Rhenania, 1893-1991 (Bestand)

Archive plan context


Title:Rhenania
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Um die Jahrhundertwende betrieb die holländische Familie van't Hoff in Rotterdam unter dem Namen "Gebr. van Uden" ein bedeutendes Schiffahrts- und Speditionsunternehmen, das durch Zusammenarbeit mit der Schleppreederei Johann Küppers in Homberg das Gebiet des Niederrheins, durch Kooperation mit der Schiffahrts- und Speditionsfirma S. Rosenberg in Mannheim auch die Region des Oberrheins weitgehend abdeckte. Nach dem Tod des Firmeninhabers Samuel Rosenberg übernahm dessen Neffe Hermann Hecht 1902 die 1885 gegründete Firma in der Mannheimer Akademiestraße. Im gleichen Jahr gründete Hermann Hechts Bruder, Jacob Hecht, in Antwerpen eine Filiale des Rotterdamer Unternehmens "Gebr. van Uden" und konzentrierte sich dort vor allem auf die Bereiche Seeverfrachtungen und internationale Seehafenspedition. 1914 entstand daraus die Firma "Gebr. van Uden & Co., Antwerpen", mit Jacob Hecht als Mitinhaber.
Im Jahr 1908 übernahmen die Brüder Hecht das Mannheimer Speditionsgeschäft Leon Weiss, dessen Inhaber sich zur Ruhe setzte, und gründeten die "Rhenania Speditions-Gesellschaft mbH, vorm. Leon Weiss" und damit die Keimzelle des späteren Rhenania-Konzerns. Durch Abschluß eines Kooperationsvertrags mit dem bayerischen Staat, Neugründung der "Allgemeine Speditions-Gesellschaft AG" in Duisburg und Übernahme der Kapitalmehrheit dieser Duisburger Firma sowie drei weiterer Unternehmen in Antwerpen und Rotterdam, entstand die Rhenania-Gruppe, die auch während des Ersten Weltkriegs weiter expandierte.
Verluste durch Bestimmungen des Versailler Vertrags, wonach die Rhenania-Gruppe 17,5% ihres Schiffraums abgeben mußte, wurden durch Beteiligungen und Firmenneugründungen ausgeglichen. Neben der "Neptun Transport- und Schiffahrts-AG" in Basel, deren Leitung Jacob Hecht übernahm, entstanden neue Gesellschaften u.a. in Straßburg, München und Worms sowie Zweigniederlassungen in Kehl und Karlsruhe.
Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zog antisemitische Hetzkampagnen gegenüber der Rhenania durch Konkurrenzunternehmen nach sich. Um geschäftliche Nachteile zu vermeiden, wurde am 24. Jan. 1934 zwischen der Rhenania, den Brüdern Hermann und Jacob Hecht und dem Land Bayern ein sog. Gleichschaltungsvertrag geschlossen, durch den sich die Anteile der "nichtarischen" Anteilsbesitzer von vorher 74,77% auf nunmehr 49,02% reduzierten. Das Land Bayern erhielt mit 38,7% den größten Anteil. Nach der "Gleichschaltung" trat keine Beruhigung ein. Immer wieder sah sich der Mannheimer Mutterkonzern genötigt, bei seinen Tochtergesellschaften, z.B. der Rhenania in Worms und Duisburg, gegen offene wie versteckte Hetzkampagnen gegen das "rein jüdische Unternehmen" Stellung zu nehmen. Zaghafte Unterstützung von kommunalen Vertretern, z.B. von seiten der Oberbürgermeister in Worms und Hildesheim, vermochten nichts daran zu ändern, daß die "Zwangsarisierung" des Unternehmens eingeleitet war. Auch die traditionell guten Verbindungen zwischen der Rhenania und der Neptun AG waren numehr empfindlich gestört. Die Neptun AG galt den deutschen Behörden als "jüdisches Unternehmen", weshalb beispielsweise 1938/39 sechs von ihr bei der Bayerischen Schiffbau-Gesellschaft m.b.H in Erlenbach/Main in Auftrag gegebene Motorschiffe nicht ausgeliefert werden durften. Die Schiffe wurden statt dessen auf die Rhenania-Gesellschaften in Mannheim, Homberg u. Worms verteilt. Nach 1945 machte die Neptun AG Rückerstattungsansprüche geltend, die in einem Vergleich endgültig erst am 30.8.1949 vertraglich beigelegt wurden. Die Auslieferungsgenehmigung in die Schweiz ließ dann noch einmal ein Jahr auf sich warten.
Auf Druck der Machthaber mußte Generaldirektor Hermann Hecht am 15. Februar 1938 aus der Geschäftsführung der Rhenania ausscheiden. Im gleichen Jahr wurden die Geschäftsanteile von Hermann und Jacob Hecht von der Firma "Franz Haniel & Cie." Duisburg übernommen, die damit über 53,5% der Anteile an Rhenania verfügte. An der Selbständigkeit der Rhenania-Gruppe änderte sich dadurch allerdings nichts.
Mühsam, aber letztlich erfolgreich verliefen nach Kriegsende die Restitutionsbemühungen der Gebrüder Hecht. Erst nach Überwindung einiger Widerstände konnte mit der Franz Haniel & Cie. Duisburg, im Febr. 1949 bzw. im April 1950 ein Vergleich vor der Schlichtungsstelle für Wiedergutmachung beim Amtsgericht Stuttgart erzielt werden. Die Mehrheitsanteile, die Haniel im Zuge der Zwangsarisierung 1938 erhalten hatte, fielen wieder an die Brüder Hecht zurück.
Trotz zum Teil schwerer Zerstörungen von Teilen des Anlagevermögens und des Schiffsparks im Zweiten Weltkrieg erfolgte der Wiederaufbau ab Herbst 1945 in rasantem Tempo. Schon in den 50er Jahren galt die Rhenania-Schiffahrtsgruppe als eines der größten westeuropäischen Unternehmen im Binnenschiffahrtssektor auf rein privatwirtschaftlicher Grundlage. 1955 verfügte sie über 37 Niederlassungen in der Bundesrepublik, fast ausnahmslos mit eigenen Lager- und Umschlagsanlagen ausgestattet, daneben über eine Flottenkapazität von rund 200.000 To. (davon 50.000 To. Verbandsfahrer in Dauercharter) und eine Lagerhauskapazität von 280.000 To. Die Jahresbilanzen geben einen klaren Einblick in diese dynamische Wachstumsphase, die beispielhaft für das "Wirtschaftswunder" der Nachkriegszeit gesehen werden kann.
Auch die folgenden dreißig Jahre waren durch stetiges Wachstum des Rhenania-Konzerns gekennzeichnet. Neben den bestehenden ausländischen Konzernunternehmen auf europäischer Ebene in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und Österreich fand durch die Gründung von Beteiligungsgesellschaften in Singapur und Hongkong auch eine Ausweitung auf den asiatischen Raum statt. Anfang 1972 erfolgte die Übernahme der Kapitalmehrheit an der Rhenania durch die britische Finanzholding Ralli International Ltd., die kurz darauf mit der ebenfalls britischen Bowater Industries plc fusionierte. 1989 verkaufte Bowater Rhenania an den Londoner Konzern The Peninsular and Oriental Steam Navigation Company (P&O), seit 1996 firmiert die bisherige Führungsgesellschaft "Rhenania Schiffahrts- und Speditions-Gesellschaft mbH" in Mannheim unter dem neuen Namen "P&O Trans European Management GmbH, Mannheim". Von hier aus werden weiterhin die Gesellschaften in Deutschland und dem übrigen Europa gesteuert.
Classification:Gliederung:
I. Privat- und Geschäftskorrespondenz
1. Korrespondenz von Jacob und Hermann Hecht
2. "Zwangsarisierung" und Wiedergutmachung
3. Korrespondenz mit Gesellschaften und Niederlassungen der Rhenania und Fremdfirmen
4. Sonstiger Schriftwechsel

II. Personalakten ehemaliger Geschäftsführer und leitender Angestellter

III. Firmengeschichtl. Sammlungen und Dokumentationen

IV. Urkunden und Verträge

V. Protokoll-, Bilanz- und Aktienbücher

VI. Unterlagen Aufsichtsratssitzungen der Rhenania

VII. Prüfberichte von Jahresabschlüssen
1. Rhenania Schiffahrts- und Speditionsgesellschaft mbH Mannheim
2. Rhenania Wormser Lagerhaus- u. Speditions-AG
3. Rhenania Rheinschiffahrts-Gesellschaft mbH Homberg
4. (Rhenania) Münchener Lagerhaus- u. Transport-Gesellschaft mbH
5. Rhenania Kehler Lagerhaus-Gesellschaft mbH
6. Weitere Prüfberichte

VIII. Satzungen und Geschäftsberichte
1. Rhenania Schiffahrts- u. Speditionsgesellschaft mbH Mannheim undNiederlassungen
2. (Rhenania) Allgemeine Speditions-AG Duisburg
3. Rhenania Rheinschiffahrts-Gesellschaft mbH Homberg-Duisburg
4. Rhenania Wormser Lagerhaus- und Speditions-AG
5. Neptun Transport- und Schiffahrts-AG Basel/Neptun InternationalHolding AG Basel
6. Rhenania-Gruppe
7. Bowater Corporation Limited/Bowater Industries plc

IX. Sonstiges Schriftgut

X. Druckschriften

XI. Fotomaterial

XII. Sonstiges Archivgut
Appraisal and destruction:Der hier vorliegende Bestand kam auf Initiative der Geschäftsführung, vorzugsweise Frau Marga Faltermann, ins Stadtarchiv. Nach Klärung aller rechtlichen Details war die Geschäftsführung unter dem Vorsitzenden Charles J. Rice bereit, die Unterlagen treuhänderisch dem Stadtarchiv zu übergeben.
Der Bestand umfaßt 408 Einzelpositionen in 37 Archivkartons und befindet sich insgesamt in einem guten Zustand, auch wenn viele Papiersorten deutliche Säureschäden und fehlende Reißfestigkeit erkennen lassen.
Das Schriftgut gibt Einblick in einen wichtigen Mannheimer Wirtschaftsbereich, ist aber auch für die Geschichte des Transportwesens und der europäischen Binnenschiffahrt von erheblichem Gewinn. Hervorhebung verdienen neben der gut dokumentierten Zeit des Nationalsozialismus auch die unmittelbaren Nachkriegsjahre, als die Rhenania aktiv bei der Neuordnung der bundesdeutschen Binnenschiffahrt mitwirkte.
Die Verzeichnung des Bestands wurde im Oktober 1994 von Dr. Ulrich Nieß begonnen, mußte aber wegen anderer dringender Dienstaufgaben unterbrochen werden und konnte erst im März/April 1997 von Walter Spannagel vollendet werden. Die Titelerschließung erfolgte nach den in Baden-Württemberg üblichen Verzeichnungsrichtlinien der Staatsarchive.Kassationen wurden keine vorgenommen; ergänzendes Werbematerial der Firma aus Dokumentationsgründen beim Bestand belassen.
Usage notes:Gemäß Depositalvertrag vom 24.6.1994 unterliegen die personenbezogenen Unterlagen besonderen Auflagen. Die Personalakten des Bestandes sind daher für die allgemeine Benutzung gesperrt. Eine Entsperrung kann nur im Einzelfall und nur mit Genehmigung der Geschäftsführung der P & O Trans European Management GmbH Mannheim erfolgen.
Daneben sind im Rahmen der Benutzung die einschlägigen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, d. h. das Landesarchivgesetz von Baden-Württemberg vom 27. Juli 1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 10. Juli 1992.

Mannheim, im April 1997

gez. Walter Spannagel
Dr. Ulrich Nieß

Comments:Literatur- und Quellenangaben:

Hermann Hecht. Die Entstehung des Rhenania-Konzern - Die ersten dreißig Jahre. Mannheim 1983
350 Jahre Mannheim. Das Bild einer Stadt. Reihe deutscher Städtebücher. Jubiläumsausgabe. Mannheim 1957
Rhenania-Rheinschiffahrts-Konzern (Bayerische Rheinschiffahrts-Gruppe). o.J.
Dr. Robert Ulsenheimer. Die Geschichte der Rhenania-Gruppe 1906 - 1947.
Johannes Mattern. Aus der Geschichte der Rhenania-Gruppe.
Hermann Hecht. Entstehung des Rhenania-Konzerns

Zeitgeschichtliche Sammlung (ZGS) des Stadtarchivs Mannheim:
Sign. S2/1328, Rhenania
Sign. S1/286, Jacob Hecht
Sign. S1/1539, Hermann Hecht
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

End of term of protection:12/31/2021
Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=56078
 

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