Kunstverein (Bestand)

Archive plan context


Title:Kunstverein
Name of the creator / provenance:Mannheimer Kunstverein e. V.
Geschichte der Institution mit Archivbeständen:Von interessierten Kunstfreunden wurde der Mannheimer Kunstverein 1833 gegründet. Er war Ausdruck eines erstarkenden Selbstbewusstseins des gehobenen Bürgertums, das die Pflege der Kunst nicht länger dem Adel allein überlassen wollte. Mannheim folgte hier der Entwicklung anderer Städte wie Karlsruhe (1818), München (1824), Stuttgart (1824) und Freiburg (1827), wo sich ebenfalls Kunstvereine konstituiert hatten. Sehr rasch entwickelte der Mannheimer Kunstverein eine Eigendynamik, so dass bereits nach wenigen Jahren über 100 Mitglieder registriert werden konnten, darunter auch die verwitwete Großherzogin mit ihren Töchtern. Der Adel war im Kunstverein ebenso vertreten wie die Handelsleute der Stadt; der Großherzog wurde Schirmherr. Ein ständeübergreifendes Einverständnis über die „persönlichkeitsveredelnden Eigenschaften der Kunst“ herrschte vor. Keineswegs selbstverständlich war, dass auch Frauen von Beginn an Mitglied werden durften.

Der ursprüngliche Jahresbeitrag belief sich auf 5 fl u. 24 kr, wofür jedes Mitglied eine Vereinsaktie erhielt, die neben dem Anrecht auf die jährliche Vereinsgabe auch als Los in der jährlich stattfindenden Gemäldeverlosung diente. Bis 1864 wurden alle vom Verein gekauften Bilder unter den Mitgliedern verlost, darunter auch Bilder, deren Marktwert heute Summen erzielen würden. Erstmals fand die Verlosung am 23. Dez. 1834 statt. Des öfteren gab es Anfechtungen hinsichtlich der Korrektheit des Losverfahrens. Für den Ankauf der Gemälde war eine von der Generalversammlung der Vereinsmitglieder gewählte Gruppe von Künstlern und Kunstsachverständigen damit beauftragt, dem Vorstand Vorschläge zu unterbreiten, worüber dieser nach Einverständnis seinerseits die Mitglieder in Kenntnis setzte, die ein Einspruchsrecht besaßen. War dies Ausdruck einer sehr liberal-demokratischen Organisationsstruktur, so verdienen auch die frühen Aktivitäten des Vereins auf dem Gebiet der Photographie (Daguerreotypie ab 1839 bzw. Kalotypie) Hervorhebung. In dem Bauingenieur Jacob F. Dyckerhoff, dem Physiklehrer Emil Eisenlohr und dem Naturforscher Jacob August Lorent hatte der Kunstverein frühe Mitglieder und Wegbereiter der neuen technischen Möglichkeiten.

Die erste Krise des Kunstvereins setzte in den 1850er Jahren ein, nach dem Scheitern der 48er Revolution. Symptome waren hierfür die schwindenden Mitgliederzahlen um über 50 %, die dadurch bedingte mangelnde Kaufkraft des Vereins, aber auch die drohende Gefahr, Anschluss an die Kunstströmungen der Zeit zu verlieren – insbesondere an die kostspieligen Bildtypen der „Wirklichkeitsmalerei“, der spektakulär inszenierten Anekdotenbilder mit historischem Hintergrund bzw. bühnenartig inszenierten Historiendarstellung. Dass der Kunstverein die Krise überwand und an der Reichsgründung einen Aufschwung nehmen sollte, verdankt er gewiss auch dem Umstand, dass er stets ein „Honoratiorenverein“ blieb, in dem die führenden gesellschaftspolitischen Vertreter der Stadt den Ton angeben, z. B. Prof. K. A. Fickler und W. Caspari vom Lyzeum bzw. Karl-Friedrich-Gymnasium sowie Prof. F. Walter, die Kaufleute C. Nestler, J. Bassermann, Dr. C. Diffiné und F. Koch, die Bankiers F. Ladenburg und Dr. A. Hohenemser. Anderseits wählte er sich Kunstsachverständige von hohem Rang wie den 1881 berufenen Carl Roux als großherzoglichen Galeriedirektor oder dessen Nachfolger Wilhelm Frey. Letzterer scheute sich beispielsweise nicht, die Worpsweder Sezessionisten zu präsentieren und damit die offiziöse wilhelminische Kunstpolitik kritisch zu hinterfangen. Als erster nebenberuflich angestellter, aber bezahlter Geschäftsführer wurde der Architekt und Kunstschriftsteller Arthur Lehmann 1908 berufen, der – wegen seiner jüdischen Abstammung – 1933/34 zurücktreten musste und dem Holocaust durch Auswanderung über Italien in die USA entkam, aber bereits 1948 verstarb. Unter seiner Geschäftsführung in der Zeit der Weimarer Republik bewies der Kunstverein, trotz großer wirtschaftlicher Probleme, Mut und bot avantgardistischen Strömungen wie der „Gruppe Rih“ oder der Berliner „Novembergruppe“ eine Plattform.

Nach mehreren Anläufen konnte der Kunstverein am 9. Nov. 1875 mit der Stadt Mannheim einen Vertrag abschließen, der den Grundstock zur Bildung einer städtischen Sammlung legen sollte. Der Wert dieser Sammlung ist und bleibt strittig. Die weitgehende Nichterwähnung durch Fritz Wichert in seiner Antrittsrede als erster Kunsthallendirektor 1909 muss auch als Auftakt eines nie spannungsfreien, letztlich aber befruchtenden Verhältnisses zwischen dem Kunstverein und der Kunsthalle interpretiert werden, die ihren Kulminationspunkt in der Speyerer Rede von G. F. Hartlaub 1930 fand, der scharfe Attacken gegen den „bürgerlichen Geschmacksliberalismus“ der Kunstvereine ritt. Dass der Kunstverein sich in der Zeit des Nationalsozialismus nicht völlig kompromittierte, sondern unter Vorsitz von Dr. Wilhelm Bergdolt, vor allem aber unter der Geschäftsführerin Dr. Juliane Bartsch (bis Dez. 1937), sogar noch von der NS bereits verfemten Künstlern eine begrenzte Ausstellungsmöglichkeit eröffnete, wurde auch dadurch erleichtert, dass der von der NS-Leitung abgestellte Parteigenosse Keitel meist durch Abwesenheit glänzte. In der Bombennacht vom 5. auf den 6. Sept. 1943 wurde das Domizil des Kunstvereins in L 1, 1 (Augustinerkirche) mit dem Mobiliar und einen Teil des Schriftguts vernichtet.

Am 28. Sept. 1950 konstituierte sich der Kunstverein neu; zum Vorsitzenden wurde erneut Dr. Bergdolt gewählt, der bis 1972 amtierte. Unter seiner Amtszeit fällt auch der wichtigste Einschnitt in der Geschichte des Kunstvereins nach 1945: der 1966 erfolgte Einzug in das von der Stadt eigens hierfür errichtete, mietfrei überlassene Gebäude in der Augustaanlage. Dominierten in den 50er und 60er Jahren noch sehr stark die „Wiedergutmachungs-Ausstellungen“ für die im 3. Reich verfolgten Künstlerinnen und Künstler, so entwickelte sich der Kunstverein unter der Ägide von Frau Eva Jahn-Fehsenbecker (1972-1989) und Dr. Rainer Preusche zum Forum für die Avantgarde gemäß den 1983 formulierten Leitspruch der Vorsitzenden: „Ein Kunstverein hat die Aufgabe, das Experiment zu fördern“.
Usage notes:Nach Ablauf des ursprünglichen Depositarvertrages entsprach der Vorstand des Kunstvereins der Bitte des Stadtarchivs durch Beschluss am 26.6.1996, die Unterlagen als Dauerleihgabe mit vollen Eigentumsvorbehalt beim Stadtarchiv zu hinterlegen. Für die Benutzung wurde ausdrücklich nur noch die jeweils gültigen einschlägigen rechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen zugrunde gelegt, d. h. zur Zeit das Landesarchivgesetz von Baden-Württemberg vom 27. Juli 1987 und die Archivordnung der Stadt Mannheim vom 10. Juli 1992.
Comments:Der hier vorliegende Bestand gelangte am 30.11.1981 über Herrn Rechtsanwalt Dr. Gottfried Bergdolt, Sohn des langjährigen Vereinsvorsitzenden, in 13 Umzugskartons ins Stadtarchiv. Ein auf zehn Jahre befristeter Depositalvertrag vom 28.05.1982 regelte die genauen Modalitäten der Benutzung. Der Bestand umfasst 2417 Positionen bzw. rund 124 Normalpakete und reicht zeitlich von 1834 bis 1986, da im Laufe der Jahre immer wieder Nachträge ans Stadtarchiv abgeliefert wurden. Trotz großer Lücken in den Protokollserien sowie für die Zeit des Nationalsozialismus (s. Nachlass Wilhelm Bergdoldt Zug. 29/2007 Nr. 97) verdienen allein die erhaltenen Rechnungsunterlagen des 19. Jahrhunderts besondere Beachtung, finden sich doch hier die Abrechnungen mit Künstlern wie Louis Coblitz oder Carl Spitzweg, die wesentlich zur Erhellung offener kunsthistorischer Fragestellungen beitragen können. Aber auch sozial- und stadtgeschichtliche Forschungen zur Mitglieder- und Vorstandsstruktur dieses bedeutenden Mannheimer Vereins sowie vergleichende Untersuchungen zu anderen Kunstvereinen sind möglich. Schließlich dürfte die vom Verein betriebene Ausstellungspolitik, deren Unterlagen ab 1907 nahezu vollständig erhalten blieben, Gradmesser und Ausdruck des eigenen Kunstverständnisses wie seiner kunstpädagogischen Aktivitäten sein. Bis heute ist es sein vielfach zitiertes Ziel, über aktuelle Tendenzen und Strömungen der bildenden Kunst im In- und Ausland zu informieren und damit das Verständnis für zeitgenössische Kunst zu fördern. Insofern ist die Bedeutung des Bestandes, auch angesichts der großen Verluste städtischer Unterlagen vor 1943/ 45, kaum zu überschätzen.

Unter Anleitung von Stadtarchivrat Dr. Michael Martin wurde von verschiedenen Mitarbeitern/-innen ab 1982 eine summarische Ordnung und Verzeichnung auf Karteikarten erstellt, die auch die erste Grundlage für das hier vorliegende Findmittel bildet. Vor allem wurden passive konservatorische Maßnahmen zur Bestanderhaltung vorgenommen. Die Beibehaltung einer reinen Karteikartensammlung schien wegen möglicher Verlustgefahr bei einem relativ häufig benutzten Bestand auf Dauer zu riskant. Die Titelabgleichung und
-erfassung zum Teil auch eine erhebliche Intensivierung der Erschließung, erfolgte unter Anleitung des Unterzeichners durch Frau Petra Bergmann von Januar bis April 1996. Dabei wurde die ursprüngliche Signierung der Erstverzeichnung zugunsten einer Neunummerierung aufgegeben, die alte Signatur jedoch ausgewiesen, um bei älteren Zitierweisen in der Fachliteratur gegebenenfalls rasch die neue Nummernkonkordanz ermitteln zu können. Die Zwischenüberschriften spiegeln die ältere vorgefundene Registraturordnung wider; sie waren auch für die Gliederung des Findmittels maßgebend. Ein Index hilft bei eiligen Recherchen nach Ausstellungen bzw. Künstlern. Der Bestand befindet sich, trotz aller Bemühungen, zum Teil in einem konservatorisch bedenklichen Erhaltungszustand; einzelne Akten weisen deutliche Papier-, Wasser- und andere mechanische Schäden auf. Insofern bestehen Beschränkungen bei Kopierwünschen, die im Einzelfall allein von der Benutzeraufsicht entschieden werden, wie es die Archivsatzung der Stadt Mannheim auch vorsieht.
Bundesland:Baden-Württemberg
Art der Institution mit Archivbeständen:Kommunale Archive
 

Usage

Permission required:Keine
Physical Usability:Uneingeschränkt
Accessibility:Öffentlich
 

URL for this unit of description

URL: https://scope.mannheim.de/detail.aspx?ID=58605
 

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