Lessing-Gymnasium, 1880-2011 (Bestand)

Archive plan context


Title:Lessing-Gymnasium
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Nach Gründung mit Statut vom 29. Juli bzw. 21. August erfolgte am 11. September 1902 mit den Klassen Sexta bis Untersekunda die Eröffnung als "Realschule mit Realprogymnasium". Während die humanistischen Gymnasien Latein als erste Fremdsprache anboten, hatten hier Realschule und Realprogymnasium in den Klassen Sexta bis Quarta einen gemeinsamen Unterbau mit Französisch als erster Fremdsprache. Mit Beginn der Untertertia bestand für den Schüler die Wahl zwischen der lateinlosen und mit Englisch weiterführenden Realschule oder dem Gymnasialzweig mit Latein als zweiter und Englisch als dritter Fremdsprache. Diese Konzeption wurde als "Mannheimer Reformschule" bezeichnet. Sie entsprach im Kern jenen Gedanken, die Oberbürgermeister Otto Beck 1899 in seiner Denkschrift "Die Reform des kaufmännischen Bildungswesens" (S. 38 - 59) mit gewichtigen Argumenten propagiert hatte. Der reformerische Aspekt kam auch durch das Bemühen zum Ausdruck, das Studium der Antike, das Erlernen der Weltsprachen Englisch und Französisch sowie den naturwissenschaftlich-technischen Bereich als die drei großen Bildungswerte zu vereinigen.
Mit Beginn des Schuljahrs 1905/06 erhielt die Schule neben dem neunjährigen realgymnasialen einen nun siebenjährigen Realschulzweig, der den Absolventen den Zugang zu höherwertigen Berufen ermöglichte. Ab dem Jahr 1907 trug die Schule mit Einführung der Oberprima die amtliche Bezeichnung "Realgymnasium mit Realschule". Das im gleichen Jahr eingeführte Angebot von Griechischkursen ab Obersekunda hatte primär den Hintergrund, Absolventen des realgymnasialen Zweigs den Zugang zum Theologiestudium zu erleichtern, nachdem mit der Landesherrlichen Verordnung des Großherzogtums Baden vom 22. Juli 1905 die Abiturienten der Reformschule denen der humanistischen Gymnasien bereits fast völlig gleichgestellt worden waren und man damit den Forderungen Otto Becks endlich gefolgt war.
Die Wahlmöglichkeit zwischen zwei unterschiedlichen Schulabschlüssen wurde beibehalten, bis das Unterrichtsministerium mit Erlaß vom 11. März 1926 den Realschülern ebenfalls die Hochschulreife ermöglichte. Die 1931 beschlossene Einführung von Latein als erster Fremdsprache wurde bereits ein Jahr später wieder revidiert. Mit Ende des Schuljahrs 1932/33 wurde der Realschulzweig aufgelöst. Durch Verfügung vom 17. August 1933 trug die Schule nun die neue Bezeichnung "Badisches Lessing-Realgymnasium Mannheim".
Neben der Namensänderung zog die Machtergreifung der Nationalsozialisten auch tiefgreifende Veränderungen in der Unterrichtsstruktur nach sich. Das vielgliedrige Höhere Schulwesen wurde zerschlagen, statt dessen die "Oberschule für Jungen" bzw. die "Oberschule für Mädchen" errichtet; nur das - althumanistische - Gymnasium blieb noch bestehen. Um den Vierjahresplan erfolgreich durchführen zu können und den Nachwuchsbedarf der Wehrmacht frühzeitig zu sichern, wurde die Schulzeit ab Ostern 1937 um ein Jahr verkürzt, die Reifeprüfung bereits mit Ende der Unterprima abgelegt. Beim Abschlußjahrgang des Schuljahres 1936/37 wurde sogar auf eine schriftliche Prüfung verzichtet. Die Oberstufe, nun beginnend mit Obersekunda, wurde in einen sprachlichen und einen naturwissenschaftlich-mathematischen Zweig aufgetrennt, letzterer ohne Englisch als Pflichtfach. Erstmals wurde im Schuljahr 1937/38 Englisch als erste, Latein als zweite Fremdsprache eingeführt. 1938 fand eine weitere Namensänderung in "Lessingschule Mannheim - Oberschule für Jungen" statt.
Die Aufnahme von Mädchen war nach Erlaß des Großherzoglichen Ministeriums vom 23. Juli 1908 nur mit Ausnahmegenehmigung möglich, diese wiederum wurde nur für den realgymnasialen Zweig erteilt, da die höhere Mädchenschule eine Oberrealschulabteilung besaß. Außerdem gab es die Handelsmittelschule, die mit der Oberrealschule verbunden war.
Ab 1946 wurde die Lessingschule mit Goethe-, Moll- und Tulla-Schule zu den "Vereinigten Realgymnasien Mannheims" zusammengefaßt. Ein Jahr später folgte die organisatorische Trennung in Lessing-Realgymnasium und Tulla-Realgymnasium. Im Zuge der Neubenennung der höheren Schulen wurde dann 1954 der endgültige Name "Lessing-Gymnasium" vergeben. Eine seit dem Schuljahr 1956/57 bestehende Filiale des Lessing-Gymnasiums in Feudenheim wurde 1969/70 zusammen mit einem mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Zug zum Grundstock der im neuentstandenen Stadtteil Vogelstang gegründeten Geschwister-Scholl-Schule.

Weitere wichtige Neuerungen am Lessing-Gymnasium waren die 1972 von Lehrerkollegium und Elternbeirat getroffene Entscheidung, künftig auch Mädchen den Schulbesuch zu gestatten sowie die Einführung der Oberstufenreform 1974/75.

Auch die räumliche Situation der Lessingschule erwies sich im Verlauf der Jahrzehnte als sehr wechselvoll. Nachdem sie die ersten fünf Jahre im Gebäude der Tulla-Oberrealschule untergebracht waren, konnten die Reformschüler nach der offiziellen Einweihung am 9. April 1907 endlich ihr eigenes Schulgebäude an der damaligen Gutenbergstraße, heute Josef-Braun-Ufer, beziehen. Während des Ersten Weltkriegs beherbergte das Lessinggebäude auch die Schüler der Tulla-Oberrealschule, deren Haus als Lazarett eingerichtet wurde. Auch der Zweite Weltkrieg führte Tulla- und Lessingschüler wieder zusammen, nun aber im Tulla-Gebäude in der Tullastraße, da das Lessinggebäude zu Wehrmachtszwecken beschlagnahmt wurde. Nach einer kurzen Rückkehr der Lessingschüler ins eigene Haus im Januar 1941 und schweren Zerstörungen des Gebäudes in der Bombennacht vom 5. auf den 6. September 1943 wurde die Raumfrage hauptsächlich durch die Kinderlandverschickung gesteuert. Mit Wiederaufnahme des Betriebs der höheren Schulen Anfang 1946 residierten die "Vereinigten Realgymnasien Mannheim" erneut im Tulla-Gebäude, die wenigen verbliebenen Räume des Lessinggebäudes standen der Wirtschaftshochschule zur Verfügung. Erst im Juli 1956 konnten die Lessingschüler wieder ihr angestammtes Domizil am Neckarufer beziehen.
Classification:Insgesamt umfaßt der Bestand 335 Positionen in 43 Archivkartons (Zug. 33/1993) bzw.565 Positionen in 50 Archivkartons (Zug. 40/2002).

Im Bereich der Jahresberichte reicht der Bestand bis ins Gründungsjahr 1902 zurück, weist ab 1928 jedoch eine Lücke auf, die bis zum Kriegsende reicht, während die Jahre 1945 bis 1970 sodann wieder lückenlos dokumentiert sind. Über die fehlenden Jahre gibt eine Reihe von Dienstakten aus den Bereichen Verwaltung, Schul- und Unterrichtsbetrieb und Schüler¬angelegenheiten Auskunft. Auch Belege über Veranstaltungen sowie Schülerzeitungen aus diesem Zeitraum sind vorhanden.

Historisch und politisch bedeutsame Zeitabschnitte fanden ebenfalls ihren Niederschlag im vorliegenden Schriftgut. So ist die Einberufung von Schülern im Ersten Weltkrieg ebenso dokumentiert wie im sog. Ehrenarchiv die Namen der im Zweiten Weltkrieg gefallenen ehemaligen Schüler. Einflüsse des Nationalsozialismus auf Verwaltung und Schulbetrieb sind in Einzelakten feststellbar. Aber auch gesellschaftliche Veränderungsprozesse werden deutlich. Eine umfangreiche Sammlung von Flugblättern und Zeitungen aus den Jahren 1967 bis 1977 spiegelt beispielsweise unmittelbare Auswirkungen der Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre wider und stellt somit auch ein interessantes Zeitdokument dar.

Nahezu die Hälfte des Schriftguts umfaßt Prüfungsunterlagen sowie Klassen- und Kurstage¬bücher. Hier wird die Praxis der Oberstufenreform als umfassende Neuerung im Schulbetrieb der siebziger Jahren deutlich.

Da die Prüfungsakten bis in das Jahr 2000 reichen, dokumentiert der Bestand nicht nur nahezu 100 Jahre Schulgeschichte des Lessing-Gymnasiums, sondern ergänzt zudem auf anschauliche Weise die Überlieferung der Mannheimer Gymnasien im Stadtarchiv.
Appraisal and destruction:Kassationen wurden sehr behutsam vorgenommen und in einem separaten Kassationsprotokoll festgehalten, das unter dem Aktenzeichen 16.33.35 - Lessing-Gymnasium abgelegt ist. Auf eine Kassation der Klassen- und Kurstagebücher der Jahre 1986 - 1991 wurde verzichtet, um in einem Fünfjahres-Längsschnitt exemplarisch den Alltagsbetrieb Schule zu dokumentieren.
Usage notes:Für die Benutzung sind die jeweils gültigen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, d.h. zur Zeit das Landesarchivgesetz von Baden-Württemberg (LArchG) vom 27. Juli 1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 10. Juli 1992. Für die eigens gekennzeich¬neten personenbezogenen Unterlagen ist dementsprechend auch das LArchG, §6, Abs. 2, mit seinen verlängerten Sperrfristen maßgeblich.

Comments:Literaturauswahl:
75 Jahre Lessing-Gymnasium Mannheim. Mannheim, 1977
Verwaltungsberichte der Stadt Mannheim
Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. III: Mannheim seit der Gründung des Reiches 1871 - 1907. Mannheim 1907, S. 509
Otto Beck. Die Reform des kaufmännischen Bildungswesens. Denkschrift des Oberbürger¬meisters an den Stadtrath der Hauptstadt Mannheim. Mannheim 1907
Ludwig Ratzel. Erinnerungen. Bearbeitet von Walter Spannagel. Sigmaringen 1993
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

End of term of protection:12/31/2041
Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

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