AV2492 Oral History Projekt „Alle Wege führen nach Mannheim“: Interview mit Farhad Ahmadkhan, 2012 (Audiovisuelle Sammlung)

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Title:Oral History Projekt „Alle Wege führen nach Mannheim“: Interview mit Farhad Ahmadkhan
Ref. code:AV2492
Ref. code AP:AV2492
Originalmedium:nur digital vorhanden
Datumsbemerkung:16.10.2012
Creation date(s):2012
Rechte:Stadtarchiv Mannheim
Inhalt_AV:Maria Alexopoulou [i. FA:. MA]: Heute ist der 16. Oktober 2012, wir befinden uns im Stadtarchiv Mannheim im Collini-Center in Mannheim-Innenstadt. Mein Name ist Maria Alexopoulou und ich interviewe im Rahmen des Oral History Projekts „Alle Wege führen nach Mannheim“ Herrn Farhad Ahmadkhan. Herr Ahmadkhan, sind Sie damit einverstanden, dass dieses Interview aufgenommen wird?
Farhad Ahmadkhan [i. F.: FA]: Ja.
MA: Vorab ganz kurz, wie lange leben Sie in Mannheim?
FA: Seit neun Jahren.
MA: : Seit neun Jahren. Und in Deutschland?
FA: Seit zwölf Jahren und sechs Monaten.
MA: Und was ist Ihre Staatsbürgerschaft oder Ihr jetziger…
FA: Iranisch.
MA: Und Ihr Beruf?
FA: Deutschlehrer in Integrationskursen, nicht fest eingestellter Lehrer in Schulen, sondern Integrationskurse für Ausländer.
MA: In der Abendakademie hier?
FA: Nein. An der Volkshochschule Ludwigshafen.
MA: Und Sie wohnen hier in Mannheim?
FA: Ich wohne, wie gesagt, auch die ganze Zeit habe ich hier…
MA: Wo wohnen Sie?
FA: In der Eichendorffstr. 28.
MA: Ah, das ist ja in der Neckarstadt.
FA: In der Nähe von…
MA: Jaja. Dann sind wir ja Nachbarn, Max-Joseph-Straße, genau. Gut. Dann würde ich Sie bitten ein bisschen biografisch von Ihnen zu erzählen. Zum einen wo und wann Sie geboren sind, etwas über Ihren Geburtsort, Ihre Familie und Ihre Kindheit, Beruf der Eltern, Ihre Wohnverhältnisse, soziale Verhältnisse, dass Sie so ein bisschen erzählen.
FA: Wie gesagt, nein das habe ich noch nicht gesagt, ich bin im Jahre 1968 geboren in Teheran und meine Eltern stammen auch aus Teheran, was ja in Teheran nicht unbedingt so ist, weil viele zugewandert auch aus anderen Städten in die Hauptstadt kommen und deswegen jetzt die Stadt explodiert usw. Also ich habe dann… also mein Vater war zur Schah-Zeit in dem damaligen Verkehrsministerium, also ein Beamter, meine Mutter war Lehrerin. Nach dieser sogenannten Revolution durfte mein Vater nicht mehr dort arbeiten, hat was anderes gemacht freiberuflich. Meine Mutter hat noch einige Jahre aber weiterhin unterrichtet in der Grundschule. Dann wegen den Kindern – ich war auch das erste Kind – ist sie dann nicht mehr in die Schule gegangen. Und ich bin dann aber in die Schule gegangen, Grundschule, Orientierungsstufe, dann habe ich Abitur gemacht im Fach Experimentalwissenschaften und danach habe ich aber – weil ich mein Interesse für die Sprachen entdeckt hatte und Englisch konnte ich auch reden ohne überhaupt an einem Englischkurs teilgenommen zu haben – habe ich Sprachen gewählt. Und als erstes habe ich deutsche Sprache gewählt auf Anraten von meinem Onkel, der sagte, „Englisch kannst Du schon, dann kannst Du auch eine andere Sprache lernen“. Obwohl ich natürlich auch auf die deutsche Sprache kam, weil ich ja immer als Jugendlicher an Literatur interessiert war und bis heute noch bin. Und damals war das auch so, dass die deutsche Philosophie, also Philosophie von, also Bücher von einigen Philosophen, deutsche Philosophie ist ein großes Wort, damals im Iran so sich eingebürgert hatte und…
MA: Was war das dann?
FA: Zum Beispiel Nietzsche, das für viele ungeheuerlich ist, der ist heute noch im Iran sehr interessant und für mich damals auch, ja. Und dann auch überhaupt Literatur, deutsche Literatur, moderne. Zur Schah-Zeit wurden auch Bücher von Hermann Hesse, Bertold Brecht und solche Schriftsteller sehr gut…
MA: War das dann so eine Bewegung oder in welchen Kreisen war das?
FA: In Intellektuellenkreisen, sagen wir so. Aber weil es zu Schah-Zeiten im Gegensatz zur Meinung vieler Menschen in Deutschland, weil sie keine Ahnung haben, weil es zur Schah-Zeit kulturelle Freiheit gab, obwohl das Land eine parlamentarische Monarchie war, aber nicht so perfekt wie man sich vorstellt. Aber trotzdem konnten alle kulturell und menschlich frei sein. Was ja jetzt nicht mehr der Fall ist, gut aber das ist ja ein anderes Thema. Ja und dann habe ich nach dem Abitur deutsche Sprache und Literatur studiert an einer ebenfalls in Teheran gebauten sehr modernen, schönen Universität – auch zur Schah-Zeit gebaut – dort habe ich deutsche Sprache und Literatur studiert vier Jahre, Bachelor, im BA-Studiengang. Und dann im Iran ist es so, dass man danach, um weiter zu studieren an einer zentralen Aufnahmeprüfung teilnehmen muss, zentral im ganzen Land. Und das Land ist fünf Mal so groß wie Deutschland, das heißt es gibt viele Teilnehmer. Da habe ich den ersten Rang erhalten im ganzen Iran und dann habe ich drei Jahre Didaktik der deutschen Sprache studiert.
Und schon bevor ich den Magisterstudiengang beendet hatte, wurde ich durch einen Professor, der an der Uni Teheran auch von der Schah-Zeit bis zur Mullah-Zeit arbeitete, bin ich eingeladen worden dort zu unterrichten. Ich war da ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt. Habe ich bis ich dreißig Jahre alt und ein paar Monate war habe ich dort an der Uni Teheran Deutsch unterrichtet und zwei Jahre nach dem – wegen meiner Tätigkeit an der Uni habe ich auch meinen Magisterstudiengang abgeschlossen – und dann kam ich im April 2000 nach Deutschland durch ein Promotionsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und dann war ich an der Uni Bochum. Dort habe ich wieder zwei Nebenfächer erst mal abschließen müssen, habe ich auch gemacht, germanistische Linguistik und Sprachlehrforschung Schrägstrich DAF, Deutsch als Fremdsprache. Nicht Sprachforschung generell, sondern Schrägstrich DAF. Und mein Hauptfach ist Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und die Dissertation habe ich noch nicht beendet, aber ich erkläre vielleicht nachher, warum es noch nicht beendet ist, aber ich beende sie auf jeden Fall. Und im Jahr 2003 kam ich nach Mannheim und seither lebe ich in Mannheim und unterrichtete an der Volkshochschule Ludwigshafen.
MA: Ich will Sie nochmal zurückführen in den Iran, noch ein bisschen. Also die Affinität zur deutschen Sprache kam einfach nur so durch Ihren Onkel oder durch diese Texte, Philosophie, wie Sie sagten?
MA: Texte, mein eigenes Interesse an überhaupt… Also meine, ich sage es ganz selbstbewusst, mein Sprachtalent, durch irgendwelche philosophisch-literarische Bücher, die damals in einigen – in der Bibliothek wo ich damals ging die Leute davon gesprochen hatten und dann habe ich Interesse – auch durch meinen Onkel, der zur Schah-Zeit zwischen Iran und Deutschland irgendwie immer wieder reiste.
MA: Ach so, er kannte Deutschland und deshalb hat er…?
MA: Er kannte Deutschland. Durch diese drei Aspekte bin ich generell darauf gekommen Deutsch zu studieren. Und da habe ich auch mit Null angefangen, ich wusste gar kein Deutsch. Habe ich mit Null angefangen, da war ich aber im vierten Semester schon Simultandolmetscher für einige… Zum ersten Mal war ich bei einem Österreicher, Herrn Dr. Alexander Feigl aus Österreich, der war der Generaldirektor der Organisation für Volkskunst in Wien. Der war nach Iran gekommen und ich war Student noch, im vierten Semester. Unsere Abteilungsleiterin war Frau Prof. Dr. Anneliese Beck-Daheman, also sie ist eine deutsche Frau, die einen iranischen Mann hatte in der Schah-Zeit und da war sie Abteilungsleiterin. Das war das erste Mal, dass ich sogar im vierten Semester als Simultandolmetscher arbeitete.
MA: Und war damit auch immer so die Idee verbunden auch mal nach Deutschland zu kommen, war das mit dem Land verbunden, so ein Interesse auch für das Land?
FA: Natürlich ja, natürlich. Die Leute, die eine Sprache studieren, die wollen alle zu dem Land der Muttersprache, die Muttersprache des Landes, also das Land dessen Sprache sie gelernt haben, gehen. Und es ist auch überall, glaube ich, so. Egal, wenn jemand Russisch spricht oder Französisch studiert oder Deutsch, glaubt er, dass das Land dessen Sprache er spricht, weil er das studiert hat, das beste Land der Welt ist. Also wir haben an der Uni auch Leute die Russisch, also wir haben dort Russischstudium, Englisch, Französisch, Chinesisch nein, Japanisch war schon eingeführt, auf jeden Fall weil sie denken, dass ihr Land ist das sie so gerne sehen wollen, weil es so toll ist. Das sagen sie auch, obwohl wir wissen, dass Sowjetunion oder Russland nichts Besonderes ist, aber trotzdem, wenn jemand Russisch lernt denkt er, er hat alles so erreicht oder das ist das tollste Land dessen Sprache, weil er das studiert hat, und dann auch das Land das Beste ist. Bei mir war es vielleicht auch so damals, weil ich gedacht habe gut… Aber nicht, dass ich jetzt unbedingt, weil wenn man mir das Stipendium nicht gegeben hätte, wäre ich vielleicht gar nicht gekommen nach Deutschland. Weil das Regime im Iran würde Leuten wie mir kein Stipendium geben, sondern ihren eigenen Leuten und ich war auch kein Mensch, der flüchtet oder so. Wäre ich geblieben. Ein gutes Beispiel: Wir haben einen Dr. Dershili gehabt in der französischen Abteilung, der, weil er kein Stipendium bekommen hatte, nie nach Frankreich gekommen war, und trotzdem jahrelang Französisch unterrichtete. Es war sehr gut, keiner konnte überhaupt glauben, dass er gar nicht in Frankreich gewesen war. Konnte auch alles, wusste auch alles über Frankreich, durch Lesen usw., bis er dann gestorben ist. Aber gut, bei mir gab es dieses Stipendium, deswegen konnte ich nach Deutschland kommen.
MA: Und was würden Sie sagen, was hat da überwogen, das wissenschaftliche Interesse oder auch so der Wunsch wegzugehen oder woanders hin zu gehen?
FA: Nein, nein, nein. Zuerst, mit einer hundertprozentigen Sicherheit kann ich sagen, ist nur reine theoretische, abstrakte wissenschaftliche Interesse, also…
MA: Also es war gar nicht so, dass Sie dachten Sie möchten nur raus aus dem Iran?
FA: Das war nicht so.
MA: …gerade wegen dieser politischen Verhältnisse?
FA: Nein, nein. Da kann man ganz einfach flüchten. Warum soll man so dumm sein jahrelang studieren und irgendwie vielleicht in der Hoffnung, dass…
MA: Nein, so meine ich das gar nicht, aber so also so… ja, es gibt ja verschiedene Motivationslagen, weshalb man auch ins Ausland gehen will.
FA: Bei Studenten einer Sprache, egal wo sie studieren, besteht früher oder später das Interesse auch das Land zu besuchen, das ist generell. Im Iran, weil Iran ein problematisches Land ist oder geworden
ist, nicht unbedingt durch Iraner selbst, sondern durch Außen vor dreiunddreißig Jahren, ist es so, dass viele Leute flüchten wollen und müssen. Und Leute wie ich, die nicht flüchten würden, müssen sich auch… Obwohl ich es nicht immer geschafft habe meinen Mund zu halten, aber trotzdem habe ich da immer wieder versucht, mich dort sozusagen so zu verhalten, dass ich keine großen Probleme… Obwohl ich auch Probleme bekommen habe aufgrund meiner Äußerungen in meiner Studentenzeit, aber generell nicht so schlimm, dass ich ja, dass es sehr schwierig werden konnte.
MA: Sind Sie aber dennoch jetzt… wenn Sie das, eben gerade die politische Situation betrachten, froh jetzt nicht mehr dort zu sein oder wie ist das für Sie so? Weil es ist eben oft bei Iranern, sind es halt oft auch politisch oder auch bei anderen auch vielleicht nicht politische Motive, sondern dass Sie einfach ihr Leben frei leben wollen usw., und sich dem halt nicht so…
FA: Meine Motivation war, wie ich gesagt habe, die wissenschaftliche Motivation, und ich bin auch als Gastwissenschaftler eigentlich nach Deutschland gekommen. Wobei natürlich klar ist, dass ich wusste, dass ich natürlich in ein freies Land gehe, was ja mein Land vor dreiunddreißig Jahren war, aber jetzt nicht mehr. Aber das war für mich nicht die größte Motivation, weil ich hätte auch dort bleiben können und weiterhin dort durch kulturelle Aktivitäten, weil ich auch ganz einfach den Mut hatte einiges zu machen, auch einige Sachen… Obwohl es wirklich, wie gesagt, ich habe eigentlich schon einige Probleme bekommen mit irgendwelchen Islamisten sozusagen, aber generell hatte ich primär, wenn ich nicht Deutsch studiert hätte, wenn ich das jetzt im Nachhinein in meine Gedankenwelt damals realisieren konnte, ich glaube nicht, dass ich jetzt irgendwie auf Deutsch da ran gekommen wäre, weiß ich nicht, das ist schwer zu sagen. Vielleicht wäre ich nach Frankreich oder nach England oder hätte gedacht wie viele Iraner die glauben, USA ist das Land der begrenzten, unbegrenzten Möglichkeiten, obwohl es das Land der begrenzten Unmöglichkeiten ist, würde ich vielleicht nach USA gehen, auch weil die alle USA total toll fanden.
MA: Ja, das wollte ich nämlich auch jetzt so grad fragen, was so im Vorfeld… Okay, Sie haben sich wissenschaftlich damit befasst, aber haben Sie sich auch mit Deutschland so befasst, mit dem Land, was für eine Vorstellung Sie damals hatten so bevor Sie herkamen? Sie haben ja auch gesagt Ihr Onkel kannte Deutschland, was Sie da von ihm so wussten, also was für ein Bild hatten Sie damals?
FA: Er hatte immer schöne Sachen erzählt, dass alles ordentlich ist, dass alles sauber ist, dass die Leute ordentlich sind, solche Sachen hat mein Onkel gesagt. Und dann habe ich aber in der Studentenzeit eine Professorin gehabt, den Namen habe ich Ihnen genannt, leider ist sie auch gestorben, Kinder sind alle in München, Frau Doktor Anneliese Daheman, die hat natürlich mir ein differenzierteres Bild von Deutschland schon vermittelt bevor ich nach Deutschland komme. Sie war auch die Betreuerin meiner Magisterarbeit und durch sie, weil sie auch eine ganz richtig wissenschaftlich denkende und auch präzise und ehrliche Frau war, hat sie natürlich mir auch gesagt ja, also… Weil ich ja immer… das ist das Phänomen, weil ich die deutsche Sprache gelernt hatte, habe ich am Anfang gesagt, ich weiß auch so, dass ich Deutschland vergöttert hatte. Sie hat, sie, diese deutsche Professorin, hat damals im Iran ein bisschen meine Meinung relativiert, hat gesagt, ist überall so, also nicht… hat natürlich alles relativiert. Das heißt ich kam mit einem schon an der – also das Wort Sachlichkeit, weil es gibt keine Sachlichkeit das ist meine persönliche Meinung, es ist alles persönlich, auch sage ich, da gibt es auch persönliche Sachlichkeit aus meiner Sicht. Aber gut, wenn man das Wort benutzt, dann benutze ich das auch. Mit einer einigermaßen sachlichen in Anführungszeichen Haltung kam ich nach Deutschland.
MA: Inwiefern dann sachlich?
FA: Das heißt insofern, dass da nicht aufgrund der Situation im Iran, dass man denkt man flüchtet aus der Hölle in das Paradies. Das ist natürlich ein bisschen sachlicher als wenn man denkt… Weil viele denken, sie leben in der Hölle und wenn sie raus kommen dann ist überall, also nicht überall, da wo sie hingehen, weil sie es sind, die da hingehen, dann gehen sie ins Paradies. Und das ist falsch.
MA: Also so von wegen, dass man die Rechte hat oder auch diese soziale Situationen, so Sachen meinen Sie, oder..?
FA: Nein, das meine ich nicht. Das ist natürlich… erst nachdem man hier ist merkt man den Unterschied. In Bezug auf einfach eine Flucht. Eine Flucht aus dieser, z.B. was den Iran betrifft, theokratische Diktatur. Ja also da ist dann für viele, wenn man da hört, dann sagen sie, es ist für uns sogar… Hauptsache weg aus hier, es ist egal. Wenn wir auch in die.. in ein Land das auch problematisch ist, aber sie wissen das nicht, sie sagen Hauptsache aus dieser Hölle weg, Iran. Das meine ich. Und das ist natürlich nicht sachlich, weil das ist nur eine Trotzaktion und eine Wut auf die Situation in dem eigenen Land, wo man sich nicht wohlfühlt aufgrund dieser blöden Islamisten. Und dann denkt man, Hauptsache hier weg und dann habe ich überall, oder egal wo ich hingehe geht es mir besser. Obwohl es nicht so ist, also es gibt viele, die z.B. in andere Länder gehen, denen geht es viel schlecht, sehr schlecht und viel schlimmer, manchmal. Manchen geht es gut. Rechte, Gesetze ist ein ganz anderes, abstraktes Thema. Im Laufe der Zeit merken sie das, aber erst mal in Bezug auf die anfänglichen Grundbedürfnisse für Menschen, wenn Leute als Flüchtlinge in irgendwelchen blöden Camps leben müssen, das ist nicht Paradies, das hat nichts mit Recht und Gesetz zu tun. Hat zu tun, aber dieses Gesetz ist nicht für sie gut erst mal. Andere Gesetz kommen denen da zu Gute und da können sie sagen, „Ah, tolles Land, Gesetz“. Aber genau dieses Gesetz macht sie zu einem Dreck in einem Camping. Ich rede nicht von Deutschland, generell meine ich in Bezug auf Flüchtlinge in der ganzen Welt. In diesem Falle meine ich nicht nur Iraner im Camping, sondern ich meine so Afrikaner, in irgendwelchen, wie nennt man das, Auffanglagern oder so. Und das habe ich gesehen im deutschen Fernsehen, es ist unglaublich, das ist nicht normal. Und die sind auch durch Gesetze durch solche Auffanglager gegangen, gegangen worden oder geschickt worden meine ich. Deswegen das ist ein ganz anderes Thema. Betrifft mein Leben aber nicht, wie gesagt ich war kein Flüchtling oder so. Aber trotzdem kümmere ich mich um Dinge, die in der Welt passieren, ja. Ich muss das nicht selber erlebt haben, ich kann miterleben, mitfühlen, wie es den Leuten gehen kann. Natürlich danach, wenn sie anerkannt werden, dann können sie freiheitlichen Status des jeweiligen Landes, wenn wir von Europa reden, genießen. Weil außerhalb Europas gibt es auch woanders keine besondere, tolle… Also Leute wie z.B. viele Iraner, die nach Malaysia gehen, überall, also das ist auch wieder was anderes, wieder eine andere Art von Islam, Radikalisten oder islamische Radikalismus oder… Es gibt solche, die gleich in die Türkei gehen in ein Nachbarland von Iran und dann… dort ist auch nicht am Anfang leicht. Verstehen Sie was ich meine? Das ist jetzt nicht direkt, aber vielleicht wollten Sie, dass ich über Deutschland rede?
MA: Nein, nein, es ging nur einfach so als Sie sagten ein sachlicheres Bild, welche Bereich jetzt… ich meine ich weiß ja schon was Sie meinen, diese Vorstellung, dass die Leute auch… Es ist ja auch eine frustrierende Erfahrung sowieso, wenn man z.B. als Flüchtling kommt, wenn man dann erst mal jahrelang zum Teil… und hier die Flüchtlingslager, Heime, sind auch nicht gerade ein Zuckerschlecken, wenn man die mal von innen gesehen hat. Also ich weiß schon, was Sie… aber mir ging es einfach nur so um die.. ja, welche Bereiche das jetzt so umfasst. Aber da haben Sie auch schon gesagt, wie Sie das gemeint haben, von wegen dieses… ja, dass man wenn man weg ist, ist es dann gleich alles super.
FA: Ja, diese Illusion, ja. Ich wollte nur die Diskrepanz zwischen Illusion und…
MA: Und der Wirklichkeit, jaja.
FA: Weil das bei vielen Menschen, diese Diskrepanz zwischen Illusion und Wirklichkeit, die dann erst mal zu einer Identitätskrise führt, aus der sie – oder Kulturschock – aus dem oder aus der sie erst mal raus kommen müssen. Das dauert auch. Sogar bei mir, dem die deutsche Sprache und die deutsche Literatur und alles vertraut war, war das einfach aufgrund dieser… auf einmal woanders leben zu müssen auch schon mal ein... Alleine das Beherrschen der Sprache und Informationen über das Land reichen nicht, um sich wohl zu fühlen, da braucht es, es braucht Zeit, es ist ein Prozess.
MA: Und es sind auch die gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend, die dann herrschen auch gegenüber Zugewanderten usw., das ist ja auch entscheidend.
FA: Jaja, das ist sehr entscheidend.
MA: Ich hätte noch eine Frage so zu der Zeit davor. Waren Sie da schon literarisch tätig oder ist das dann…?
FA: Ich war schon im Iran, erst mal generell an der Literatur allgemein und dann im Besonderen an der deutschen Literatur ich war sehr interessiert, so dass ich auch zur Studentenzeit auch selber irgendwelche Gedichte geschrieben habe, und…
MA: Aber da in Farsi dann oder schon…?
FA: Nur in Deutsch, ich habe nur in Deutsch geschrieben. Irgendwie habe ich… ich habe nur in Deutsch geschrieben, ja.
MA: Interessant.
FA: Ja. Deswegen ich kam 2000, April 2000 in Deutschland, im November 2003 war meine erste öffentliche Lesung im Kulturcafé der Universität Bochum. In zweieinhalb Jahren wird man auf einmal nicht Poet, sondern ich war es schon. Und bis jetzt habe ich auch mehrere Lesungen gehabt und mehrere Gedichte von mir sind veröffentlicht usw. Mein Buch ist auch veröffentlicht, ja.
MA: Ich habe mal so ein bisschen natürlich recherchiert und habe gesehen da auf dem Andiamo Verlag, dass es angekündigt wurde, dass es jetzt publiziert ist. Ich habe nämlich auch so gesucht, aber ich habe dann im Internet nur ein Gedicht gefunden im Internet, „Der Baum“.
FA: „Beim Baum“.
MA: Ah „Beim Baum“, genau.
FA: Ich habe es genannt "Beim Baum", obwohl man nicht benutzt, man sagt „bei dem Baum“ oder „bei einem Baum“, aber ich habe es „Beim Baum“ genannt.
MA: Ja, das heißt als Sie dann wussten, Sie kommen zum Stipendium her, haben Sie dann sich so innerlich vom Iran verabschiedet oder haben Sie gedacht, ich komme jetzt mal und kucke oder wie war das da so vom…? Haben Sie gedacht, ich immigriere jetzt, oder haben Sie gedacht, ich gehe jetzt einfach mal und mache meine Doktorarbeit oder… also mache nur so einen Auslandsaufenthalt, wie war das aus damaliger Sicht?
FA: Das war eine Erwägung, d.h. ich habe gedacht eigentlich… Also ich war damals wie gesagt noch an der Uni Teheran als freiberuflicher Privatdozent tätig und ich wusste, dass sie mich nicht fest einstellen, weil ich ja nicht ideologisch zu denen gehörte. Ich hatte auch in der Studentenzeit, aufgrund der Aussagen, Äußerungen einiger Mitkommilitonen über mich, dass ich irgendwelchen dritten Imam von Schiiten beleidigt hätte, auch einige Probleme mit irgendwelchen Radikalen, dieser islamische Verein der Uni und diese vom iranischen Geheimdienst geführte Aufsichtsabteilung usw. Das Wort Aufsicht ist in der deutschen Sprache schön, Aufsichtsbehörde und so. Aber ich weiß nicht, wo ich ein ganz anderes Wort vielleicht finden muss, jedenfalls einfach um zu wiedergeben. Eins zu eins übersetzen sage ich Aufsichtsbehörde, weil es ist keine Aufsicht, es ist eine…
MA: Repressions…?
FA: Repressionsbehörde, ja. Behörde ist sowieso gar nicht, ist alles so, sind alles Läden. Jedenfalls habe ich auch mit denen schon einige Probleme bekommen und das war klar… Also als ich auch im MA-Studiengang aufgenommen wurde, zwei Monate später hat man mich wieder ausgefragt, „Also zur Studentenzeit hatten Sie damals den dritten Imam – Imam Hussein – beleidigt, haben fünf Ihrer eigenen Mitkommilitonen gesagt, was sollen wir jetzt machen? Jetzt haben Sie den ersten Rang erhalten, jetzt wollen Sie weiter studieren“, diese Uni – da wo ich mein MA-Studium gemacht haben – diese Universität ist für die Leute, die vom… man nennt das Hisbollah, sie haben das gehört das Wort Hisbollah. Im Iran ist unter Iranern solche Leute, die regimetreu sind, nennt man Hisbollah-Leute. Und sie sagen dasselbe auch, sie sagen wir sind Hisbollah und diese Uni ist für die Hisbollah-Leute überhaupt gegründet, und ja. „Würden Sie“, hat der Mensch mir gesagt, „also wenn sie in diesen drei Jahren Ihren Mund halten und nichts sagen, mit niemandem reden, lasse ich Sie weiter studieren. Würden Sie es machen oder nicht?“ Habe ich gesagt, „Ja, mache ich“. Ich rede sowieso mit niemandem, ja, okay. Außerdem habe ich ihren dritten Imam gar nicht beleidigt. Dann hat er so, „Okay, ja gut, weil Sie den ersten Rang hatten und guter Junge sind wie ich Sie sehe und dann okay, dann können Sie weiter studieren“. Und ich habe natürlich in diesen drei Jahre keine…, weil die sind alle Idioten, fast alle, die Leute, die dort rumlaufen, alle haben an dieser besonderen Uni haben alle – wie er auch sagte – haben alle große Posten überall, also und viele Leute, die jetzt in der Regierung sind, haben dort studiert und irgendwie einen Titel gemacht und irgendwie haben sie große Posten in der Regierung usw. Aber bei mir war so, zu der Zeit, ich war – und eine andere Frau, die auch in Deutschland gelebt hatte, zurück gekommen war – wir beide wurden in diesem Jahr aufgenommen, und wir zwei, d.h... und wie ich Ihnen gesagt habe, unterrichtete ich auch an der Uni Teheran und unser Professor Dr. Rahnema, der hat, wenn mal was zu bereden war, haben wir uns alle an der Uni Teheran getroffen, gar nicht in den Räumen von Uni […???]. Und das ist im Iran möglich alles, weil er war der Chef der deutschen Abteilung der Uni Teheran, gleichzeitig Chef der deutschen Abteilung von dieser Universität für Dozentenausbildung und natürlich haben sie dort irgendeinen Raum, wenn wir mal was zu besprechen hatten. Aber wir gingen nicht dahin, trafen uns da. Das heißt ich musste gar nicht mit den Leuten dort, die meistens so engstirnig waren, überhaupt in Kontakt kommen. Deswegen habe ich diese drei Jahre überstanden, ja. Das habe ich deswegen gesagt diese ganze Sache, weil Sie gefragt haben…
MA: Ob Sie gleich, ob Sie an Immigration dachten oder an Auslandsaufenthalt.
FA: Deswegen habe ich mir gedacht, „Okay, ich weiß doch, dass ich hier solange ich weiter so unterrichte lassen sie mich, weil die Studenten zufrieden sind, weil sie auch so was brauchen, so eine Person wie mich“. Aber auf der anderen Seite habe ich mir gedacht, „Wenn ich dann das Studium in Deutschland beende und dort eine bessere Arbeit finde, dann bleibe ich da“. Das heißt, „Dann emigriere ich, also dann bleibe ich da“, habe ich mir gedacht. Wobei ich natürlich dazu tendierte, habe ich mir gedacht, aufgrund meiner Situation, meiner besonderen Probleme, die ich mit diesen Islamisten hatte, habe ich gedacht, „Ich glaube, ich bleibe in Deutschland“. Wissen Sie, wahrscheinlich habe ich gedacht, natürlich habe ich auch die Hoffnung gehabt, damals dachte ich vor zwölf Jahren, dass diese Mullahs bald gehen, aber jetzt weiß ich, dass sie niemals weggehen werden und hier bleiben. D.h. jetzt weiß ich, dass ich in Deutschland bleibe und bleiben muss auch. Aber damals…
MA: Stimmt, damals war ja der Chatami, wo man so dachte, dass es vielleicht besser…
FA: Jaja. Nein das ist inzwischen klar, dass sie wirklich bleiben. Und je brutaler sie werden, desto mehr und länger sie bleiben werden. Und die Europäische Union, die USA können nichts machen gegen sie, weil sie selber auch daran Schuld sind, dass sie jetzt im Iran überhaupt sind, das ist auch ein anderer Punkt. Und wenn ich etwas sage was politically incorrect ist, können Sie es mir sagen Frau…
MA: Ne, ich habe da jetzt keine…
FA: Ich sage meine innere Wahrheit, es gibt nicht meine Wahrheit, es gibt Millionen Wahrheiten und ich sage meine Wahrheit.
MA: Die ist auch hier interessant, die ist hier gefragt, das ist alles, was hier gefragt ist.
FA: Vielleicht irgendwann stellt sich heraus, dass meine Wahrheit mit der allgemeinen Wahrheit auch identisch ist, aber erst mal wenn jemand andere Meinung hat, „Was meinen Sie dass die Europäische Union eigentlich auch Anteil hat, das kann man da nicht“, das kann ich begründen auch.
MA: Nein, also ich habe mich auch mit amerikanischer Außenpolitik befasst und habe da so einen gewissen Einblick, von daher bin ich da mehr oder weniger d‘accord.
FA: Das ist aber Fakt, das hat jetzt mit meiner inneren Wahrheit usw. nichts zu tun. Das wusste ich schon durch einige Wissenschaftler, iranische Wissenschaftler, die in Frankreich leben, die das Buch herausgebracht haben, aber jetzt ist sogar in YouTube zu sehen, dass einige amerikanische politische Persönlichkeiten das gesagt haben, deren Namen ich nicht kenne und nicht kennen möchte, aber das kann man sehen. Es sind auch… Ja, dieser Fakt: Jimmy Carter, der zur Schah-Zeit, bevor der Schah gehen musste, amerikanischer Präsident war, ist jetzt raus gekommen nach dreiunddreißig Jahren – jetzt für alle ist raus gekommen –, dass er hundertfünfzig Millionen Dollar auf das Konto von Anhängern von Chomeini in Paris überwiesen hatte, damit sie die Leute im Iran mobilisieren mit irgendwelchen dummen Sachen. Damals waren Islamisten und Linke auch.
MA: Die sind ja am Anfang auch…
FA: Die waren ja mehr verantwortlich als die Mullahs. Die Mullahs waren irgendwelche Leute, die nur an drei Dinge denken: Essen, also fettiges Essen, Opium und Frauen. Also das ist die Welt von Mullahs. Aber die Linke, die glaubten intellektuell zu sein und die Welt zu verstehen usw. und auch alle Muster von Europa auch überall übertragen zu können, haben dort die Leute aufgestachelt und mit diesem Geld, also hundertfünfzig Millionen Dollar von Jimmy Carter. Dann wurde der Schah weggebracht und dann Chomeini reingebracht.
MA: Die Amerikaner haben viele Monster geschaffen, die sie dann nicht mehr bändigen konnten. Das war ja in der Region allgemein so. Ich meine das ist ja schon seit vielen Jahren aus dieser linken Geschichtsschreibung wurde das halt so gesagt und da gab es halt Indizien, so richtig handfeste Beweise, die kommen ja dann auch nur peu-à-peu ans Licht und das bestätigt sich ja meistens, dass es so war auch.
FA: Für wissenschaftlich denkende Menschen wie ich oder Sie ist es auch schwierig mit ungebildeten, unwissenden Menschen zu reden, weil z.B. wenn ich so was sage glauben sie – Entschuldigung, das Wort „blöd“ muss ich benutzen –, glauben Sie so blöd, dass ich Monarchist bin, dass ich jetzt einer bin, der dafür ist, dass nochmal die Monarchie kommt, was ja gar nicht möglich ist, es ist vorbei. Das ist es nicht, das sind nur Fakten. Ich bin auch kein Cousin vom Schah gewesen, ich war zehn Jahre alt. Aber es geht um Wahrheit, es geht um die Wirklichkeit. Es geht darum, dass man wirklich, dass ich als Iraner die zeitgenössische Geschichte meines Landes kenne und weiß, woher ich komme und was alles passiert ist. Das hat mit Monarchismus, Marxismus, Idiotismus, gar nichts zu tun, das ist die Wahrheit. Aber viele Menschen – weil sie auch Angst haben, weil sie auch keine Ahnung haben – kann man gar nicht reden. Aber trotzdem sage ich das weiterhin. Jedenfalls ist es so, dass das passiert ist und das sind Dinge, die glaube ich… In Deutschland z.B. es war ein sozialistischer deutscher Studentenbund oder so was ähnliches. Ich weiß nur dass irgendein Mensch, ein damals linksradikaler namens Horst Mahler da an der Spitze dieses sozialistischen deutschen…
MA: SDS glaube ich hießen die, ja.
FA: Sozialistische deutsche Studenten, also SDS, genau so was ähnliches. War die dann mit Lüge, wie auch wieder durch einen anderen Linken, der jetzt in London lebt, raus gekommen ist, dass sie gelogen haben. Haben gesagt, dass in den Gefängnissen von Schah hunderttausend politische Gefangene sich befinden. Und dadurch haben sie ein Monster von ihm gemacht usw., das Geld war da, es ging um Propaganda, um so was zu machen. Haben sie auch sehr gut geschafft so was zu machen. Als dann der Schah weggebracht wurde und Chomeini reinkam, schon davor kam dieser Dr. Bahti, der auch ein Feind von Schah war, den aber der Schah selbst als Premierminister eingesetzt hat, bevor er das Land verließ, der hat Gefängnisse aufgemacht. Das waren 2750 politische Gefangene und viele Leute gehörten zu den terroristischen Volksmudschaheddin, die leider jetzt vor ein paar Tagen USA aus der Liste der terroristischen Organisationen gestrichen hat, aber trotzdem sind sie für mich und viele Iraner, Millionen Iraner, sind sie Terroristen, weil es zu Schah-Zeit und danach auch interessanterweise zu Chomeini-Zeit, deswegen sind sie auch vom Chomeini-Regime verfolgt, Terrorakte begangen haben usw., oder Linksradikale getötet. Wir sind Nachbarn von Sowjetunion gewesen, viele die da Agenten des KGB waren und in der iranischen Armee überall ihre Finger hatten. Ja, also durch Lüge, ich wollte nur durch dieses Beispiel, Horst Mahler… Und dieser Horst Mahler ist heute rechtsradikal. Heute ist er rechts, damals war er linksradikal gegen Schah, heute ist er rechtsradikal für Ahmadinedschad. Er wollte zur Holocaust-Konferenz, zu der Ahmadinedschad aufgerufen hatte. Die deutschen Behörden haben ihn nicht nach Iran reisen lassen. So sind Menschen, manche Menschen.
MA: Opportunisten.
FA: Opportunisten, die dann wirklich aber auch für ein Land gefährlich sein können. Und die iranischen Studenten, die alle vom Schah ihr Geld bekommen hatten und wie manche deutschen Freunde von mir, die damals mit Iranern studiert haben, sagen, „Denen ging es blendend, alle Frauen wollten nur mit Iranern zu tun haben, weil sie alle reich waren und auch gut aussahen“. Genau die sagten – wie gesagt meine deutschen Freunde, die jetzt sechs oder fünfzig Jahre alt sind – die sagen, auf einmal waren sie alle gegen den Schah, auf einmal, aufgrund dieser Propaganda und dieses Geld durch USA. Haben sie gesagt, auf einmal war Chomeini der beste Mensch dieser Erde und der Schah war das größte Monster dieser Erde und jetzt… Und dann, nachdem Chomeini kam, sind alle wieder zurückgekehrt wieder nach Deutschland oder wo sie waren. Haben nur das Elend für die Leute im Iran gebracht. Und ich war zehnjähriges Kind, also war in der Schule, wir hatten eine Lehrerin ganz schön, ganz normal mit Rock und ohne diese Kopftuch, sehr schöne Lehrerin haben wir gehabt. Am Tag danach, nachdem die sogenannte Revolution war – ich wiederhole sogenannte Revolution –, auf einmal haben wir einen Lehrer bekommen mit Bart und mit dieser Gebetskette. Auf einmal von einer schönen Frau kamen wir zu einem Monster. In den Pausen haben wir immer als Kinder sehr schöne Musik gehört und das war sehr schön, ist immer noch in meinem Ohr. Auf einmal dieses arabische, aus diesem arabischen Buch von so vielen Jahrhunderten voller Fehler, grammatikalisch… also jedenfalls mussten wir irgendwelche arabischen Sachen hören anstatt Musik, schöne Musik. Und dann zur Schah-Zeit war das auch, wir waren so eine Mittel-Familie. Aber auch im ganzen Land, egal ob in höheren Schichten oder mittleren oder unteren, alle Kinder haben – und das ist natürlich ein…natürlich haben die Eltern auch etwas den Kindern gegeben für die Pause, aber das ist was anderes gewesen, so eine schöne… Auf einmal kleine Pause, da war jemand hat jedem Kind eine Banane oder Milch gegeben usw. Zur Schah-Zeit war das, alles kostenlos dann auch. So habe ich als Kind die Revolution wahrgenommen, dass auf einmal, ich wiederhole nochmal, anstatt eine nette Lehrerin ein bärtige Mann mit Gebetskette, anstatt schöne Musik arabische Sätze vom Lautsprecher und anstatt dieses schöne Gefühl, „Jetzt essen wir mal in der Pause“, nichts! Mädchen und Jungs waren wir vorher in einer Klasse, dann nicht, sogar als Kinder. So habe ich das, die sogenannte Revolution erfahren oder empfunden und schon als zehnjähriges Kind. Und ich benutze dieses Wort, das auch vielleicht nicht benutzt werden muss, ich hasse alles, was irgendwie mit irgendeiner religiösen Haltung zu tun hat, obwohl ich intellektuell und analytisch versuchen muss und auch kann zu differenzieren. Ich kann auch differenzieren und sagen, es gibt radikale Moslems, es gibt gemäßigte Moslems, es gibt gute, tolle Moslems, es gibt schlechte, das kann ich auch, aber das mache ich nicht. Also ich persönlich habe überhaupt mit dieser Haltung Probleme. Aber weil ich auch Demokrat bin und genauso wie Sie und alle anderen auch an die Religionsfreiheit glaube. Aber Religionsfreiheit ist für mich auch die Freiheit von der Religion, also wenn ich frei von Religion sein will, kann mir ein Religiöser nicht sagen, „Wir müssen Dich töten“, was im Text vom Islam steht. Weil ich sage auch nicht, „Aus meiner Sicht bist Du auch blöd“, also man könnte… „Soll ich Dich dann töten?“, nein. Aber der sagt, weil ich aus der Sicht eines Religiösen irgendwie Abtrünniger bin und getötet werden muss, das ist das Problem mit der Religionsfreiheit wieder, aber trotzdem… In Deutschland sowieso gibt es kein Problem. Ich glaube im Iran, nicht in den islamischen Ländern weiterhin noch nicht, d.h. weil es wie gesagt im Kern des Islams verankert ist, deswegen… ja. Das sind die komplexen Sachen, die überhaupt für mich als Iraner oder auch andere Iraner, ob sie es so formulieren können oder nicht, die meisten können es gar nicht, weil sie auch Paranoia haben, Schizophrenie. Wissen Sie unsere Geschichte ist sowieso groß und bei uns in der neuesten Geschichte können sie das nicht so formulieren, aber ich formuliere das so, und entweder ist es richtig oder es ist falsch, aber für mich ist es richtig, sonst hätte ich es nicht gesagt. Im Laufe der Zeit wird wahrscheinlich auch klar sein, ob ich Recht hatte oder habe oder die anderen, die was anderes meinen. Aus.
MA: Ja, ja. Das ist ein großes Thema. Genau, d.h. Sie sind dann gegangen, ein bisschen offen noch so alles, was passiert. Was haben Sie damals mitgenommen? Also haben Sie etwas zurück gelassen, wo Sie dann im Nachhinein gedacht haben, hätte ich das doch nicht zurück gelassen?
FA: Meinen Sie etwas Konkretes?
MA: Erst mal materiell jetzt.
FA: Ich hatte nur Bücher gehabt, die ich immer noch habe, tausend, ungefähr tausend Reclam-Bücher, die ich damals von, das war das damalige Goethe-Institut habe ich irgendwie erwerben
können, in Kartons bei meiner Mutter heute nach zwölf Jahren sagt sie noch, „Was soll ich machen, soll ich sie weg tun?“ „Nein, Bücher schmeißt man nicht weg, lasse sie da bleiben.“ Bücher und Kleidung.
MA: Sind Sie eigentlich – das wollte ich vorhin auch nochmal fragen – wahrscheinlich auch nicht mehr seitdem im Iran gewesen oder doch?
FA: 2000 kam ich, 2001 wegen einer Forschungsarbeit – damals wollte ich über das akademische Schreiben im iranischen Deutschunterricht was schreiben, bin ich dann durch das wieder durch DAAD zwei Monate war ich im Iran gewesen. Kam ich wieder dann sechs Jahre bin ich nicht, dann danach bin ich wieder ein Mal.
MA: Ach so, Sie können reisen?
FA: Ich kann reisen, ja.
MA: Also den Status den Sie jetzt haben, Sie können auch reisen.
FA: Jaja, ich kann reisen. Jaja.
MA: Haben Sie jetzt hier so eine Aufenthaltserlaubnis oder was…?
FA: Ich habe unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
MA: Und damit können Sie auch, da haben Sie auch keine Probleme, wenn Sie in den Iran gehen…?
FA: Ich hätte auch vor zwei Jahren hätte ich deutschen Pass beantragen können, aber aus Faulheit habe ich es bis jetzt noch nicht gemacht. Nur aus Faulheit, ansonsten… oder mache ich… hätte ich den auch haben können.
MA: Gut, und dann waren Sie in Bochum. Was hat Sie eigentlich von Bochum nach Mannheim dann geführt?
FA: Also durch einen Freund, der hier lebte, kam ich nach Mannheim und dann… Vielleicht durch diese bessere Atmosphäre, habe ich empfunden... Irgendwie hat mir die Stadt viel besser gefallen als Bochum.
MA: Wie war es in Bochum so, also wie war da Ihr Leben?
FA: Ja gut, da lebte ich in einem Studentenwohnheim und, wie soll ich jetzt sagen, obwohl ich an der Uni viele Freunde hatte war die ganze Stadt im Laufe der Zeit für mich ganz… ein bisschen trostlos. Aber als ich dann her kam, irgendwie auf einmal im Vergleich… von Bochum kam ich nach
Mannheim, irgendwie weiß ich nicht, also vielleicht weil dieser Freund hier, ein bisschen vielleicht wurde mir alles…
MA: Ich meine Mannheim ist ja jetzt auch eigentlich gar nicht so… keine schöne Stadt in Anführungszeichen.
FA: Aber ist schöner als Bochum glaube ich.
MA: Ja, Bochum kenne ich jetzt nicht.
FA: Ist mir schöner vorgekommen.
MA: Das heißt es hat Sie dann angesprochen rein vom ästhetischen oder waren es andere Punkte?
FA: Menschlich auch, also wie gesagt, dieser Freund hat gesagt, „Ah, ich fühle mich hier wohl“. Da habe ich das Schloss gesehen zum Beispiel – ich weiß nicht, es ist vielleicht kindisch, aber jedenfalls habe ich gedacht… Uni Bochum ist alles Beton, Uni Mannheim ist ein Schloss. Oder dieser Marktplatz usw., in Bochum gibt es auch solche Sachen, das ist ganz anders so. Oder überhaupt das Wetter habe ich damals besser gefunden als in Bochum. Und dann musste ich auch keine Seminare machen, meinem Professor habe ich gesagt, „Okay, ich habe jetzt vor nach Mannheim zu gehen“, „Kannst Du machen, weil wir können auch per Mail in Kontakt sein, müssen uns nicht jeden Tag sehen“ und so. Dann kam ich halt einfach und so und dann, ja.
MA: Und wo haben Sie hier erst mal gewohnt, auch im Studentenheim wahrscheinlich?
FA: Hier nicht, nein. Vielleicht wollte ich auch irgendwie aus dem Studentenheim, also dort hatte ich keine Motivation gehabt. Auf jeden Fall bekam ich Motivation, ich glaube so ein Jahr, warum soll ich… weil ich hatte auch dort keine Wurzeln geschlagen, dass ich unbedingt da bleibe. Warum bin ich überhaupt nach Bochum gekommen? Weil ich ja, als ich diesen Antrag auf Stipendium stellen wollte, hatte ich von der deutschen Botschaft ein Buch bekommen „Verzeichnis der deutschen Hochschullehrerinnen und -lehrer“. Da habe ich in Bezug auf das Thema, das ich schreiben wollte, erst mal kucken müssen, welche Professorin oder welcher Professor zu dem Thema meiner beabsichtigten Arbeit Arbeit macht, und da habe ich eine Frau Prof. Inge-Christine Schwertfeger gefunden, die an der Uni Bochum war. Nicht nur ihr, also ich habe mehrere Brief geschrieben, damals schon vom Iran. Und unter anderem von ihr habe ich Betreuungszusage für die Promotion bekommen. Und dann habe ich auch der deutschen Botschaft mitgeteilt, dass ich jetzt nach Bochum gehe. So kam ich nach Bochum. Bochum habe ich auch nicht so richtig... weil ich gar nicht hier war. Alles war schon bevor ich nach Deutschland komme alles gemacht, d.h. Bochum habe ich gewählt, Frau Prof. Schwertfeger war gewählt, als ich herkam hatten sie für mich ein Studentenwohnheim gemietet, ein Konto bei der Dresdner Bank eröffnet, mein Ticket bezahlt mit Lufthansa aus Teheran nach Deutschland. Also so kam ich nach Deutschland. Oder ich meine nach Bochum. Aber Mannheim habe ich selber gewählt. Bochum habe ich auch selber gewählt, aber von weitem. Mannheim habe ich gesehen und gewählt. Ich weiß nicht, ob das jetzt das jetzt… das hat mit Sachlichkeit in dem Sinne nichts zu tun, ist auch nicht sachlich gewesen, weil ich bin auch in solchen Bereichen gar nicht sachlich, also das hat mit Sache nichts zu tun, es ist eine andere Sache [lacht], ja.
MA: Ja und hat sich das dann so bestätigt, im Vergleich mit Bochum, dass…
FA: Ja, irgendwie ja.
MA: Wie schnell haben Sie die Entscheidung getroffen auch, war das dann so eine spontane Entscheidung oder haben Sie da noch lange überlegt?
FA: Nein, ich habe nicht lange überlegt, ganz schnell. Oder musste ich lange überlegen, damit ich als…
MA: Nein.
FA: …vernünftige Mensch bezeichnet werden kann? [lacht]
MA: Ich sag nur es gibt spontane Entscheidungen und es gibt…
FA: Und da bin ich nicht vernünftig, was ich nicht schlecht finde, also ich bin nicht immer vernünftig. Also in diesem Falle war ich auch vielleicht nicht… nein, also das kann man nicht sagen, vernünftig.
MA: Nein, ich denke es gibt manchmal so spontane Sachen, die man macht und manchmal, wo man eher so, „Hm, soll ich, soll ich nicht?“
FA: Ja so war es. Nein, nein ich bin kein Zauderer, ich bin also… Nein, also das war kein Problem und ich habe es auch nicht bereut. Weil ich auch immer noch in Bochum meine Freunde habe, mein Professor und Uni kann ich gehen, also in die Universität Bochum, also hier auch. Ne, hier ist irgendwie, hat mir besser getan. Natürlich das hat mit hier und dort nichts zu tun. Generell wir Menschen überall wo wir leben, es gibt Strukturen, die schön oder unschön sind und das ist überall so, überall in dieser Welt, das Leben ist nicht unbedingt so auf ein Urteil zu reduzieren. Es ist ein multifaktorielles Phänomen wie sich ein Mensch wohlfühlt, nicht nur hat mit Ort zu tun, das hat mit vielen anderen Faktoren zu tun. Und vieles hat mit dem eigenen Ich zu tun, von innen nach außen, wie man von innen das Außen sieht. Und wir sind auch nicht draußen zu finden, sondern wir sind drinnen zu finden aus meiner Sicht, deswegen… Ja, dieses Thema ist ein bisschen… nicht so linear zu besprechen.
MA: Ja dann, ich weiß nicht genau wie es in Bochum ist, aber ich denke mal das ist ähnlich, dass da auch viele Migranten leben…
FA: Ja.
MA: Deshalb vielleicht auch nochmal die Frage zurück auch jetzt Bochum und auch Mannheim betreffend, wie das für Sie in der Anfangszeit war, wie Sie das empfunden haben, dass Sie jetzt nach Deutschland kamen und dann in Städten waren, in denen so viele Migranten sind? Wie haben Sie das empfunden oder wie war das für Sie, oder wussten Sie das oder… ja, wie war das für Sie?
FA: Das wusste ich nicht so. Deutschland hatte ich so diese klischeehaften, stereotypischen Sachen über Deutschland im Kopf gehabt. Bei mir ist der Unterschied, dass ich dann gleich an die Uni kam, und Uni ist…
MA: Ist nochmal eine andere Welt.
FA: …klar, dass es… Natürlich ich bin selber auch Ausländer, es sind nicht nur Inländer, das ist klar, da sind auch Ausländer, ausländische und inländische Studenten. Das ist kein Problem das Thema an der Universität kann man das…
MA: Sowieso international, jaja.
FA: Ja, das ist so. Danach dann, indem ich dann in den Städten gesehen habe und irgendwelche Konflikte zwischen den… Und dann im Fernsehen gesehen habe, es ist ein großes Thema, dieses Thema Integration. Weil es ein großes Problem ist, weil es keine richtige Integration gibt. Dann habe ich gemerkt, ja, das ist… Und dann habe ich selber auch irgendwelche Dinge erfahren und habe gemerkt, ja, das ist echt wirklich ein großes Problem. Aber als Doktorand an der Universität es war normal, dass man alles aus anderen Ländern sieht, ja.
MA: Und jetzt für Ihr Leben hier in Mannheim, wie empfinden Sie das, so eben hier ist es auch sehr prägend einfach für die Stadt…
FA: Ja, ja.
MA: Was für eine Empfindung haben Sie dazu?
FA: Hier ist auch so, dass ich auch weiterhin sehe, dass das, was man sich unter einer perfekten – falls es so was geben könnte – Integration vorstellen kann, nicht gibt. Zumal ich auch selber als einer der sieben Jahre in Integrationskursen unterrichtet hat, der Meinung bin, dass dieser schöne Satz, der im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gesagt wird, „Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration“ – ich sogar als Sprachlehrer und einer der seit zwanzig Jahren ungefähr Deutsch unterrichtet und hier auch, wie gesagt, seit einigen Jahren – diesen Satz sehr naiv finde, sehr naiv. Weil erst mal können sie so wie sich die deutsche Gesetzgebung vorstellt die Sprache lernen, also obwohl es Methoden des Unterrichts als Deutsch als Zweitsprache, durch kommunikative Methode oder Handeln, handlungsorientiertes Unterrichten usw. versucht wird, oder in der Klasse Binnendifferenzierung als Lehrer in dem Klassenraum, alles Mögliche versucht wird wirklich die Sprache richtig denen beizubringen. Aber das bringt nichts, außer für diejenigen, die wirklich selber auch von sich aus diese Selbstständigkeit, persönliche Selbstständigkeit haben etwas zu lernen, ansonsten für die, die das nur für eine Überbrückung der Zeit machen und alleine die Sprache bringt noch keine Integration, sondern Kultur. Das Wort Kultur ist auch ein sehr großes Wort, aber ich will damit meinen, kulturelle Integration ist wichtiger, d.h. dass die Leute irgendwie mal akzeptieren, sie sind selber hierhergekommen, da wo sie waren hat bestimmte seine schöne Seiten auch gehabt, hier hat auch außer seine schöne Seiten – genauso wie bei ihrem eigenen Land auch – seine schlechten Seiten. Aber sie müssen das trennen können und sich wirklich mit dieser Gesellschaft arrangieren können. Was viele nicht machen, viele nicht machen, und ja, deswegen hat der Sprachunterricht an sich überhaupt keinen Sinn. Sogar dieser Orientierungskurs, den ich auch mal unterrichtet habe, das bringt auch nichts. Viele Kollegen von mir machen, arbeiten nur den Test so wie er im Internet ist, ab. Ich war sogar als Ausländer, die waren Inländerinnen, sie haben keine Lust gehabt dieses Buch, das wir von Huber hatten, richtig zu unterrichtet. Die haben gesagt, „Ah, die verstehen mich gar nicht, warum soll ich das machen? Und bei einigen Kapiteln der Geschichte habe ich auch mulmiges Gefühl, kann ich gar nicht unterrichten“. Ich war derjenige, der die ganze Zeit richtig mit den Leuten über die Fragen offen gesprochen hat. Und dann habe ich ihnen auch viel beigebracht. Aber trotzdem bringt es für ihr Leben in Deutschland nicht so viel, weil sie auch an ganz andere Dinge denken. Das ist der eine Aspekt, der andere Aspekt ist: Es muss auch Integrationskurse für einige Deutsche geben, dass die sich in das heutige Deutschland integrieren können. Also ich fordere – also wenn ich könnte, hätte ich gefordert – Integrationskurse für Deutsche. Nicht Sprache, sondern kulturell, gesellschaftliche Deutschlandkunde kann man nicht sagen, naja…
MA: Soziokulturell vielleicht.
FA: Soziokulturelle Integrationskurse für Deutsche, ja. Damit es dann eine gegenseitige…, weil es muss eine Gegenseitigkeit geben, man kann nicht nur von diesen Menschen mit Millionen anderen Kulturen oder Subkulturen verlangen, dass sie sich integrieren und dann man selber von oben herab sagt, „Also, ja, wir wissen es besser“. Weil es gibt viele, die es gar nicht besser wissen, also einige Deutsche. Viele Deutsche sind gebildet und aktiv in der Gesellschaft, wissen das, aber ich rede von der Masse der Gesellschaft nicht von den Intellektuellen, gebildeten Menschen. Deswegen wäre gut, wenn sie auch Integrationskurse bekämen per Gesetz. Also aber das wird natürlich, ist witzig was ich sage, wird auch nicht passieren.
MA: Das Bildungssystem, das allgemeine Bildungssystem könnte man ja schon einiges machen im Grunde, was auch auf die Mehrheitsgesellschaft… Zwar jetzt nicht auf die Erwachsenen mehr, aber zumindest auf die Kinder und auf die nachfolgende Generation, da könnte man ja ansetzen. Von daher ist es nicht witzig und ist es auch keine Utopie, sondern wäre eigentlich das, was gemacht werden müsste im Grunde.
FA: In irgendwelcher Form…
MA: Also Bildungsinhalte, die eben eine andere gesellschaftliche Struktur auch entwerfen. Meiner Meinung wäre das sogar eben auch auf der strukturellen Ebene und institutionellen Ebene müsste man ja auch ansetzen. Überhaupt so diese Gesellschaft auch zu erschaffen, was ja auch so eine Grundvoraussetzung wäre, um… also jetzt aus meiner Sicht, denke ich. Ich sage Ihnen nur ein Beispiel, was jetzt die Repräsentierung von Migranten in verschiedenen Positionen betrifft, in der Politik, in der Verwaltung, also da. Und was so Ausgrenzungsmechanismen betrifft, die wirklich auch institutionell und strukturell dann sind und die betreffen ja dann auch viele Menschen, die schon lange hier sind, schon in der dritten Generation, also das ist ja ein ganz komplexer… Also so, das ist jetzt meine Perspektive. Ich würde gerne nochmal mit den Kursen fragen, weil da haben Sie ja auch Erfahrung. Also ich habe jetzt auch im Rahmen dieses Projekts einige, das waren Frauen eigentlich, gesprochen, die zum Teil auch mit akademischer Bildung eben, also als – alle beide waren Heiratsmigrantinnen sozusagen mehr oder weniger, aber die eine auch mit einer akademischen Bildung –, die trotz dieser Kurse dennoch noch nicht die Sprache sprechen kann, und wo von beiden irgendwie auch so dieser… kam, dass diese Kurse eben nichts gebracht, also sie nicht dazu geführt hätten auch aktiv diese Sprache jetzt zu sprechen…
FA: Richtig, ja.
MA: …und Erfahrungen, die sie eben draußen gemacht haben, sei es jetzt bei der Jobsuche oder auch so im alltäglichen Leben, sie dann eher davon abgeschreckt haben oder verunsichert haben. Und das, was sie gelernt haben und was sie so als passives Wissen eben haben, gar nicht aktiv sich auch trauen umzusetzen. Und das fand ich dann auch sehr… also man hört ja immer wieder so… und ich fände es jetzt mal so auch interessant, Sie als Sprachlehrer also als Lehrer, wenn Sie das vielleicht nochmal so ein bisschen ausführen würden, weil das ist eine interessante Frage.
FA: Das kann ich aus drei Aspekten analysieren. Erster Aspekt, das ist das Phänomen der Fossilierung, d.h. sie sind aus ihrem Land nach Deutschland gekommen, haben erst mal unter Landsleuten falsches Deutsch gelernt, das hat sich etabliert in ihrem Kopf und fossilliert und wenn sie jetzt auf einmal per Zuwanderungsgesetz zum Deutschkurs gezwungen werden und das sind Zwangsdeutschlehrer – im Grunde genommen – ist es für den Lehrer oder überhaupt für das ganze System schwer, diese Fossillierung aufzuheben und die richtige Strukturen, also das richtige Deutsch dann beizubringen.
MA: Wobei bei den zwei Frauen, die sind direkt als sie gekommen sind, direkt, das war… Solche Fälle gibt es ja auch oft, aber bei denen jetzt, die zwei die ich im Sinne habe, die sind direkt, als sie gekommen sind praktisch haben sie direkt mit den Kursen angefangen, also bei null beide, beide bei null.
FA: Das hat entweder mit ihrer eigenen fehlenden Sprachtalentierung zu tun oder aufgrund des Drucks, der aus sie ausgeübt werden müsste, weil also wenn man erst mal in ein anderes Land kommt und das sind auch alles persönliche Geschichten dahinter, das sind ja auch Erwachsene, sie haben ja auch für sich irgendwelche Träume oder Wünsche, Bilder in ihrem Kopf. Und auf einmal Deutsch lernen müssen, das ist ein anderes Thema, das heißt… Oder vielleicht gibt es auch in Bezug auf Methodik und Didaktik, gerade seitens der Lehrer Probleme – was es auch gibt natürlich. Ja, also erst mal dieser erste Aspekt Fossilierung, wollte ich über die Leute sagen, die schon lange hier sind. Das zweite ist sowohl bei denen als auch bei diesen einzelnen Ausländern so, dass sie LSS aus bürokratischen Gründen machen müssen und machen auch selber. Und sie sagen sich, wenn man das von ihnen ganz klipp und klar verlangt, dann machen sie es auch. Es ist zielgerichtet auf das Erwerben von diesem Zertifikat Deutsch oder jetzt DTZ-Zeugnis. Das ist auch ein Problem, das heißt es ist keine wahre Motivation in Bezug auf die Sprache und Integration, sondern die Motivation bezieht sich auf das Erwerb eines Papiers, das denen mehr bringt als die Sprache zu lernen und deswegen kann man auch durch strategisches Lernen die Prüfung schon bestehen ohne aber richtig tief in der Sprache verwurzelt gewesen zu sein. Das ist der zweite Aspekt. Der dritte Aspekt ist auch, dass der… also ich habe darüber auch schon gesprochen, dass das Leben in Deutschland so was von kompliziert ist, dass man von Leuten, die erst mal neu gekommen sind nicht verlangen kann, dass sie erst mal alles andere vergessen und… Für einen Lehrer ist es so, ein Lehrer glaubt, die Leute, die da sitzen, müssen ihr ganzes Leben, dem was er unterrichtet widmen. „Weil ich so toll bin und weil ich Deutsch unterrichte. Die müssen das genauso toll finden“, das ist das Denken eines Lehrers. Aber könnte ein Lehrer so was denken, aber trotzdem hat es mit der Wahrheit, Wirklichkeit nichts zu tun, weil die Leute das zwangsweise machen erst mal. Auch wenn sie – nicht alle natürlich, es gibt Leute, die auch wirklich motiviert sind zu machen – aber sie haben auch andere Motivation für andere Dinge und die lassen es nicht zu, dass man ein optimales Ziel, was sie vielleicht meinen, erreichen kann. Aus diesen drei Aspekten haben wir das Problem. Wie gesagt, Fossilierung, also Orientierung auf den Erwerb des Zeugnisses und die multiproblematische Lebensweise am Anfang.
MA: Sie würden jetzt auch gar nicht sagen, dass es irgendwie didaktisch oder konzeptionell das Problem ist, so wie das dann angeboten wird, sondern dann eher eben aus dieser Situation einfach heraus.
FA: Didaktisch-konzeptionell gibt es auch natürlich… das ist was Fachliches, hat mit dem jeweiligen Verlag zu tun, dem jeweiligen Autor des Buches, das muss man immer wieder ganz anders…
MA: Runterbrechen, okay.
FA: Wäre zu sagen irgendwie Analyse. Da gibt es auch natürlich, es gibt zum Beispiel…
MA: Aber ich meine jetzt so vom Gesamtansatz her, ich meine ich weiß ja jetzt nicht, wie das da funktioniert.
FA: Vom Gesamtansatz, also das, was durch das Zuwanderungsgesetz beabsichtigt war, war auch eigentlich okay, das kann ich nicht in Frage stellen. Es geht nur um die Umsetzung dessen, was durch das… Und das ist nicht immer optimal, weil wieder alles auf den Erwerb von diesem Stück Papier gerichtet ist, und das wissen auch die Leute. Das ist auch so und es bleibt auch so, muss auch so sein, sonst kann man es auch gar nicht kontrollieren. Und viele Leute wollen erst mal kontrollieren und das ist wichtiger als alles andere, wie die Leute das sehen. Das wird auch ein sehr schwieriges Thema bleiben und auch zum Beispiel Leute die Partner haben, deutsche Partner haben, die machen auch gar nichts dazu, und das ist wirklich auch demotivierend für viele Leute. Ich kenne, ich hatte in diesen Jahren viele thailändische Frauen gehabt, die durch ihre deutschen Männer nach Deutschland gebracht worden waren, indem sie einander geheiratet hatten. Und jede, ohne Ausnahme, alle sagten das muss ich auch fragen, wichtig dass ich das fragen, welche Sprache sie zu Hause sprechen mit ihrem Mann oder… „Englisch“. Also der Mann hat bestimmt ein gebrochenes Englisch, die auch wie ich gesehen habe, mit gebrochenem Englisch sprechen sie zu Hause, eine Thailänderin und ein Deutscher sprechen gebrochenes Englisch zu Hause. Oder sprechen sie gar nicht, das ist ja genau die Sache wie kann man überhaupt mit einem Mann leben ohne mit ihm zu reden? Und zwar das auch als eine Frau, die mehr als ein Mann reden muss, obwohl ich als Mann auch genauso viel wie eine Frau reden kann, aber normalerweise wie kann man überhaupt so seltsam zusammen irgendwie so? Und ich habe gesagt, „Sagen Sie mal Ihrem Mann, er muss auch ein bisschen mit Ihnen Deutsch reden“. „Naja, der sagt, ‚ich habe keine Lust‘“. Weil der Mann keinen Bock hat seiner Frau zuzuhören.
MA: Einfach für den Mann.
FA: Wenn sie falsch sprechen will zu sagen, „Hey, so nicht“. Hauptsache ja, „Also ich will nur mein Essen, alles andere ist mir egal. Sprechen wir Englisch, dann reicht es für mich“. Und das ist auch echt ärgerlich für mich immer gewesen als Lehrer. Es geht mich nichts an, aber als Lehrer ging es mich an. Ich habe gesagt, „Hey“… und auch diejenigen, die mal was gefragt haben, hat der Mann, der deutsche Mann, ihnen irgendwas Falsches gesagt. „Mein Mann hat gesagt…“ Ich hab gesagt, „Dein Mann kann sagen was er will, es ist aber falsch. Nur weil Dein Mann deutsch ist, heißt das nicht, dass er Dir auch Deutsch unterrichten kann. Das ist falsch, fertig“. „Mein Mann hat gesagt, mein Mann hat gesagt...“ Ich erinnere mich an dieses Buch, Cartoon-Buch, das ich mal im Iran gelesen habe „Papa hat gesagt“. Das habe ich im Iran schon mal gehabt, da war ein Junge, der hat immer gesagt hat, „Papa hat gesagt“ und hier sagten die immer „Mein Mann hat gesagt, mein Mann hat gesagt“. Und wenn ihr Mann was Richtiges gesagt hätte, wäre es okay, aber der Mann… ja. Solche Aspekte muss man auch betrachten. Sie sind in Familien und kommen durcheinander. Ich bin ihr Lehrer, ihr Mann sagt was anderes, ihr Mann will… Jeder Mann und jede Frau ist die Beste, für jeden Mann ist seine Frau die beste Frau dieser Welt, für deren Frauen… und dann glaubt sie, weil der Mann, weil es ihr Mann ist, es sagt dann ist alles richtig. Und wenn ich sage Hey… der Mann ist natürlich der tollste Mann in dieser Welt, aber nicht in diesem Bereich. Also es ist auch wirklich ein Problem, das heißt wahrscheinlich muss es auch in den Schulen solche Probleme geben, dass der Lehrer sagt oder die Lehrerinnen sagen etwas und Vater vom Kind glaubt, „Nee, das hat Lehrerin so gesagt, es ist aber so“, also da bringt man auch das Kind in Schwierigkeiten. Ich kenne, wie gesagt, mein Beispiel war in Bezug auf deutsche Männer, die thailändische Frauen haben. Ich weiß nicht wie das die deutschen Frauen mit ausländischen Männern machen. Die sind, die Frauen sind glaube ich ein bisschen anders. Sie gehen auf den Mann ein, sie machen auch vieles für ihren Mann oder versuchen auch mit ihm Deutsch zu reden. Die Frauen sind, und da habe ich auch das Gefühl, die Frauen sind ohne Ausnahme, kümmern sich mehr um diese sprachliche Kompetenz ihres ausländischen Mannes als die Männer für die sprachliche Kompetenz der ausländischen Frau. Das muss man sagen. Aber generell das ist auch ein anderer Aspekt in Bezug auf diese Integration.
MA: Sehen Sie sich hier als Migrant lokal politisch repräsentiert, hier in Mannheim, wo Sie leben?
FA: Als Iraner oder überhaupt als Bürger?
MA: Als Bürger, als Migrant eben, weil Sie haben ja in dem Sinne… Ich weiß ja gar nicht, ob Sie sich als Migrant überhaupt sehen. Das ist ja auch so ein Begriff, also viele, habe ich jetzt auch gelernt, im Rahmen dieses Projekts, identifizieren sich auch gar nicht mit...
FA: Nein, ich bin Migrant.
MA: Aber es gibt auch einige, die sich da distanzieren und sagen, „Ne, so will ich mich nicht betrachten“.
FA: Nein, ich bin Migrant und bleibe auch Migrant, also weiterhin. Nein, nein, ich bin Migrant.
MA: Also sozusagen dass Ihre Rechte, ja, ich sage es jetzt mal auf lokaler Ebene, weil auf nationaler Ebene ist es noch schwieriger denke ich mal das zu denken irgendwie…
FA: Auf lokaler Ebene, also bei mir ist es so, weil ich ja z.B. wie Sie wissen, in diesem Kunst und Kulturverein, KulturQuer QuerKultur bin, das könnte ich als ein Repräsentiert-Sein meiner Person bezeichnen. Ansonsten bei anderen Sachen ist alles eigentlich zwischen Inländern und Ausländern, Migranten und Nicht-Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund eigentlich das Gleiche. D.h. es sind Gesetze in diesem Land, die sind für alle gleich und ist alles auch einzuhalten, gesellschaftliche Formen haben sich eingebürgert, die sind etabliert, und man muss sich da als Migrant trotzdem daran anpassen und da passe ich mich auch an Insofern diese Frage in Bezug auf meine Person kann ich nur so beantworten, dass ich dann, also quasi mit ja, ich fühle mich da repräsentiert.
MA: Und was könnte aus Ihrer Sicht für MigrantInnen in Mannheim besser sein? Sie haben zwar schon angedeutet so Integrationskurse für Deutsche, haben Sie da auch noch andere… Weil Sie ja auch so stark mit dem Thema auch…
FA: ..in Berührung kommen.
MA: Weil Sie sich auch beruflich damit beschäftigt sind in gewisser Weise.
FA: Genau. Also ja, ich denke man muss auch versuchen, mehr Migranten in die Lokalpolitik, in die behördlichen Strukturen rein zu lassen und sie auch hören, und zwar auf gleicher Augenhöhe und nicht als Oberlehrer herunter. Dann könnte es sogar für die Inländer besser sein. Nicht nur für die Ausländer ist es gut, für die Inländer auch. Deswegen das müssen sie langsam lernen. Aber es geht um Materialismus, es geht ums Geld, natürlich das ist auch ein Problem, das verstehe ich auch, weil es auch das Wichtigste ist das Geld, deswegen natürlich kann man nicht gleich erwarten, dass alles, was auch wirklich realisierbar wäre und wo was Gutes daraus kommen würde, dass man von den Deutschen, die Geldgeber sind, verlangt, das ist zu machen. Weil es gibt andere Probleme, die wichtiger vielleicht sind als Ausländer-Problematik, deswegen. Da kann ich auch die Politiker oder die Verantwortlichen verstehen in Bezug auf das Thema Geld. Man muss auch irgendwelche Sachen machen, nicht nur einfach so zur Show, sondern wirklich. Also dass sie wirklich integriert werden, nicht nur einfach durch Sprache, sondern auch wirklich gesellschaftlich, beruflich. Und beruflich nicht nur so, dass man z.B. einer Frau, die Ärztin ist sagt, „Mich interessiert das nicht, hier ist Deutschland. Gehen Sie putzen!“. Das ist keine Integration, das ist keine Integration. Das ist eine arrogante schwachsinnige… Wieso die anderen können, Frauen oder Männer, Selbstverwirklichung, Lebensplan, was weiß ich Plan, alle können sie haben, die anderen nicht. Sie wollen auch Selbstverwirklichung. Also diese Arbeitsorientiertheit. Natürlich wenn man arbeitet ist man frei von vielen Problemen, aber trotzdem muss man auch eine Arbeit machen, die einem auch passt. Wieso sagen sie einem… Nehmen wir an eine Putzfrau für die es im Moment keine Stelle als Putzfrau gibt, will arbeiten. Aber es gibt woanders eine Stelle als Ärztin, warum schicken sie sie nicht, dass sie als Ärztin arbeitet, ist eine Stelle frei. Aber einer Ärztin sagen, es gibt jetzt keine Stelle als Ärztin frei, aber als Putzfrau ja, „Gehen Sie, putzen Sie“. Das ist nicht normal und alle Menschen in dieser Welt haben Ego, ich weiß nicht wessen Ego größer ist, welche Nationalität größeres Ego haben, also wenn man das so sagen könnte, auf jeden Fall alle haben ihr Ego und alle wollen auch Selbstverwirklichung, Selbstdarstellung, Selbstplanung des Lebens haben. Und deswegen das muss man auch in Betracht ziehen, die menschliche Seite der Sache, nicht nur diese materialistisch-arbeitstechnisch fokussierte Sichtweise. Das ist ein sehr großes, aber feines Thema. Und das bringt auch so viele emotionale Konflikte in der Gesellschaft, zwischen den Inländern und Ausländern. Ich benutze einfach weiter das alte Wort, Migrant und Migrantin benutze ich nicht.
MA: Ausländer ist insofern, die Unmündigen, die ich ja hier als un… die haben das schon ganz früh auch abgelehnt das Wort, weil…
FA: Ich lehne es auch… ich mache es, deswegen ich benutze es ganz ironisch, sarkastisch.
MA: Ah ja okay, provokativ, okay. Ja, gut die Unmündigen haben sich dann den Namen die Unmündigen eben gegeben, was ja auch ein provokativer Name von wegen eben politische Unmündigkeit, die sozusagen erblich weitergegeben wird. Aber eben Ausländer, weil das halt einfach… Aber das wissen Sie ja selber bestimmt, in den Achtzigern ist das ja zu einem Schimpfwort mutiert.
FA: Genau, genau.
MA: Wobei Migrant jetzt langsam auch die gleiche Karriere zu machen scheint und Migrationshintergrund, also es ist dann egal eigentlich. Man findet dann neue Wörter, aber irgendwie die Inhalte bleiben oder die Intention oder der Klang bleibt dann der Gleiche im Endeffekt.
FA: Deswegen habe ich früher, also was ich gemacht habe war jetzt was ganz anderes, das war ein ganz besonderes Spiel mit den Wörtern. Das was Sie sagen, damals war Deutsche und Ausländer. Indem ich sage Ausländer-Inländer will ich eigentlich den Hörer darauf aufmerksam machen wie blöd es ist von außen und innen zu sprechen, weil alle hier IN diesem Land sich befinden sind alle Inländer eigentlich. In Bezug auf ganz sprachlich-linguistische Sichtweise. Aus-In. Ich fokussierte mich auf dieses Präfix, aus und in.
MA: Aber wissen Sie was lustig war, es gibt sogar Wissenschaftler, Historiker, und einer der eben so als einer der Gründerväter der, was weiß ich, Ausländerpolitik- oder Migrationsgeschichte gilt, der hat in den Neunzigern eben – oder schon in den Achtzigern – von ausländischen Inländern gesprochen, was ja auch irgendwie so total der… [lacht]. Also er wollte da ein bisschen fortschrittlicher sein, sag ich mal, als der allgemeine Sprachgebrauch, aber irgendwie so diese Bezeichnung „ausländischer Inländer“ ist eigentlich auch absolut absurd.
FA: Ist auch absurder als Ausländer, ja…
MA: Sie persönlich, hatten Sie jemals das Gefühl, so in den Jahren in denen Sie hier leben, dass Sie diskriminiert wurden, da Sie Migrant sind? Haben Sie die Erfahrung gemacht?
FA: Habe ich gehabt, ja. Habe ich mich auch gewehrt, aber es hat nichts gebracht. Ja, ein paar Mal habe ich das gehabt.
MA: In welchen Kontexten oder möchten Sie das einfach so stehen lassen?
FA: Also wollen Sie ein konkretes Beispiel oder…?
MA: Ja, wenn Sie eines haben, dann gern.
FA: Äh. Es gibt viele, aber eines was richtig präsent ist in meinem Kopf, ist im beruflichen Bereich, dass ein – ich sage nicht wo, ich nenne auch keine Namen, ja – dass irgendein – weil ich habe nicht nur, ich habe an mehreren, mehrerorts gearbeitet, unterrichtet oder so – dass einer, der eigentlich mein Chef war, der selber keine Ahnung von diesem Fach hatte, weil er was ganz anderes studiert hatte – und das ist auch etwas, was ich überhaupt nicht verstehen kann, dass wenn jemand z.B. Insektologie studiert hat, er kann nicht irgendwie in einem anderen Bereich arbeiten, in dem Dreh sozusagen sich so entfernt, weil vielleicht die Qualifikation nicht, aber schon für mich eigentlich schon, ja – und der auch ohne richtige Qualifikation dann sich – vielleicht aufgrund seines persönlichen Charakter, also ich kann auch wirklich alle Aspekte selber betrachten, weil Kollegen da waren, weil er sehr arrogant war usw. – versucht hat mir und nicht nur mir, auch anderen Kollegen, wirklich so zu unterdrücken. Sinnlos, ohne überhaupt Grund, ohne dass er Recht hätte. Oder etwas zu unterstellen. Und nachdem es herauskam, dass es falsch war, hat er es auch nicht für nötig gehalten sich zu entschuldigen. Und dann, all diese Sachen schob er auf Ausländertum von mir und von anderen, obwohl er der größte…, wie gesagt, ich habe jetzt andere Wörter, welches muss ich jetzt benutzen, was ein bisschen höflich ist, er war die Inkarnation des Fremdenhasses und der Arroganz und letztendlich der Dummheit, wollte aber nicht akzeptieren, dass das alles mit seiner Art zu tun hatte. Alles hat er auf diese Ausländerdiskussion geschoben, ja. Und das ist natürlich eine Diskriminierung. Da habe ich mit ihm am Ende Tacheles geredet, vor seiner Leiterin, und dann habe ich alles direkt gesagt und habe gesagt, ich mache hier nichts mehr. Das war auch dann, nachdem ich das gesagt habe, dann habe ich gesagt, „Ich kann auch genauso arrogant sein wie Sie“. Oder vielleicht habe ich gesagt, „Was haben Sie, womit haben Sie ein Problem, mit meinem Status, dass ich groß bin, dass ich ja also individuell, also so bin wie ich bin und nicht mich bücke oder so? Wo ist das Problem? Oder überhaupt mit meiner Art des Redens. Irgendein Problem müssen Sie haben.“ Aber ich wusste, dass sein Problem eine ganz komplexe Sache war, Ausländerfeind und er hat auch selber gesagt, dass er mal als junger Mensch irgendwie… Aber das war damals als junger Mensch, irgendwie wusste er nicht, Anhänger von oder Sympathisant von NPD gewesen ist. Ja, ja.
MA: Okay, und dann arbeitet er auch noch in dem Bereich?
FA: Ja, in dem Bereich, ja.
MA: Das ist ja [lacht] ermutigend.
FA: Ja, jaja, genau. Ja [lacht]. Jetzt war er aber links, total, spricht von Raubtierkapitalismus. So ist es.
MA: Von den Karrieren haben wir ja vorhin schon, von den ideologischen Karrieren von Leuten.
FA: Wie Horst Mahler, also gut bei ihm war’s anders, er war linksradikal wurde jetzt rechtsradikal, bei ihm, er war eigentlich nicht, hatte gedacht, dass es toll ist, aber jetzt denkt er nicht mehr, weil er nicht mehr so denken kann. Aber sagt er so. Aber trotzdem habe ich das gespürt in ihm, also… Mit spüren allein, mit Gespür allein kann ich auch nichts machen. Ich habe auch nicht die Mentalität gegen jemanden irgendwie vorzugehen, ich lasse die Leute in Ruhe und gehe, ich habe kein… Sie wissen ja, es gibt die Mentalität Menschen, die wegen jeder Kleinigkeit einen Prozess führen müssen. Ich bin nicht so.
MA: Ich glaube da hätte man auch nicht so viele Chancen [lacht].
FA: Keine Chancen und ich habe auch keine Zeit für solche Sachen, ich schreibe lieber meine Gedichte, anstatt mich mit solchen Menschen, die einfach blinden Hass auf Ausländer haben, wirklich blinden Hass. Hat z.B. Leuten gesagt, die Leute aus der Türkei, die z.B. ein bisschen Probleme hatten oder ihm mit einer Gegenrede gekommen sind, hat er gesagt, „Hier ist Deutschland, wenn Sie das hier nicht haben wollen, gehen Sie zurück in die Türkei. Hier ist so!“, anstatt mit dem Menschen zu reden und sagen, „Hey, ja gut was ist los?“. Und dann kann man auch sagen, „Okay, hier ist so“. Aber nicht „Hier ist so, gehen Sie zurück!“, ja? Solche Sachen habe ich echt gesehen und ich habe natürlich auch versucht alles zu… für die Leute, Betroffenen, die mir auch erzählt haben, alles zu schlichten, indem ich gesagt habe, „Der Mann ist krank, der ist Choleriker, der hat was an der Klatsche, da brauchen Sie sich nicht auf…“. Trotzdem die Leute waren wirklich schockiert. Auch Leute, die neu gekommen waren. So was habe ich auch erlebt und das nenne ich auch Diskriminierung. Andere Diskriminierungsarten zählt man auch, dass auf der Straße oder irgendwie Leute, die überhaupt keine Ahnung von etwas haben und so indoktriniert sind oder Angst… Es ist auch hier unter den Menschen eine große Angst, Distanz untereinander, also man hat versucht, so ein Bild zu schaffen, dass zwischen Nicht-Migranten und Migranten irgendwie kein so ganz gesundes Verhältnis gibt. Das heißt Vorurteile, es geht alles über Vorurteile. Es gibt, aber natürlich ich will auch andererseits sagen, es gibt nicht nur Ausländerfeindlichkeit es gibt auch Deutschländerfeindlichkeit, das sage ich auch, nicht dass ich sage das ist nur Ausländerfeindlichkeit. Aber was hat zu was geführt? Hat Ausländerfeindlichkeit seitens der Deutschen jetzt zu Deutschländerfeindlichkeit geführt oder war es umgekehrt? Das heißt die Ausländer waren deutschländerfeindlich, dass sie jetzt diese Gruppe von Deutschen jetzt ausländerfeindlich geworden sind, oder hat sich das so im Laufe der Zeit so entwickelt, dass da diese Art dann zurückkommt? Also Aktion gleich Reaktion, auf die gleiche Weise und in die entgegengesetzte Richtung, dieses dritte Gesetz von Newton.
MA: Als Historikerin kann ich das bestätigen, dass es so ist und nicht… Weil alles andere ist ja, wäre ja auch von der Logik her absurd, dass Leute hier bewusst herkommen, die die Deutschen hassen, um ihnen ihren Hass sozusagen zu bringen oder so, also das ist ja absolut absurd.
FA: Warum sollten sie das machen, ja natürlich. Sogar umgekehrt, sie lieben… sie glauben, wie gesagt, wir haben am Anfang das gesagt, sie glauben ins Paradies gekommen zu sein oder kommen zu wollen.
MA: Ja, das gilt ja oft auch nicht nur… Wobei sehr viele ja auch flüchten… Also meine Definition von Flucht ist eben größer als die, wie sie im Asylgesetz definiert ist. Also ich finde man kann auch von sehr schlechten sozialen Verhältnissen einfach flüchten, also man flüchtet aus diesem Leben heraus und will für sich ein besseres Leben leben, und…
FA: Genau, genau.
MA: …viele die hierher kommen die wollen ja das bessere Leben.
FA: Sehr gut. Genau zu dem, was Sie sagen, ich denke genauso. Sage ich Ihnen noch etwas in Bezug auf, das wissen Sie sicherlich natürlich. Also sogar die sogenannten politischen Gefangenen, politische Asylanten oder Flüchtlinge, sogar sie. Sie haben deswegen, zu achtzig Prozent, kann ich wirklich mit gutem Gewissen sagen jetzt, aufgrund meiner Sichtweise, haben deswegen mit ihren jeweiligen Regime Problem in dieser heutigen Welt und die Länder, die wir in dieser Welt haben sind auch klar die Zahl von denen ist klar, also wir sprechen nicht von Milliarden, alles ist klar. Weil dort auch wirtschaftliche Probleme gibt, weil sie normalerweise auch kein… die sehen die Armut, sie sind selber arm, sie haben selber Probleme. Das Wirtschaftssystem ist kaputt, weil die Politiker kaputt sind, das heißt was heißt politisch? Politisch, gut, wegen Äußerungen das ist auch der Fall, aber letztendlich geht es um die Wirtschaft, wie wir auch in [???] sehen. Das Wort Wirtschaftsflüchtling, dass man sagt, „Die sind Wirtschaftsflüchtlinge, die sind keine Flüchtlinge, die sind…“. Alle sind Wirtschaftsflüchtlinge im Grunde genommen im weitesten Sinne.
MA: Oder eben Flüchtlinge, weil eben dieses Wirtschafts- das hat wieder so, wie sie sagten, diesen negativen, von wegen…
FA: Die sind keine Flüchtlinge…
MA: „Denen geht es ja gut, die wollen uns ja nur was wegnehmen“.
FA: Die wollen wegnehmen, das ist auch Schwachsinn.
MA: Das ist oft so der Hintergedanke. Was ja jetzt auch aktuell wieder eine Diskussion ist mit den Leuten aus Serbien und Montenegro, weiß ich nicht, ob Sie gehört haben.
FA: Gehört habe ich, habe mich damit nicht so richtig befasst, also…
MA: Momentan da kommen wieder viele, also jetzt momentan gab es halt viele Asylanträge von Roma eben aus Serbien und Montenegro, und jetzt hat der Innenminister wieder gesagt, die kommen her, Asylmissbrauch, sie wollen soziale Leistungen und dann gehen sie… Also ja, ich will sagen, dass es grad halt wieder, es ist gleich der Diskurs ist immer auf dieser Ebene.
FA: Es wird immer da sein, solange müssen sie also das Asylgesetz abschaffen, dann haben sie selber ihre Ruhe, die anderen kommen auch trotzdem. Dann gibt es zumindest kein Gesetz, das denen Probleme bereitet. Entweder wenn man das Gesetz hat, dann muss man wissen warum man das Gesetz überhaupt gemacht hat, und man muss auch wirklich die ganze Welt sehen und die Probleme sehen, und man hat auch seine eigene Anteil an die Probleme in der ganzen Welt sehen. Man kann nicht nur in alle Welt präsent sein – aus wirtschaftlichen Zwängen – und die anderen Wirtschaftsflüchtlinge nennen.
MA: Ja, genau.
FA: Sie selbst auch, sind auch irgendwie Wirtschaftsflüchtlinge, in dem Sinne indem sie in anderen Ländern, flüchten sie in andere Länder, um dort Wirtschaft zu erzielen, die sind auch Wirtschaftsflüchtlinge dann. Also das ist alles dann, entweder ist alles wirtschaftlich in dieser Welt, wo das Geld als Symbol der Macht in der modernen Zeit fungiert oder dann nicht, dann muss man ein anderes Wort finden. Aber so diese Doppelmoral ist nicht normal und deswegen sehen wir diese Konflikte, diese Vorurteile usw. Und Einstein, Albert Einstein hat einen sehr schönen Satz gesagt, er hat mal gesagt, „Es ist leichter Atome zu zerpflücken als Vorurteile“ und das ist wirklich so. Es gibt Millionen Menschen überall in dieser Welt, in Europa, überhaupt in der Welt, gibt es auch in Deutschland natürlich auch, die Vorurteile haben. Und die werden auch weiterhin mit diesen Vorurteilen leben, weil sie dadurch, indem sie mit diesem Vorurteil sich zurückgelehnt haben, glauben, das Leben und die Welt besser zu verstehen, um selber ihre eigene Ruhe zu haben. Das ist ein großes Problem, Vorurteile. Die aber wie gesagt nie, also wirklich nie… Das ist natürlich nur ein Satz von Einstein, aber das ist wirklich genau so, glaube ich, wie er gesagt hat, es ist leichter Atome zu zerpflücken als Vorurteile, ich glaube es ist wirklich so. Deswegen… ja.
MA: Aber Atome werden ja schon zerpflückt, also hoffen wir mal, dass sich mit den Vorurteilen doch mal [lacht], dass man da weiterkommt vielleicht irgendwie.
FA: Atome wird… ja, kann man schon oder die Physiker können schon so was machen, aber meistens schwierig. Und die Politiker die Vorurteile, sie haben selber einige Vorurteile, sie haben selber Vorurteile.
MA: Ja, die Politiker sind ja glaube ich auch nicht die Akteure, die richtigen Akteure dafür, also aus meiner Sicht.
FA: Jaja, ist klar.
MA: Jetzt hätte ich noch ein paar Fragen so direkt zu Mannheim. Was ist für Sie typisch Mannheim?
FA: Typisch Mannheim? Also erst mal in erster Linie, als ich von Bochum nach Mannheim kam, war dieser Unterschied im Dialekt, also Dialekt war für mich, jetzt ist es für mich…
MA: Fanden Sie den gut oder eher…?
FA: Am Anfang nicht, fand ich es irgendwie vielleicht, ich weiß nicht, vielleicht als Lehrer, weil sie am Ende bei dem Infinitiv das „n“ nicht sagen, „Kannst Du komme, komme?“, also „Kannst Du kommen?“, also dieses „n“. Das war vielleicht diese perfektionistische Lehrerkrankheit. Aber im Laufe der Zeit fand ich das aber schon lustig eigentlich, ein bisschen locker. Und überhaupt das ist auch eigentlich, obwohl mit hunderten Problemen, aber trotzdem Ausländer und nicht Ausländer oder Deutsche und Nicht-Deutsche, die hier leben, das kann man so sagen, was eigentlich ein Phänomen in ganz Deutschland ist, aber gut, das habe ich jetzt vom nahen gesehen, also ist auch vielleicht für Mannheim interessant. Und ansonsten… ja, also nichts Besonderes da. Ich habe auch ein Gedicht über Mannheim geschrieben.
FA: Ja? Okay.
MA: Ist eine Liebeserklärung an Mannheim, das habe ich… soll ich das lesen?
FA: Ja, ja. Das wäre sehr schön.
MA: Das ist natürlich kein Sachtext, z.B. eine Bekannte von mir hatte so genau analytisch gesagt, „Nein so ist es nicht!“. Natürlich ist es nicht so, das habe ich hunderttausendmal gesagt, Lyrik ist eine subjektive Sprache. Überhaupt Literatur ist sowieso subjektiv, also von Epik, Lyrik, Dramatik, ist die allersubjektivste die Lyrik, und das ist Subjektivität. Es ist nicht Sachtext, sonst hätte ich sachlich geschrieben.
MA: Sachbuch schreiben, genau.
FA: Das Gedicht habe ich "Menschenheim" genannt, "Menschenheim" – eine Liebeserklärung an Mannheim.
Mannheim, Stadt der fliegenden Blumentöpfe
seine Zeit für die hohlen Köpfe.
Mannheim, Du hattest mal einen Blumenpeter, von dem erzählen heute noch die Großväter.
Mannheim, Stadt der märchenhaften Schornsteine,
Der Anblick Deiner Bäume schenkt mir Reine.
Mannheim, umarmt von Neckar und Rhein, zarte Erde und samtene Himmel mit hinein.
Mannheim, Dein stolzer, felsenfester Wasserturm zieht alle Menschen an wie im Sturm.
Mannheim, Dein prächtiger Rosengarten ist so friedlich wie Gottes Eden
Mannheim, Dein Herzstück Paradeplatz hat für alle schönen Feste Platz.
Mannheim, Dein kleines volles Schloss ist barock und wie für eine bezaubernde Dame ein seidener Rock.
Mannheim, Du bist die einzige Stadt der Erde, die schöne Rundungen hat und Quadrate.
Mannheim, Du hast beherbergt mit Liebe und Güte nicht nur Mozart, Schiller und Goethe.
Oh Mannheim, du bist ein zauberhaftes Menschenheim, und ich werde Dich lieben bis zu meinem letzten Reim
[lacht]
MA: Super. Das passt ja auch sehr schön jetzt zu unserem Interview. Also Sie haben sozusagen…
FA: Genau, ja.
MA: Toll. Aber Sie haben sich, wie ich sehe, auch mit der Geschichte von Mannheim auch jetzt auseinandergesetzt.
FA: Ein bisschen so im Gedicht, ja.
MA: Also da kann ich nämlich jetzt auch eine Frage vorgreifen. Nein, ich mache es jetzt doch in der Reihenfolge und komm dann nochmal darauf zurück.
FA: Ja. Und jetzt darf ich kurz unterbrechen?
MA: Ja.
FA: Ich weiß, dass man überhaupt nie irgendwie in einem geschlossenen Gebäude rauchen kann.
MA: Nein. Bin ich mir ziemlich sicher [lachen]. Aber wir sind auch bald fertig, wir haben noch ein paar Minuten und dann dürfen Sie Ihrer Sucht frönen. Nein das passt eigentlich ganz gut, so diese Frage, wo denn Ihr Mannheim ist, also Ihr persönlicher Ort oder so oder es muss ja kein konkreter Ort sein, aber so was Sie so als Ihr Mannheim bezeichnen würden.
FA: Das ist eine schwierige Frage. Also schwer zu beantworten, die Frage ist leicht. Oder vielleicht…Äh, ja also habe ich gar nicht so daran gedacht.
MA: Müssen Sie auch nicht haben, vielleicht haben Sie diese… Also wenn Sie jetzt länger hier weg wären z.B. und dann so an Mannheim denken würden, was würden Sie dann vielleicht vermissen oder so, wo würden Sie gerne hingehen? Oder wenn Sie sagen wir mal drei Jahre aus Mannheim weg wären, was würden Sie am liebsten dann, wenn Sie wieder in Mannheim wären, wo würden Sie dann am liebsten hingehen, oder wen würden Sie am liebsten treffen? Es muss ja nicht ein Ort sein, vielleicht auch eine…
FA: Ja, es ist ein Ort, also ich gehe an den Neckar, ja. Weil wirklich an den Neckar, also Wiese, Bäume, Menschen. Das habe ich immer als eine tolle Sache im Sommer in Erinnerung. Wo man auch also für mich, wenn ich da weggehe würde, natürlich auch Freunde und Freundinnen, das auch. Ich habe auch einige tolle deutsche Bekannte in Mannheim, die wirklich, oder Nicht-Deutsche, ist auch egal, die ich natürlich vermissen würde, genauso wie jetzt bin ich in Mannheim, aber ich habe auch heute noch, obwohl ich seit neun Jahren hier bin, habe ich immer noch Kontakt mit einigen Freunden von mir – auch Deutsche oder auch Nicht-Deutsche, Iraner oder so – die in Bochum leben, da habe ich telefonisch oder was weiß ich Kontakt. Menschen, und dann aber wenn es um Orte geht, also glaube ich Neckar oder ein paar Kneipen, die ich schön in Erinnerung habe, wo ich dann…
MA: Beispiel?
FA: Zum Beispiel, also früher ging ich immer in dieses Café Floh am Wasserturm. Jetzt seit Jahren gehe ich da nicht mehr, jetzt gehe ich in eins in Neckarstadt-West, weil ich das wieder ganz anders finde als hier am Wasserturm oder Neckarstadt-Ost auch. In Neckarstadt-Ost z.B. gab Uhland oder Neckarstadt-West dieses La Pusada, diese chilenische Kneipe, die ist auch sehr toll und so. Also Orte die da Geselligkeit mit Menschen kennen lernen oder mit Menschen, die man kennt schon dahin gehen usw. Das sind so schon tolle Sachen. Generell auch wenn man in eine Stadt reinkommt, wenn man schon vom Hauptbahnhof kommt dann sieht man… Wenn ich auch jetzt nach Bochum gehe dann, wenn ich am Hauptbahnhof ankomme, dann erinnere ich mich wieder an ganze Sachen, die da ich in Bochum schon erlebt habe, also unglaubliche. Vor ein paar Jahren ging ich nach Bochum, obwohl ich sechs Jahre nicht da war habe ich, sogar ich habe einige Passanten war mir klar, also kannte sie. D.h. es gibt Leute, die ich in diesen drei Jahren, wo ich da war, gesehen hatte, wo ich auf der Straße, wenn ich laufe auch Menschen kucke. Auch wenn mal jemand sagt, „Was kuckst du?“, trotzdem kucke ich alles und alle Menschen. Das war interessant, da habe ich… „Ja, die hatte ich auch damals, so 2000 sah ich ihn so“. Da habe ich philosophiert, ah, das Leben. Seit zehn Jahren sieht man wieder einen Passant, den man da gesehen hat wieder, also diese Kontinuität. Etwas, ja, solche Sachen kann ich sagen mein Mannheim. Aber es ist ja glaube ich, vielleicht generell für alle Menschen so. Mein ganz persönliches, ganz total persönliches Mannheim, könnte ich vielleicht so nicht sagen, aber so wie ich gesagt habe.
MA: Wie sehr hat sich Ihre Immigrationserfahrung, also die Erfahrung, die Sie jetzt als erst mal halber und dann doch ganzer Immigrant gemacht haben, auch auf Ihre literarische Arbeit ausgewirkt? Also wie würden Sie sagen hat sich das…
FA: Sehr viel, d.h. ich habe eigentlich hier, viele Themen beziehe ich auch aus meinen Erfahrungen in Deutschland oder überhaupt meine inneren Gefühle, die dann durch das Leben in Deutschland entstehen. Ja.
MA: Und dann vielleicht die, ja so als letzte Frage: Wenn Sie die Möglichkeit hätten alles noch einmal zu machen, würden Sie dann wieder nach Mannheim kommen und bleiben?
FA: Ja, ja. Ich würde ganz eindeutig.
MA: Ganz klar.
FA: Eindeutig, jaja. Ja, ja. Ich wollte kucken, ob ich was dagegen…
MA: Ob es noch kommt, irgendwas.
FA: Nichts, was da dagegen sprechen würde, nein, glaube ich nicht, nein.
MA: Ja, dann war es das schon.
FA: Alles klar, Danke schön!
MA: Ich danke Ihnen sehr für das Interview!
FA: Vielen Dank auch für das Gespräch. Wünsche Ihnen auch viel Erfolg mit Ihrer Arbeit.
MA: Danke!
Produktionsbeteiligte:Interviewerin: Maria Alexopoulou
Playing time:1:41:51
Ton:nur
Angaben zum Erwerb:D 51
Alte Signatur:Zugang 9/2014 Nr. 1
 

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Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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