und versuche überall im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen,
00:36:47:18 00:36:57:15 meinen Freunden in verschiedenen Angelegenheiten zu helfen etc.
00:38:36:23 00:38:40:15 Ich fahre sehr oft nach Deutschland.
00:38:43:14 00:38:48:11 Wir haben sehr viele Freunde in Deutschland,
00:38:48:11 00:38:53:17 unter anderem Herrn Dr. Koppenhöfer,
00:38:53:17 00:39:00:02 bei den „Zeichen der Hoffnung“ (Znaki Nadziei) Herrn Peter Galaske,
00:39:00:02 00:39:15:11 die Dame, die sich bei den Kuren um uns kümmert, Frau Szewczyk.
00:39:16:05 00:39:21:11 Wir haben im Allgemeinen sehr viele Bekannte und sehr viele Freunde.
00:39:21:11 00:39:34:11 Und auch hier sitzt eben unsere Freundin.
00:39:50:11 00:39:56:07 Ach ja, sie heißt Daria Krawczyk.
00:39:59:18 00:40:03:05 Sie kümmert sich rührend um uns.
00:40:03:05 00:40:14:06 Wir sind echt, ich meine wir leben wie eine Familie mit diesen Deutschen, die uns im Augenblick…
00:40:14:06 00:40:17:11 Wir fahren oft irgendwohin,
00:40:17:11 00:40:22:02 um Vorträge in Schulen zu halten,
00:40:22:02 00:40:26:14 wir erzählen dort über die Konzentrationslager etc.
00:40:26:14 00:40:30:19 Sehr viele junge Leute hören uns zu.
00:40:30:19 00:40:35:04 Wir waren jetzt z.B. in Mannheim,
00:40:35:04 00:40:45:12 wo uns mehr als 100 junge Leute beim Erzählen unserer Geschichten zugehört haben.
00:40:54:08 00:41:00:17 Während unserer Kuraufenthalte besuchen wir fast jeden Tag Schulen,
00:41:00:17 00:41:05:04 um dort Vorträge über die Konzentrationslager zu halten.
00:41:05:04 00:41:08:20 Viele Jugendliche hören uns zu,
00:41:08:20 00:41:15:06 und sie sind wirklich begeistert, wie man das so sagt,
00:41:15:06 00:41:22:15 und wir sind sehr gern gesehene Gäste und erhalten bescheidene Geschenke.
00:41:22:15 00:41:28:16 Wir leben zusammen wirklich wie in einer Familie.
00:41:28:16 00:41:38:11 Es ist auf jeden Fall so, dass wir früher mal danach gefragt wurden, ob wir vergeben hätten.
00:41:42:00 00:41:44:19 Vergeben… das geht nicht,
00:41:44:19 00:41:51:12 d.h. vergessen kann man nicht, aber vergeben sollte man.
00:41:52:22 00:41:57:10 Aber es zu vergessen geht nicht.
00:42:50:01 00:42:52:20 Ich möchte noch etwas hinzufügen.
00:42:53:15 00:42:56:23 Was uns am meisten enttäuscht ist,
00:42:56:23 00:42:59:23 wenn wir während unserer Aufenthalte in Deutschland,
00:42:59:23 00:43:01:23 und bei unseren Vorträgen feststellen müssen,
00:43:01:23 00:43:06:24 dass die Deutschen gar nicht wissen,
00:43:06:24 00:43:11:06 dass es in Warszawa einen Aufstand gegeben hat.
00:43:11:06 00:43:13:14 Sie wissen nur, dass es einen jüdischen Aufstand gab.
00:43:13:14 00:43:17:09 Sie halten uns für Juden und glauben, dass wir im Getto waren.
00:43:17:09 00:43:24:06 Es steht überall in den Zeitungen und die Journalisten schreiben auch,
00:43:24:06 00:43:27:12 dass wir am Aufstand im Getto teilgenommen haben etc.
00:43:27:12 00:43:33:08 Aber dass es in Warszawa einen Aufstand gegeben hat, der 63 Tage dauerte,
00:43:33:08 00:43:38:05 wobei der jüdische Aufstand nur wenige Tage gedauert hat, sagen wir 3 oder 4 Tage…
00:43:38:05 00:43:40:09 man spricht jedoch nur darüber.
00:43:40:09 00:43:43:22 Über den polnischen Aufstand in Warszawa spricht man nicht.
00:43:43:22 00:43:46:08 Die Deutschen wissen darüber nicht Bescheid.
00:43:46:08 00:43:51:14 Wir sind, ehrlich gesagt, aus diesem Grunde sehr enttäuscht.
00:43:51:14 00:43:59:09 Als ich das letzte Mal im Schwarzwald bei einem Treffen war,
00:43:59:09 00:44:06:05 und die Journalisten mich befragt haben und ich erzählte,
00:44:06:05 00:44:10:00 dass ich in dem Aufstand in Warszawa gekämpft habe,
00:44:10:00 00:44:13:21 da habe ich am nächsten Tag in der Zeitung gelesen,
00:44:13:21 00:44:18:22 dass ich ein Jude sei und dass ich an dem jüdischen Aufstand im Getto teilgenommen hätte.
00:44:18:22 00:44:20:16 Das hat mich bitter enttäuscht und ich habe gesagt,
00:44:20:16 00:44:26:12 dass ich nie wieder zu irgendwelchen Treffen fahren und nichts mehr von mir erzählen werde,
00:44:26:12 00:44:30:15 weil es dann nur Verfälschungen gibt.
00:45:36:03 00:45:39:23 Gibt es noch Fragen, bitte fragen Sie.
00:45:43:05 00:45:48:01 Frage: Wenn Sie Leuten in unserem Alter aufgrund Ihrer Erfahrung sagen müssten,
00:45:48:01 00:45:56:21 worauf sie achten sollten, was würden Sie ihnen sagen?
00:46:19:10 00:46:23:07 Sie sollten darauf achten und darum kämpfen,
00:46:23:07 00:46:25:08 dass es nie wieder einen Krieg gibt,
00:46:25:08 00:46:35:04 dass zwischen den Menschen keine Antagonismen ausbrechen,
00:46:35:04 00:46:40:12 und dass einer den anderen unterstützt und ihm hilft.
00:46:40:12 00:46:46:09 Es sollte zwischen den Nationen so etwas wie Brüderschaft geben,
00:46:46:09 00:46:50:15 und es sollte nicht sein, dass der eine dem anderen,
00:46:50:15 00:46:53:22 wie man so sagt, Schlechtes will oder ihm sogar schadet,
00:46:53:22 00:46:57:01 gar nicht hilft und ihn nicht unterstützt.
00:46:57:01 00:47:01:09 Das sage ich immer meinen Enkeln, und ich wiederhole es ständig:
00:47:01:09 00:47:06:01 Denkt daran, dass ihr all das, was ihr habt, zu schätzen wissen solltet.
00:47:06:01 00:47:14:13 Man darf kein Brot in den Müll werfen;
00:47:16:03 00:47:19:24 wenn etwas übrig bleibt, kann man es z.B. den Vögeln geben.
00:47:19:24 00:47:25:11 Man darf kein Essen wegwerfen, weil es sich dabei um eine Gabe Gottes handelt,
00:47:25:11 00:47:29:14 die man wirklich nicht vernichten darf.
00:47:29:14 00:47:37:06 Meine Enkel achten darauf.
00:47:37:06 00:47:41:18 Sie wollen zwar keine Geschichten mehr über das,
00:47:41:18 00:47:43:18 was ich durchgemacht habe, hören und sagen:
00:47:43:18 00:47:49:11 „Opa, das sind doch alte Kamellen, lass es sein“.
00:47:49:11 00:47:55:01 Aber die Deutschen z.B. hören gern zu.
00:47:55:01 00:47:58:14 In Polen will man das nicht mehr so gerne hören,
00:47:58:14 00:48:04:06 da man so viel in Geschichtsbücher darüber liest und man genug davon hat usw.
00:48:04:06 00:48:09:22 Die Deutschen dagegen hören aufmerksam zu, viele Jugendliche hören uns zu.
00:49:24:20 00:49:29:02 Frage: Haben Sie je an eine Flucht aus dem Lager gedacht?
00:49:29:02 00:49:32:23 Nein, weil man dafür mit dem Tode bestraft wurde,
00:49:32:23 00:49:39:08 oder andere schreckliche Strafen erleiden musste.
00:49:39:08 00:49:44:10 Es gibt noch etwas, einen Zwischenfall,
00:49:44:10 00:49:47:16 von dem ich noch nicht erzählt habe.
00:49:47:16 00:49:49:16 Dies geschah in Mannheim.
00:49:49:16 00:49:58:00 Ein SS-Mann hat mich für die Aufgabe ausgesucht, seine Schuhe zu putzen.
00:49:58:00 00:50:01:08 Das waren Stiefel mit Schaft.
00:50:01:08 00:50:03:24 Ich habe die Schuhe geputzt, aber es hat sich herausgestellt,
00:50:03:24 00:50:05:24 dass ich dies nicht so getan hatte, wie er sich das wünschte,
00:50:05:24 00:50:08:04 und sie glänzten nicht genügend etc.
00:50:08:04 00:50:11:07 Ich musste daraufhin die Schuhcreme ablecken.
00:50:11:07 00:50:15:18 Meine Kollegen sagten mir aber später, wie ich das richtig machen kann,
00:50:15:18 00:50:25:10 ich sollte nämlich die Schuhcreme mit Wasser verdünnen und sie dann fest einreiben.
00:50:25:10 00:50:29:10 Am nächsten Tag putzte ich also die Schuhe so, dass sie glänzten,
00:50:29:10 00:50:34:17 und er hat mir als Belohnung Brot und sogar einen Apfel und 2 Zigaretten usw. gegeben.
00:50:34:17 00:50:40:04 Als das der Lagerführer, den wir „Faja“ (Pfeife) nannten
00:50:40:04 00:50:42:22 – er lief die ganze Zeit mit einer Pfeife im Mund herum –
00:50:42:22 00:50:47:18 sah, wollte er auch, dass man ihm seine Schuhe so putzt.
00:50:47:18 00:50:49:18 Aber sonst niemandem mehr.
00:50:49:18 00:50:53:13 So putzte ich den beiden ihre Schuhe eine geraume Zeit lang.
00:50:53:13 00:50:56:10 Ich bin nicht mehr in die Fabrik zur Arbeit gegangen,
00:50:56:10 00:51:06:05 und man hat mich im Lager gelassen.
00:51:06:05 00:51:10:24 Wenn ich keine Schuhe zum Putzen hatte,
00:51:10:24 00:51:16:23 spielte ich den sog. „Scheißmeister“, d.h. ich musste die Toiletten putzen.
00:51:16:23 00:51:23:02 Nach 2 Wochen musste ich aber leider wieder in die Fabrik zur Arbeit gehen,
00:51:23:02 00:51:26:20 und dort bis zu der Bombardierung arbeiten.
00:51:29:00 00:51:32:17 Es gab also bei den Deutschen die guten und die schlechten Seiten.
00:51:32:17 00:51:36:19 Einige von den Wachmännern waren sehr …
00:51:36:19 00:51:38:11 und überhaupt…
00:51:38:11 00:51:41:19 Und in der Fabrik haben die Deutschen, die Arbeiter, uns geholfen.
00:51:41:19 00:51:46:08 Sie haben immer in einer Ecke oder sonst irgendwo ein Stückchen Brot für uns liegen lassen,
00:51:46:08 00:51:49:09 oder einen Apfel oder irgendetwas, was man sich so nehmen konnte.
00:51:49:09 00:51:52:16 So etwas war unter Strafe gestellt.
00:51:56:03 00:51:59:01 Eines Tages bin ich in die Küche von den Italienern eingedrungen
00:51:59:01 00:52:06:17 – dort haben Italiener als Beschäftigte auf freiem Fuß, d.h. als Zwangsarbeiter,
00:52:06:17 00:52:10:17 die nicht in einem Konzentrationslager untergebracht waren, gearbeitet –
00:52:10:17 00:52:18:11 und habe mit einer Kelle Suppe für mich abgeschöpft.
00:52:18:11 00:52:23:12 Die SS-Leute haben mich erwischt und so verprügelt,
00:52:23:12 00:52:27:12 dass mich meine Kollegen fast in das Lager haben tragen müssen.
00:52:27:12 00:52:34:05 Sie haben mich mit etwas eingeschmiert, da ich so blau war,
00:52:34:05 00:52:37:24 als wenn man mich mit blauer Tinte übergossen hätte.
00:52:39:13 00:52:42:20 Da habe ich damals eben diese Stockschläge bekommen für alle meine Vergehen,
00:52:42:20 00:52:47:12 so dass es insgesamt 110 Schläge waren.
00:52:47:12 00:52:50:21 Dafür, dass mir ein Deutscher einen halben Liter Milch gegeben hatte,
00:52:50:21 00:52:52:21 bekam ich 10 Stockschläge;
00:52:52:21 00:53:02:00 dafür, dass ich mich am Abend erneut in die Schlange vor der Küche eingeschlichen hatte,
00:53:02:00 00:53:04:15 um eine zweite Portion Suppe zu bekommen,
00:53:04:15 00:53:07:21 und der Koch mich wieder erkannte,
00:53:07:21 00:53:10:02 bekam ich eine mit der Kelle übergebraten,
00:53:10:02 00:53:15:23 so dass ich bis heute hier auf der Stirn eine Narbe habe.
00:53:15:23 00:53:22:23 Ich musste dafür auch Froschhüpfen machen und bekam noch dazu 25 Stockschläge.
00:53:23:08 00:53:28:24 Solche verschiedenen Strafen gab es nun mal, leider.
00:53:28:24 00:53:31:24 Man hat das alles erduldet.
00:53:31:24 00:53:35:17 Polen sind hart im Nehmen.
00:54:09:01 00:54:15:14 Haben Sie noch weitere Fragen?
00:54:20:24 00:54:28:01 Können wir diese Aufnahme später bekommen?
00:54:32:09 00:54:41:22 Es wäre für mich ein schönes Andenken.
00:54:47:20 00:54:54:03 Frage: Wie war es mit diesem Überfall auf dem Gdański Bahnhof?
00:54:54:03 00:54:58:06 Als wir die Waffen nach Żoliborz gebracht haben,
00:54:58:06 00:55:04:02 nahm ich an der Aktion am Gdański Bahnhof teil.
00:55:04:02 00:55:08:09 Neben mir ist mein Vorgesetzter, Oberleutnant Warf, gefallen.
00:55:08:09 00:55:10:22 Wir mussten uns jedoch zurückziehen.
00:55:10:22 00:55:18:02 Später war ich mit meinen Kollegen auf dem Weg zurück in den Kampinos Urwald.
00:55:18:02 00:55:21:02 Frage: Was war das für eine Aktion auf diesem Bahnhof? Wie sah das aus?
00:55:21:02 00:55:31:01 Es ging darum, den Bahnhof zu erobern, damit die Züge…
00:55:31:01 00:55:34:18 Es war genauso, als wir den Flughafen in Bielany erobern wollten,
00:55:34:18 00:55:40:04 damit die Flugzeuge der Alliierten dort landen können.
01:00:13:17 01:00:24:07 Frage: Was hat Sie im Lager am Leben gehalten? Was gab Ihnen Kraft?
01:00:24:07 01:00:26:13 Die Gebete.
01:00:32:24 01:00:44:09 Jeden Tag haben wir leise Kirchenlieder gesungen und gebetet, um durchhalten.
01:00:59:08 01:01:01:22 Außerdem half es mir in den Himmel zu schauen und zu sehen,
01:01:01:22 01:01:06:22 wie die alliierten Flugzeuge Deutschland bombardieren.
01:01:22:10 01:01:28:04 Man durfte nicht… Dingsda, sondern wir mussten draußen bleiben.
01:01:28:04 01:01:32:18 Wir durften uns den ganzen Tag lang und sogar sonntags nicht in den Baracken,
01:01:32:18 01:01:35:03 oder in der Schule zum Ausruhen aufhalten,
01:01:35:03 01:01:37:04 sondern mussten draußen bleiben.
01:01:37:04 01:01:39:20 Jeder musste draußen sitzen, dort, wo er etwas zum Sitzen gefunden hatte,
01:01:39:20 01:01:45:07 aber es war verboten, sich in den Räumen aufzuhalten.
01:02:04:07 01:02:06:07 Und das Wichtigste war,
01:02:06:07 01:02:11:03 dass wir in den freien Momenten da saßen und Läuse zerdrückten,
01:02:11:03 01:02:18:22 die uns zu Tausenden befallen hatten und auffraßen.
01:02:43:02 01:02:47:15 Frage: Wie war die Tagesordnung?
01:02:47:15 01:02:49:16 Morgens gab es einen Appell.
01:02:49:16 01:02:52:11 Vor 6:00 Uhr morgens gab es diesen Appell.
01:02:53:23 01:02:58:08 Ein sog. Diensthabender weckte uns,
01:02:58:08 01:03:02:02 indem er schrie: „Aufstehen, aufstehen“.
01:03:04:18 01:03:06:00 Und alle … Dingens.
01:03:06:00 01:03:08:13 Leider haben wir morgens nur ½ Liter Wasser,
01:03:08:13 01:03:12:01 d.h. etwas zu Trinken bekommen,
01:03:12:01 01:03:13:18 wovon man nicht wusste, was das eigentlich war,
01:03:13:18 01:03:17:03 und ob das irgendwelcher Kaffee oder Tee war.
01:03:17:03 01:03:22:03 Das war alles, was wir für den ganzen Tag zu Trinken bekamen.
01:03:22:16 01:03:24:24 Etwas anderes bekamen wir nicht.
01:03:25:07 01:03:28:24 Später standen wir im Hof,
01:03:28:24 01:03:32:10 und es gab einen Appell.
01:03:32:10 01:03:34:15 Man hat uns gezählt, um zu überprüfen,
01:03:34:15 01:03:36:03 ob nicht jemand zufällig geflohen ist,
01:03:36:03 01:03:38:12 oder sich versteckt hält oder so etwas.
01:03:38:12 01:03:41:22 Nachdem der Lagerführer alle gezählt hatte,
01:03:41:22 01:03:46:18 stellten wir uns in 5-er Reihen zum Abmarsch auf.
01:03:46:18 01:03:56:03 Am Tor stand ein Posten, und es hieß dann: „Mützen ab“,
01:03:56:03 01:04:00:17 und so – ohne die Mützen – mussten wir an dem Soldaten vorbeigehen,
01:04:00:17 01:04:02:23 der dort die Wache hielt.
01:04:02:23 01:04:08:02 Als wir dann an ihm vorbei waren, hieß es: „Mützen auf“,
01:04:08:02 01:04:11:09 und wir marschierten dann diese 6 km.
01:04:11:09 01:04:16:23 Unterwegs bewarfen uns die Deutschen mit Steinen und verfaulten Äpfeln,
01:04:16:23 01:04:19:15 und schrien: „Polnische Banditen“.
01:04:19:15 01:04:22:10 Das geschah auf unserem Wege in die Fabrik.
01:04:23:10 01:04:29:12 Man brachte uns Essen in die Fabrik, in der wir täglich 12 Stunden arbeiteten.
01:04:29:12 01:04:32:03 Sie brachten irgendwelche Suppen.
01:04:32:03 01:04:37:03 Entweder war es Kohlrübensuppe oder irgendwelche alten Nudeln oder so etwas,
01:04:37:03 01:04:39:08 wovon man nicht wusste, was es ist,
01:04:39:08 01:04:42:01 ob das Schnecken sind oder etwas Ähnliches.
01:04:42:01 01:04:47:03 Auf jeden Fall haben wir so etwas Verdicktes zu essen bekommen.
01:04:47:03 01:04:55:19 Am Abend kamen wir, d.h. es gab 15 Minuten Mittagspause,
01:04:55:19 01:05:01:16 während der jeder schnell aufessen musste, um dann weiter zu arbeiten.
01:05:01:16 01:05:16:01 Am Abend, nach diesen 12 Stunden überprüfte man, ob sich jemand versteckte,
01:05:16:01 01:05:18:08 und wir wurden wieder gezählt.
01:05:18:08 01:05:23:04 Danach marschierten wir erneut 6 km zurück in das Lager.
01:05:23:04 01:05:30:23 Dort bekamen wir ein sog. Abendessen, eine Art Brotsuppe.
01:05:30:23 01:05:33:20 Das Brot, was schon lange … Dingens…,
01:05:33:20 01:05:36:20 aus diesem Brot wurde die Suppe gekocht.
01:05:36:20 01:05:43:13 Wir erhielten einen Liter bzw. eine Büchse mit dieser Suppe.
01:05:43:22 01:05:45:06 Das war alles.
01:05:45:06 01:05:48:04 Ach ja. Am Abend bekamen wir auch unsere Brotzuteilung.
01:05:48:04 01:05:55:17 Ein Laib Brot wurde auf 3 Personen aufgeteilt.
01:05:55:17 01:06:01:24 Wenn wir das jetzt ausrechnen, dann bedeutet das etwa 300 g für eine Person.
01:06:01:24 01:06:08:20 Das Brot bestand eigentlich aus Sägespänen,
01:06:08:20 01:06:11:07 die mit ein bisschen Mehl oder so etwas vermischt waren.
01:06:11:07 01:06:14:02 Außerdem bekamen wir noch eine Messerspitze Margarine,
01:06:14:02 01:06:17:04 und eventuell noch ein kleines Stückchen Wurst oder so etwas.
01:06:17:04 01:06:24:00 Das war dann alles, was man zu essen bekam.
01:06:24:00 01:06:27:01 Das sollte für den ganzen Tag reichen, diese 300 g Brot.
01:06:27:10 01:06:29:10 Das war zum Frühstück,
01:06:29:10 01:06:33:23 d.h. das Brot war zum Frühstück,
01:06:33:23 01:06:38:22 mit diesem halben Liter von dieser unbestimmbaren Flüssigkeit.
01:06:38:22 01:06:40:23 Mehr hat man nicht bekommen.
01:06:40:23 01:06:44:13 Aus diesem Grund wurden wir öfters krank.
01:06:44:13 01:06:52:08 Ich z.B. erkrankte, weil ich zu wenig trank, an Blasenzirrhose.
01:06:52:08 01:06:59:02 Das kann ich bis heute noch spüren, weil meine Blase wie bei einem Kleinkind ist.
01:07:00:02 01:07:07:07 Ich muss oft auf die Toilette gehen. Leider.
01:07:07:07 01:07:08:23 Ja, bedauerlicherweise ist es so geblieben,
01:07:08:23 01:07:11:18 und das wird bis zu meinem Lebensende so bleiben.
01:07:13:24 01:07:16:03 Sonntags, das war immer sonntags,
01:07:16:03 01:07:18:05 als wir nicht gearbeitet haben,
01:07:18:05 01:07:26:22 und im Hof herumsaßen,und jeder von uns erzählte etwas;
01:07:26:22 01:07:32:08 wir saßen in kleinen Grüppchen zusammen und haben, wie sagt man das,
01:07:32:08 01:07:38:18 mit Steinen die Läuse in unserer Kleidung getötet.
01:07:38:18 01:07:41:05 Einmal in 2 Wochen kamen wir zum Duschen,
01:07:41:05 01:07:44:17 und unsere Kleidung wurde gewechselt.
01:07:44:17 01:07:46:18 Unsere Sträflingskleidung.
01:07:50:02 01:07:53:22 So sah das Leben im Lager aus.
01:07:53:22 01:08:00:11 Man durfte bedauerlicherweise weder laut singen noch laut beten,
01:08:00:11 01:08:02:11 man durfte gar nichts.
01:08:02:11 01:08:05:07 Es musste Ruhe herrschen.
01:08:05:07 01:08:09:00 Wir schliefen auf Etagenpritschen.
01:08:09:00 01:08:11:13 Das waren 4-stöckige Pritschen.
01:08:13:01 01:08:23:14 Unsere Strohsäcke waren mit Holzspänen gefüllt,
01:08:23:14 01:08:26:11 und wir hatten je eine Decke …
01:08:26:11 01:08:27:19 Das war alles.
01:08:27:19 01:08:34:20 Wenn es kalt war, durften wir nicht unter unseren Sträflingsanzügen…
01:08:34:20 01:08:41:01 Also manche von uns haben nämlich für sich so etwas wie Westen aus Zementsäcken angefertigt,
01:08:41:01 01:08:44:08 was verboten war und wofür man 10 Stockschläge bekam,
01:08:44:08 01:08:46:08 wenn man erwischt wurde.
01:08:46:08 01:08:53:16 Oder wenn man die Decke einrollte und sich damit unter dem Sträflingsanzug einwickelte,
01:08:53:16 01:08:56:11 erhielt man auch 10 Stockschläge.
01:08:56:11 01:08:58:11 So etwas war verboten.
01:10:12:15 01:10:15:03 Und noch so im Allgemeinen:
01:10:15:03 01:10:23:09 Wenn jemand ein Anliegen an den Posten hatte,
01:10:23:09 01:10:27:01 dann musste derjenige seine Mütze vom Kopf runternehmen und sagen,
01:10:27:01 01:10:29:04 dass die Nummer soundso darum bittet,
01:10:29:04 01:10:31:21 angehört zu werden oder so etwas.
01:10:31:21 01:10:34:23 Auch vor den Kapos – und diese Kapos,
01:10:34:23 01:10:41:24 das waren meistens Polen oder auch Leute anderer Nationalitäten wie Tschechen oder andere –
01:10:41:24 01:10:46:23 musste man zuerst die Mütze vom Kopf runternehmen,
01:10:46:23 01:10:50:00 wenn man etwas gemeldet hat.
01:10:50:00 01:10:52:19 Solche Zucht herrschte dort.
01:10:54:07 01:10:56:03 Und wenn jemand dies nicht beachtet hat,
01:10:56:03 01:10:59:11 bekam er einen Schlag mit der Faust ins Gesicht.
01:10:59:11 01:11:01:15 Auch, wenn er es vergessen hat oder so ähnlich.
01:11:01:15 01:11:03:18 Oder er bekam einen Tritt.
01:14:32:15 01:14:38:06 Frage: Die Zeit läuft langsam ab. Wir bitten Sie um ein kurzes Resümee.
01:14:55:05 01:14:59:17 Wie kann man denn dazu etwas sagen?
01:15:02:09 01:15:06:04 Frage: Wie lebt man heute so in Polen?
01:15:13:08 01:15:17:13 Am besten sage ich es so, wie das unser Papst sagte:
01:15:19:19 01:15:23:13 „Liebet eure Feinde“.
01:15:24:09 01:15:28:01 Und wir möchten es wirklich erreichen,
01:15:28:01 01:15:33:21 dass die Bruderschaft zwischen den Völkern gedeiht.
01:15:35:20 01:15:40:15 Ich z.B. würde mit großem Vergnügen wieder nach Deutschland fahren,
01:15:40:15 01:15:48:08 weil ich dort viele Freunde habe und wirklich gerne dorthin gehe.
01:15:48:08 01:15:55:15 Wir nennen unseren Peter Koppenhöfer „heiliger Mensch“,
01:15:55:15 01:15:57:23 weil er sich sehr um uns kümmert.
01:15:57:23 01:16:02:07 Er hat doch in Mannheim das Museum errichtet.
01:16:02:07 01:16:09:00 Und jetzt fahren wir nach Mosbach, wo ein neues Museum entsteht.
01:16:09:00 01:16:11:21 Auch dorthin wurden wir eingeladen.
01:16:14:19 01:16:17:14 Wir fahren wahrhaftig gerne dorthin,
01:16:17:14 01:16:21:19 weil wir unter den Deutschen viele Freunde,
01:16:21:19 01:16:25:19 sogar gute Freunde, haben.
01:16:25:19 01:16:29:01 Und meistens auch unter den Jugendlichen.
01:16:29:01 01:16:33:07 Ich werde jetzt ein Beispiel nennen, das ziemlich lustig ist.
01:16:33:07 01:16:43:13 Als wir in Mosbach waren und dann auch mit Gymnasiasten zusammen gesessen haben,
01:16:43:13 01:16:51:15 und nach dem Mittagsessen vor dem Block fotografiert wurden,
01:16:51:15 01:16:53:22 hatte sich eine Schlange aus Mädchen gebildet.
01:16:53:22 01:17:01:10 Ich fragte dann meine Kollegen, was denn los sei mit diesen Mädchen.
01:17:01:10 01:17:06:06 Es stellte sich heraus, dass sie uns alle ein Küsschen geben wollten.
01:17:06:06 01:17:08:15 Ich sagte dann zu meinem Kollegen:
01:17:08:15 01:17:11:08 „Schau mal, Brüderlein, was wir für ein Glück haben.
01:17:11:08 01:17:16:20 Nicht einmal damals, als wir ledig waren, hatten wir so viel Glück.
01:17:16:20 01:17:19:21 Und jetzt haben wir so viel Erfolg bei den jungen Mädchen“.
01:17:20:24 01:17:28:15 Also wirklich, wir sind dort gern gesehen und fahren mit Freude hin.
01:17:28:15 01:17:33:20 Es soll diese Bruderschaft zwischen den Völkern wirklich gedeihen.
01:17:33:20 01:17:42:19 Es soll keine Kriege mehr geben und keine Antagonismen oder Ähnliches,
01:17:42:19 01:17:50:00 und keiner soll dem anderen die Augen auskratzen wollen.
01:17:50:00 01:17:55:20 Es soll die internationale Bruderschaft ernsthaft gedeihen.
01:17:59:16 01:18:02:05 Ich möchte, dass es so wird.
01:19:56:12 01:19:58:12 Hier ein kleines Geschenk für Sie.
01:19:58:12 01:20:01:18 Wir bedanken uns herzlich dafür, dass Sie uns Ihre Zeit geschenkt habe.
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